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Ich bin eine Narzisstin - man muß sich dem stellen

J
Zitat von Kontra:
Ich mache mich hier gerade so offen wie nie.

Ich werde das nicht mehr tun.
a=zu alt
b=es gibt nur noch kleine Narben
Und das Wichtigste: Ich habe meinen inneren Frieden gefunden.

23.06.2017 20:11 • x 2 #211


M
Kontra,pferdediebin
sehr berührend,diese Offenheit,das sich verletzlich machen-danke und großen Respekt dafür.
Wie man in den Einklang kommt?
Ich bin nicht geschult und ausgebildet in dem Themenbereich,aber ich glaube,das viel zitierte innere Kind ist der Schlüssel,die Mitte um die sich alles dreht.Ich denke,den Zugang habt ihr noch nicht so richtig-wer und wie ist Euer inneres Kind?

23.06.2017 20:13 • x 2 #212


A


Ich bin eine Narzisstin - man muß sich dem stellen

x 3


Kontra
Zitat von ysabell:
Kakao und einen Pyjama aus Frottee

Sach ma, bisse bekloppt, Herzelein? Es sind noch gefühlte dreitausend Grad in meiner Wohnung, Frottee, also, soll ich mich totschwitzen?
Eher so: Kratzeis und mit Laken zudecken, sonst nüscht.


@maenneken Das ist nicht nur ein inneres Kind. Das sind mehrere. Traurige, verletzte, wütende, usw. Und ich lerne die Rasselbande gerade kennen.

23.06.2017 20:17 • x 3 #213


M
Kontra,
siehst Du.Gerade da bin ich mir überhaupt nicht sicher-das es mehrere innere Kinder gibt.Vielleicht betrachtest Du dieses eine auch nur als mehrere.

23.06.2017 20:27 • #214


Kontra
Zitat von maenneken:
Kontra,
siehst Du.Gerade da bin ich mir überhaupt nicht sicher-das es mehrere innere Kinder gibt.Vielleicht betrachtest Du dieses eine auch nur als mehrere.

Nach meinem Verständnis sind es verschiedene innere Anteile, das kann man unterschiedlich benennen. Und ja, da gibt es massive Unterschiede zwischen den Anteilen.
Denke über den Ansatz aber noch mal weiter nach, Danke dafür.
Jetzt gönne ich meinem Kopf und meinen Kids aber erst mal eine Pause und verziehe mich mit Ronja in meine Kissenburg.

23.06.2017 20:39 • x 1 #215


Ema
Ich will hier nicht sinnlos reingrätschen. Aber heute hab ich seit längerer Zeit mal wieder mit meiner Mutter telefoniert. Keine gute Idee.
Und dachte, ich kann es hier vielleicht auch mal loswerden.
Kennt das jemand?
Ich kann ihr gar nichts besonderes vorwerfen. Keine üblen Prügel. Kein Einsperren im Kohlenkeller.
Nur das Gefühl, dass sie sich schon immer gefragt hat, wer ihr dieses komische Kuckucksei ins Nest gelegt hat. Ein seltsames, hässliches (bin ich nicht, findet sie aber), Wesen, dessen Gedanken und Gefühle sie nie auch nur im Ansatz nachvollziehen konnte.

Es ist nicht greifbar und ich kann es kaum erklären.
Sie behauptet, dass sie mich liebt aber ich fühle es nicht. Noch nie. Nicht einmal im Ansatz.
Was ich fühle ist - entgegen ihrer Worte - Ablehnung. Abscheu fast.

Die einzige Art, wie ich mich dagegen wehren konnte, war mit siebzehn auszuziehen und oft über viele Jahre den Kontakt abzubrechen.
Was sie nicht versteht und mir vorwirft.

Und ich frage mich immer wieder: Hat sie recht? Tue ich ihr Unrecht?
Aber woher dann immer wieder mein Gefühl, weit weg laufen zu müssen um mich vor ihr und ihrem Einfluss in Sicherheit zu bringen.
Damit die Wunde nicht immer wieder aufplatzt.

Deshalb meine Frage. Kennt das jemand?

23.06.2017 21:02 • x 3 #216


Kontra
Ja. Du bist nicht alleine. Falls es dich beruhigt: viel nachhaltiger als die handfesten Strafen waren das Ignorieren und abgelehnt werden, das aberkennen meiner Wahrnehmung und meiner Gefühle. Liest sich bei dir ähnlich.

Dies ist ein Ort für alle wie wir, denke ich.

23.06.2017 21:05 • x 3 #217


Konrad
Ema,Deine Mutter bekommt das was sie Gesäht hat. Kein Mensch ist Schlecht von Geburt. Hast Du mal mit deiner Mutter über deren Vorfahren und Erziehung oder Erlebnisse geredet. Die Ursache könnte Generationenübergreifend sein. Gefühle können nicht gewährt oder verweigert werden ohne Grund. Entweder sie sind da, dann kommen sie auch heraus, oder sie sind nicht da.
Aber man kann Niemandem vorwerfen das keine da waren oder sind. Die Erkärung findest Du in Ihrer Vergangenheit.

23.06.2017 21:16 • x 5 #218


pferdediebin
Liebe Kontra!

Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich muß dir hier mehr Raum geben, und ich rechne mir das als total unnarzistisch an *Schulterklopf* Und ich finde es grandios, daß du dich hier öffnen kannst, daß du uns vertraust.
Hier ist das wilde, freie Netz und keine geschützte Selbsthilfegruppe, das ist nicht so selbstverständlich. Aber vielleicht ist die Botschaft: Man muß sich dem stellen! so deutlich, daß es nur Leute interessiert, die ehrlich sind.
Hier ist kein Banalitäten-Phrasen-Tröste-Pool, und schon gar kein Ponyhof und da kann echtes Lernen und nachhaltiges Trösten passieren. Hier werden Pferde gestohlen! Große!
So, jetzt habe ich lange überlegt, wie ich mich deinem Thema nähere, und ich verlasse mich auf mein Gefühl, ich nehme große Zerrissenheit wahr, Resignation. Und ich verlasse mich auf meine Botschaft, behandle dein eigenes Zeug, vielleicht ist meine Geschichte irgendwie hilfreich.
Aber was ich nicht glaube, ist, daß du niemals heilen kannst. Vielleicht kannst du niemals ganz heilen, aber es wird dich nicht mehr loslassen, es hat dich jetzt genau da, wo es dich haben will. Und es wird Schritt für Schritt leichter, dem Pfad zu folgen, man gewöhnt sich ans Gelände, sieht das ferne Ziel immer deutlicher, und: Man wird immer glücklicher dabei. Allein das ist es wert, ihn zu beschreiten. Kein innerer Kampf mehr, und ich hätte das nie, nie, nie geglaubt, daß das geht, so sehr war das meine Natur. Und du machst bereits Schritte, du bist hier gelandet, ich glaub absolut nicht mehr an Zufälle. Und Selbstmitleid ist hier gerne gesehen. Wir sind weibliche Narzissten (ok, ich zumindest) und wir sind daran gewöhnt, nichts zu fühlen, da ist ein gesundes Selbstmitleid mal ein guter Anfang.
Ich habe übrigens das Gefühl, daß ich streng und finster und depressiv rüberkomme, dem muß ich massiv widersprechen. Im Alltag bin ich (...gut mit Medikamenten eingestellt) wirklich absolut lustig. Ich jammere so schwarzhumorig vor mich hin, daß die Leute sich die Bäuche halten. Ich kann über mich selber gut lachen, Kunststück als Narzisstin, wenn ich mich selber runtermache, komme ich damit jedem zuvor. Aber es macht mich auch menschlich. Ich bringe gern Sachen auf den Punkt, wenn andere ewig herumeiern, ich bin superfindig in Problemlösungen. Richtig witzig fand ich einmal einen kleinen Bangladeshi in meiner Arbeit, der konnte kaum deutsch, hat mich aber immer freudestrahlend begrüßt, mit : Ich hasse mein Leben! Wahrscheinlich hat er geglaubt ich begrüße alle so, wenn ich in die Arbeit komme (Ich muß schon wieder so lachen).
Aber natürlich habe ich nur meine Not versteckt mitgeteilt, denn wer lächelt, hat noch Reserven. Ich will nicht, daß sie sich sorgen, ich schone alle vor der grausamen Wahrheit, daß ich mich eigentlich grad lieber vor die Strassenbahn schmeissen möcht, ich sage es nur im Scherz. Weil ich eigentlich heulen, kotzen und schreien gleichzeitig will, es würgt mich in der Kehle, aber ein mitleidiges Wort ließe jetzt die Dämme brechen, und das ist nicht die richtige Zeit oder der richtige Ort. Es ist halt so. Bis ich nach Hause komme, fühle ich nichts mehr, meist habe ich den ganzen Tag nichts gegessen und essen macht mich müde.Hoffentlich! Denn sobald ich versuche zu schlafen, rennt alles ab, der ganze Horrorfilm des Tages, ich sehe alle Fehler, die ich gemacht habe. Und mir wird heiß vor Scham, und ich überlege Strategien, wie ich das besser verbergen kann, daß ich ein unfähiger Idiot bin, mit offensichtlichen Problemen in der Stressbewältigung. Dann träume ich von der Arbeit, ich stecke in Situationen, die ich nicht mehr überblicken kann, und bin kopflos und verzweifelt, und bringe nicht mal ansatzweise was auf die Reihe. Und dann wache ich auf, und fahre in die Realität, ein neuer Tag im Paradies. Und ich lebe eigentlich nur, weil ich noch nicht tot bin.
Meine Eltern sind schon tot. Meine Mutter hatte ein kurzes, verzweifeltes Leben. Mit 5 Mutter verloren, als älteste Tochter mußte sie sich um zwei jüngere Geschwister kümmern. Mit 16 ungewollt schwanger, das Kind kam kurz nachdem ihr Vater starb. Sie war froh, daß sie ihm das nicht beichten mußte. Sie wurde aus dem Haus geworfen, alle 5 Kinder zerstreuten sich in der Welt. Sie nahm eine Arbeit als Zimmermädchen an, wo auch mein Vater Gastarbeiter war. Ihr Sohn mußte ins Kinderheim, weil sie selbst noch unter Fürsorge stand.
Die beiden verliebten sich, sie wurde wieder schwanger, auf dem Hochzeitsbild ist sie 18, im 8. Monat, trägt ein geliehenes Kleid, sie sieht so süß aus, daß es mir das Herz bricht. Sie war immer sehr mitfühlend, hat sich auch gut durchgeschlagen, sie war ein fleißiger Mensch, sie hat meinen Vater sicher mit ihrer guten Seele beeindruckt. Sowas hat er sicher nicht gekannt. Er kam zur Welt, als sein Vater schon im Krieg gefallen war. Im letzten Kaff, wo es absolut nichts gab. Der schlief noch auf Strohsäcken, und stahl sich sein Essen bei den umliegenden Bauern zusammen. Dafür wurde er von den Bauern geschlagen, und anschließend noch mal von der Mutter, die ihren Hass auf seinen Vater schlecht verbergen konnte, der sie ja kurz vor seinem Tod wegen einer Deutschen verlassen hat. In der Schule mußte er auf Holzscheiten knien, und Überraschung! wurde auch noch geschlagen. Er war ein verstocktes, undurchdringliches Kind, er hat sich eine Panzerung zugelegt, die sich später physisch auf sein Herz übertragen hat. Weil er nie mehr hungern wollte, ist er Metzger geworden, und das war sicher der härteste Lehrberuf damals. Er wurde unheimlich stark, er war nicht sehr groß, aber gebaut wie ein Stier. Und meine Mutter wollte unbedingt, daß ich seine grünen Augen erbe, zu ihren dunklen Haaren. Wurde leider nix draus.
Der Anfang war dann schwierig, meine Eltern hatten einen großen Freundeskreis, wollten eigentlich in Deutschland bleiben, aber seine Mutter täuschte eine Herzkrankheit vor und zwang ihn heimzukommen. Und da begann das Elend.
Er arbeitete in Wien, sie war mit der Schwiegermutter allein, die sie grundlos inbrünstig hasste, allein die Tatsachen, daß sie eine Deutsche war und ein uneheliches Kind hatte, machen meine Großmutter unbarmherzig. Mein Vater war wieder mit seinen Jugendfreunden unterwegs und begann mit ihnen zu trinken. Auf dem Land ist das so üblich. Sein Bruder schaffte es, ihnen in Wien eine Wohnung aufzutreiben, und es wurde besser. Sie hatten ein soziales Netz, die Geschwister meiner Mutter kamen vorbei, oft war richtig volles Haus. Es wurde natürlich auch gefeiert und getrunken, nur mein Vater hat dann irgendwie nicht mehr aufgehört zu feiern. Er trank in der Arbeit mit seinen Kollegen, ging nach der Arbeit ins Wirtshaus, wo mich meine Mutter dann hinschickte ihn zu holen. Sie arbeitet nachts, damit sie tagsüber bei uns sein konnte. Was in der Praxis hieß, sie schlief am Tag, mein Bruder war in der Schule, und ich war allein. Ich hab begonnen herumzustreunen, hab die Tür angelehnt, und bin mit der Strassenbahn spazieren gefahren. Wenn mir etwas bekannt vorkam, hab ich dort die Leute besucht. Die haben dann natürlich meine Mutter angerufen. Dann habe ich begonnen Geld zu stehlen, und hab mir Süßigkeiten gekauft, da hat mich mein Vater richtig versohlt und man hat mir gesagt, sie bringen mich in ein Kinderheim. Und ich war nicht mal erschrocken darüber, ich hab nur geweint, weil sie mir kein Gewand meiner Mutter mitgeben wollten, denn das würde ich brauchen, wenn ich groß bin. Ich war anscheinend sicher, hier will mich sowieso keiner haben.
Mein Vater soff immer mehr, zerstörte jede Familienfeier, meine Mutter versuchte uns vor ihm zu beschützen. Er konnte ganze Abende damit zubringen, uns zu erzählen, wie verwöhnt und undankbar wir sind, steigerte sich immer mehr rein. Meine Mutter versuchte verzweifelt die Fassade aufrecht zu erhalten, war immer nur am arbeiten und putzen. Er wurde immer unzufriedener, unzuverlässiger, ungerechter, er kam heim wie eine dunkle Wolke und alles wurde still, keiner wollte Angriffsfläche bieten. Er trank bis er müde wurde, stand auf und ging arbeiten, soff dort weiter. Und er war nie krank, hat nie gefehlt, wie eine Maschine. Meiner Mutter ging natürlich irgendwann die Kraft aus, erst nahm sie Beruhigungsmittel, dann trank auch sie. Vielleicht versuchte sie ihm einen Spiegel vorzuhalten. Als kleines Kind hatte ich oft Alpträume, immer wieder die gleichen, ein riesiges Monster, dunkel und haarig hat mir in der Wohnung aufgelauert, ich hatte auch unheimliche Angst, wenn ich alleine war. Fühlte mich ständig beobachtet, verfolgt. Dunkle Schatten zogen in meine Phantasiewelt, Dämonen.
Ich hatte also nicht nur einen unberechenbaren, trinkenden Vater, der sich keinen Deut für mich interessierte, der mich auch offensichtlich hasste, jetzt war auch der Fels in der Brandung eingestürzt. Meine Mutter verwandelte sich im Rausch, es war entsetzlich. Sie war Quartaltrinkerin, und es kam für mich trotzdem immer unerwartet. Ich kam von der Schule heim, und roch es schon. Der dumpfe Geruch nach Wein, vermischt mit kaltem Rauch, sie war nicht in der Arbeit, das hieß, ich mußte den Arbeitgeber anrufen, und sie krank melden. War mir immer sehr peinlich. Meist versuchte ich dann ihre Vorräte zu finden, ich kannte alle Verstecke, und sperrte mich im Klo ein, und schüttete es weg. Wenn sie mich nämlich dabei erwischte, schliff sie mich an den Haaren im Kreis. Sie taumelte durch die Wohnung, immer auf der Suche nach Zig. oder Feuer, hinterließ überall Brandlöcher, ihr Gesicht, blöde entgleist, im angepissten Nachthemd. Und Quartaltrinker sind anders als Spiegeltrinker, die trinken sich bewußtlos, bis sie nicht mehr können, dann folgt die Ernüchterungsphase, da sind sie dann schuldbewußt, geloben Besserung. Plötzlich machen sie dir Vorwürfe, weil deine Schulleistungen unter aller Sau sind. Richten wieder ihre Fassade auf, und es wird nicht mehr darüber geredet. Wenn sie entlassen wurde, suchte sie sich was Neues, und das Spiel begann von vorn. Mein Vater war hilflos angesichts der Katastrophe, und tat sich unheimlich leid, was er mir stundenlang schilderte. In seiner hilflosen Wut, weil ihn schon ihr Anblick provozierte, begannen die Schlägereien. Er hatte nichts anderes gelernt, er wollte sie mit Gewalt normalisieren. Und sie war im Suff extrem hemmungslos, da hörten wir dann Sachen, die wir nicht wissen wollten. Sie forderten sich gegenseitig heraus, mit ihren Vorwürfen und dann ging es los.
Und mein Vater war eine Naturgewalt mit seiner rohen Kraft und sie wehrlos wie eine Puppe. Und dazwischen war ich. Manchmal hatte ich Erfolg, oder ich schaffte es, sie räumlich zu trennen. Ich kam mir vor wie ein Dompteur, wußte, daß Vernunft sinnlos ist, gab kurze Anweisungen, drohte mit Polizei. Irgendwie versuchte ich wenigstens aufzuräumen, für oberflächliche Ordnung zu sorgen. Inzwischen kam ich in die Pubertät, unheimlich früh, war wie ein Fremdkörper unter all den kleinen Kindern. Niemand brachte mir bei, wie ich mit diesem ganzen weiblichen Zeug umgehen soll. Meine Mutter zeigte sich zwar offen für heikle Themen, aber sie war selber unheimlich verklemmt, konnte mir nicht recht helfen. Mein Vater hat das Wort S., glaube ich, noch nie in den Mund genommen, da hätte ich mit einem verschämten Stein reden können. Und ich war so hässlich, ich wuchs wie Unkraut, keiner zeigte mir die Geheimnisse der Frauen. Ich war immer eine gute Schülerin gewesen, lernte mühelos, las viel. Aber irgendwann verweigerte ich. Meine Eltern hatten davon geträumt, daß ich als Erste der Familie studieren würde. Aber als ich aus dem Gymnasium flog, mit unzähligen Nicht-Genügend und einem Genügend im Betragen haben sie sich das wohl abgeschminkt. Ich wurde furchtbar. Mir war alles egal, ich hielt den Mund nicht mehr, weder daheim noch in der Schule. Ich sagte das, was keiner hören wollte, und schiss auf die Konsequenzen. Ich wurde Granit. Ich hatte bald einen älteren Freund, bei dem ich einzog, da war ich 15. Und dann zum nächsten Freund, das war mein erster Narzisst. Er war 23, für mich ein Erwachsener, und ich suchte Halt und Sicherheit.
Der hat mich durch die Gehirnwäsche-Mangel getrieben, bis ich nicht mehr wußte, ob der Himmel wirklich blau ist. Und ich wurde weich und formbar wie Butter. Ich hab zwar weiter gekämpft, aber sinnlos mit der Steinschleuder. Ich hab mich einfach wieder abgespalten, und den Irrsinn irgendwie durchgehalten. Nichts Neues. Hab mich in Sachen treiben lassen, wo ich Dummchen wußte, wie das ausgeht, aber ich hatte keine maßgebende Stimme. Aber ich hatte keine Grenze, was das aushalten betrifft. Aber die Geschichte habe ich schon erzählt.

Ich hab jetzt keine Ahnung, wie lange das geworden ist,aber ich drücke einfach auf Absenden.

Ich kann mir nie vorstellen, daß das, was ich schreibe, irgendwem hilft. Ich fühl mich grad so ausgehöhlt. Und ich hab auch grad das Bedürfnis zu sagen: Bitte kein Mitleid, so schlimm war das doch gar nicht. Aber, das war es. Ich weiß, es gibt schlimmere Schicksale. Und ich tu mir so schwer, meinen Eltern wirklich böse zu sein, sie tun mir entsetzlich leid dafür, daß sie in ihren Mustern feststeckten. Und damals war noch keine Rede von Therapie, Trauma oder inneren Kindern.
Ich habe sie mal Jahre später konfrontiert, meine Mutter hat sich gewehrt, nein, so arg war das gar nicht, da hab ich geheult vor Wut. Sie hat da nämlich noch immer gesoffen, und meinem inzwischen trockenen Vater quartalsweise alles zurückgezahlt. Mein Vater sagte wenigstens: Es tut mir leid. Wenn ich es ungeschehen machen könnte, würde ich es tun. Das war zumindest besser als abstreiten. Ich tat mir auch zeitlebens schwer, meine Wahrnehmung ernst zu nehmen. Wenn jemand was anderes sagt, dann ist das viel gewichtiger. Ich nehme noch immer an, daß ich so unwichtig bin, daß es einfach nicht zählt, was ich fühle. Es hat auch nie gezählt, was ich fühle.
Aua, Schei.ße da ist es. Ich bin dort wo ich hinsollte, ich danke dir Kontra. Ich geh heulen.

24.06.2017 01:20 • x 8 #219


W
@Ema

Kann es nicht sein, daß Du (und vielleicht auch Deine Mutter) dem Trugschluß unterliegst, eine Mutter-Tochter-Beziehung müsse immer etwas Gutes sein, müsse harmonisch, liebevoll usw. sein?
Das wäre nämlich ein grundlegender Irrtum. Auch Mutter und Tochter können wesensmäßig derart verschieden sein wie sonst zwei Menschen. Deshalb muß weder die Mutter eine Rabenmutter sein noch die Tochter ein undankbares Biest. In einem solchen Fall sollte man einfach damit aufhören, sich dem Druck auszusetzen, es müsse doch irgendwie klappen miteinander. Wenn die Wesensunterschiede zu groß sind, kann man kein liebevolles, vertrautes, gelungenes Verhältnis haben, sehr wohl aber ein entspanntes, indem sich eben beide nicht mehr dieser Vorstellung unterwerfen, eine Mutter-Tochter-Beziehung müsse stets mehr oder weniger stimmig sein, und das erzwingen wollen (und vielleicht auch von Liebe reden, obwohl dahinter nichts steckt, was auch tatsächlich gefühlt werden würde - sondern es wird gesagt, weil sich das quasi so gehört, weil es so sein muß ... fast wie in einer abgehalfterten Ehe).

Ich glaube daher, daß Ihr beide von diesem Mutter-Tochter-Zwangsmodus wegkommen und Ihr Euch eingestehen solltet, wesensmäßig so unterschiedlich zu sein, daß etwas Liebevolles, Harmonisches nicht möglich ist. Das könnte zumindest zu einem entspannten Umgang miteinander führen, und das, ohne sich irgend etwas vormachen zu müssen.
Letztlich ist ja auch nichts Schlimmes daran. Menschen sind sich ganz naturgemäß wesensmäßig oft ganz fremd - und bisweilen kann das auch die eigene Mutter, Tochter, Schwester, den Vater, den Sohn, den Bruder betreffen.

Ich selber beispielsweise hatte zu meinem Vater das ganze Leben lang keinerlei Beziehung, weder eine gut- noch eine bösartige, sondern tatsächlich absolut gar keine. Weil unsere Wesensarten sich eben dermaßen fremd waren, nahezu gegenteilig, kann man sagen. Mein Vater konnte mit mir so wenig anfangen wie ich mit ihm.
Nur habe ich das nie als Unglück erlebt, sondern es einfach so akzeptiert, wie es ist.

24.06.2017 02:10 • x 3 #220


Tiefes Meer
Hi @Ema

bin hier grade eher zufällig vorbei gekommen. Ich kenne das, wenn auch mit einer anderen Farbe.

Ich habe mich zwar nie verabscheut gefühlt, aber ich kam mir nie richtig vor. Nie gut genug. Der Vorwurf, der mich begleitet, ist, dass ich eine undankbare Tochter bin. Woran sich allerlei emotionale Erpressungen anschließen

Ich musste ganz schön alt werden, bevor ich begriffen habe, dass meine Mutter ein tief traumatisierter Mensch ist. Dabei lag es auf der Hand (Kriegskind, Fluchtkind, als junge Frau verstoßen von der Mutter, weil sie als Protestantin mit einem katholischen jungen Mann ausging.)

Sie hat es mit mir so gut gemacht wie es eben nur ging. Wollte mit mir alles besser machen. Doch ich konnte nicht gut machen, was ihr alles Böses widerfahren ist. Ich bin traurig, dass wir beide auf einer tieferen Ebene nie in eine Leichtigkeit kommen werden.

Es ist nicht greifbar und ich kann es kaum erklären.
Sie behauptet, dass sie mich liebt aber ich fühle es nicht. Noch nie. Nicht einmal im Ansatz.
Was ich fühle ist - entgegen ihrer Worte - Ablehnung. Abscheu fast.

Ich vermute, dass sie etwas ausblendet.

Und ich frage mich immer wieder: Hat sie recht? Tue ich ihr Unrecht?

Falls auch Du eine traumatisierte Mutter hast, dann ist die Antwort, das beides stimmt. Dann tust Du ihr, wenn Du so willst, Unrecht, weil sie ihr bestes gibt und gleichzeitig hast Du völlig Recht mit Deinem Gefühl, dass das , was Du bekommen hast und bekommst nicht reicht.

Mir hat die Auseinandersetzung mit dem Thema Kriegskinder und Kriegsenkel geholfen, mit der Schere in meinem Inneren umzugehen. Habe gerade mal nach Deinem Alter gelinst. Ich vermute, dass Deine Mutter kein Kriegskind mehr ist. Allerdings scheint sie selbst das Kind von Kriegsbetroffenen zu sein. Von denen viele ihre Traumata weiter gegeben haben. Es gab damals ja keine Psychologen und Therapien wo irgendwer irgendwas mit den Menschen aufgearbeitet hätte.

Ich hoffe, ich könnte Dir ein paar Hinweise geben.

LG

24.06.2017 10:35 • x 4 #221


Y
Zitat:
Auch Mutter und Tochter können wesensmäßig derart verschieden sein wie sonst zwei Menschen.


ja, aber das, was ich hier von Ema gelesen habe, liest sich nicht einfach wie ein Wesensunterschied, sondern destruktiv von Seiten der Mutter. Mal eben so ganz nüchtern der Tochter gesagt, dass man sie hässlich findet? Meiner Meinung nach sehr zerstörerisch. Mir wurde frostig ums Herz. So viel Ablehnung ist nicht nötig, wenn es nur um einen Wesensunterschied ginge.

24.06.2017 10:46 • x 3 #222


Ema
Vielen Dank euch allen, die ihr geantwortet habt.

Ihr habt mir viele Anregungen gegeben, über die ich nachdenken kann. Spuren, die ich weiterverfolgen kann.
Ich könnte zu jedem einzelnen auch eine Menge sagen und antworten. Mir fällt plötzlich so viel dazu ein.

Aber finge ich jetzt damit an, würde es sehr viel Raum in diesem Thread einnehmen, der nicht meiner ist.
Das möchte ich nicht.

Danke auch für das Mitgefühl.

@ysabell
Ja. Genau. Mir wurde auch frostig ums Herz. Mir war - glaube ich - mein Leben lang frostig ums Herz. Das ist erst vor gar nicht so langer Zeit aufgebrochen.
Danke für diese einfache Formulierung, die mich sehr berührt hat, weil sie einfach trifft.

24.06.2017 11:15 • x 2 #223


J
Ema, Pfedediebin hat nichts dagegen, dass hier geschrieben wird. Liebe Grüße

24.06.2017 13:26 • x 2 #224


pferdediebin
Meine Lieblinge!

Ich bin leider noch nicht fertig, und mache unbarmherzig weiter. Ich hänge fest in der Schleife: Was ich fühle, hat noch nie gezählt. Ich möchte es förmlich auskotzen. Jetzt verstehe ich Bulimikerinnen.
Wißt ihr, ich habe eine besondere Beziehung zu Steinen, ich sammle überall Steine. Ich finde Gesichtersteine, einen werde ich mir wohl für immer aufheben, das ist ein kleiner Stein, der aussieht wie ein Buddha-Gesicht. Lacht ganz breit. Ich werde ein Foto machen. Ich hab Laden voll unbedeutender Kiesel.
Und ich habe auch Halbedelsteine und Kristalle, ihre einfache, klare Schönheit, die Farbenspiele, ihre Entwicklungsgeschichte, was sie geformt und gefärbt hat verzaubern mich immer wieder. Ich wäre wohl eine ideale Geologin.
Die Geschichte der Steine ist mit viel Gewalt, Katastrophen und Hitze verbunden, dann folgen lange Phasen des Aushaltens, dem ausgesetzt sein der Elemente, und dann die Auflösung oder neue Umformung. Sie vergehen niemals, ehemalige Gebirge werden zu Sandwüsten.
Und ich merke erst jetzt die Parallelen, in meinem nächsten Leben wollte ich ein Berg werden. Einfach zusehen, wie die Zeit verrinnt, still und ohne Regung und vor allem unbeteiligt. Der Inbegriff von kein Stress, nichts tun müssen
Jetzt bin ich nur ein menschlicher Fels in der Brandung, man sucht oft meine Hilfe, ich in die Person, die du in einer wildfremden Stadt ansprichst, und ich lasse dich nicht allein, bis ich weiß, wo du hinmußt. Wenn ich ein kleines Kind alleine sehe, suche ich sofort die Aufsichtsperson. Ist keine da, passe ich auf das Kind auf. Ich bin die Person, die mutig eingreift.
Ich bin die Person, die jedem Bettler etwas gibt, denn ich hatte auch Situationen im Ausland, wo ich auf Mildtätigkeit angewiesen war.
So, jetzt hat das Netz so gesponnen, daß ich nicht weiterschreiben konnte, mußte wieder 4 Stunden schlafen. Jetzt merke ich, wie mein Körper reagiert, er hat Angst, mein Herz befürchtet, daß es diesen Schmerzen nicht gewachsen ist. Mein Kopf mag nicht mehr denken, vernebelt. Aber das muß jetzt raus. Jetzt! Und ich weiß gar nicht, womit ihr euch beschäftigt, habe nur peripher mitbekommen, daß jetzt Ema Platz braucht, und bitte, Ema, das ist unser aller Thread, du bist mehr als willkommen. Nimm alles, was dir hir weiterhilft.
So jetzt muß ich schreiben, ich muß ordnen:
Ich sehe in so vielen Details, daß ich die Fackel meiner Ahnen genommen und weitergetragen hab. Ich wiederhole sie bis ins Kleinste. Und es ist diese Fackel, die heißt: Was ich fühle, hat noch nie gezählt. Meine Eltern haben mir die Fackel überreicht, weil sie sie selber getragen haben. Und deshalb kann ich ihnen verzeihen, sie haben genauso, wenn nicht mehr gelitten. Meine Liebe für sie ist den Personen gewidmet, die sie sein wollten, und ich weiß, daß sie mich so weit geliebt haben, wie sie konnten. Sie haben mit ihrem Leid den Schmerz gemessen, den sie mir zugemutet haben, in ihren Augen haben sie mich nicht ständig geschlagen, sie haben mich nicht physisch verlassen, ich mußte nicht Hunger leiden, und sie erfüllten meine Wünsche, soweit sie konnten. Das war weit mehr als sie bekommen hatten. Und den Alk. muß man als Form der Selbstmedikation betrachten. Auch ihre Sicherheit war die Leistung, die Arbeit. Aber mehr hatten sie nicht gelernt.
Und ich spüre richtig, wie sie links und rechts von mir stehen, und die Fackel wieder mitnehmen wollen. Sie sind froh, daß ich den Staffellauf durchbreche. Ich habe die Fackel auch aus Liebe genommen, ich als fühlendes Wesen war zuviel für sie.
Ich hätte sie zur Auseinandersetzung mit ihren eigenen Gefühlen gebracht, und sie erschüttert. Und dafür hat es damals noch keine Ärzte gegeben, es gab keine Auseinandersetzung mit der Seele, Psychiater bekamen nur die hochgradig, auffällig Verrückten. Wer trank, machte einen Entzug und das war's.
Mein Vater hätte ohne seinen Panzer, und mit dem Wissen, daß ein geprügeltes, heulendes Kind in leitet, nicht überlebt.
Das hätte er nicht begreifen können, er wäre ersoffen in einem Meer aus Tränen.
Meine Mutter hätte hinter ihrer Fassade ein Mädchen entdeckt, daß immer Angst vor Verlust hat, das sogar Angst hatte, uns noch mehr zu lieben, weil wie sollten wir dann ohne sie existieren, wenn sie stirbt?
Wieviel psycholgisches Wissen habe ich mir über die Jahre angeeignet, um das alles überhaupt in Worte fassen zu können?
So, jetzt muß ich zurück zur Fackel: Es hat noch nie gezählt, was ich fühle.
Was hat die Fackel mit mir gemacht? Ich spüre eine Panzerung um's Herz. Sämtliche Mitglieder meiner väterlichen Famlie hatten/haben Herzkrankheiten. Das wäre mir sicher irgendwann auch zum Verhängnis geworden, zuviel Kraft mit zuviel Nervosität, das kann nicht gut gehen. Die mütterliche Lösung: früh sterben. Sie war nur 2 Jahre älter als ich jetzt, als sie an einer Rauchgasvergiftung von heute auf morgen starb. Einfach weg. Was für eine Kombination! Ich spüre, wie meine Eltern mir jetzt helfen, das brutal zu sehen.
Es hat noch nie gezählt was ich fühle, hat auch alles, was mir helfen wollte, abprallen lassen. Ich bin eine Fleischhauerstochter ist dasselbe mit anderen Worten. Deshalb konnte ich auch mit den Standardhilfsprogrammen: Kümmere dich um dich selbst, und alles in der Richtung, nie etwas richtig anfangen. Wenn als Basis nichts zählt was ich fühle, dann laufen Ratschläge und Hilfsprogramme ins Leere. Dann kann ich mich auch nicht erklären, weil die Worte immer weggehen, von dem, was ich WIRKLICH fühle. Ich verpacke es in einen Witz, und alle denken sich, toll, wie die damit klarkommt.
Wenn es noch nie gezählt hat, was ich fühle, wie soll ich meinen Gefühlen einen Wert geben? Wie soll ich eine innere Grenze finden? Wie soll ich mich ernst nehmen? Wie soll ich jemals, den wirklichen Ernst der Lage erkennen?
Ich muß ganz von vorne anfangen, und einmal meine richtigen, wahren Gefühle finden. Es hat noch nie gezählt? Ja stimmt, aber jetzt tut es das. MIR sind meine Gefühle wichtig, und jetzt zählen sie doppelt und dreifach, weil ich mich sonst zerstöre, wenn ich die Fackel weitertrage. Und ich will mich nicht mehr schämen dafür, daß ich so hungrig bin, nach Liebe oder nach Anerkennung. Und ich möchte meine Liebe auch einmal geben dürfen, ohne daß sie an den falschen Männern abprallt.
Denn ich suche mir ja Männer, für die es nicht zählt, was ich fühle. Und ich fühle mich bestätigt.
Ich suche mir Vorgesetzte, für die es nicht zählt, was ich fühle, und treibe mich an wie einen Schlittenhund, und hoffe, daß sie es bemerken.
Ich war nur ein Wiederholungstäter in der Staffel.
Ich gebe den beiden jetzt die Fackel zurück, und unterhalte mich mit diesen geliebten Seelen, diesen Teilen von mir, die jetzt auch endlich fühlen dürfen.

Bis später

Ich bin so dankbar für das alles hier.
Ihr seid großartig.

24.06.2017 16:23 • x 4 #225


A


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