Hallo, es wird wohl nie ein Buch darueber geben, denn so gut sind diese Geschichten nun auch wieder nicht.
Aber unterhaltsam allemal und mir helfen sie loszulassen.
Ich sitze hier vor dem Spiegel und traue mich nicht dort hinein zu blicken. Ich sehe diese Frau im Spiegelbild und will nicht akzeptieren, dass ich diejenige sein soll, die mir von dort entgegen sieht. Ich habe ein ganz anderes Bild von mir und ich versuche dieses Bild dort zu finden aber ich sehe es nicht. Es ist die gleiche Frisur, das gleiche Outfit, die Figur, die Koerperhaltung und doch da ist noch etwas was mich verstoert. Es sind die Augen, verquollen, mit Traenensaecken und Augenraendern. So ganz fremde Augen, die nicht die meinen sind. Wo sind die Funken, die darin waren und wo das Lachen? Die Augen dir mir entgegen blicken sind so leer und traurig. Es erschreckt mich sie so zu sehen. Bemitleidenswert. Kein Wunder, dass ihr Mann es nicht mit ihr ausgehalten hat, wenn sie sich so gehen laesst.
“Hallo du”, sag ich, “guck doch nicht so traurig. So wird es auch nicht besser. So traut sich keiner dich anzusprechen. So bleibst du immer allein. So kommst du nie raus aus deinem Loch.” Mein Gegenueber schaut auf und laechelt gequaelt. “ich habe doch nichts zum lachen, “ sagt sie, “man hat mir doch alles genommen. Es ist nichts mehr uebrig. Was bleibt mir anderes uebrig, als hier zu sitzen und ueber mein Unglueck nach zu denken.” Sie sagt das mit soviel Schmerz in der Stimme, dass ich einfach den Drang verspuere auf zu stehen, sie in den Arm zu nehmen und sie zu wiegen wie ein Kind aber auch sie zu schuetteln und sie anzuschreien “Gib nicht auf. Mir zu liebe gibt nicht auf.” Aber es geht nicht, der Spiegel laesst mich nicht auf die andere Seite.
Oh, ich kann ja gar nicht zu dir”, sage ich und schaue mich hilflos um, “was ist los? Wieso ist das so?” Das Spiegelbild deutet an, dass es auch nicht weiss warum es mal geht und mal nicht. Vielleicht bin ich einfach heute nicht dazu bereit, meine Situation aus einer anderen Sicht zu betrachten. Heute bin ich bockig. Ich mag diese Frau dort nicht und ich will auch nicht hoeren, was sie sagt und nicht sehen was sie sieht. Ich mag den Spiegel nicht.
“Komm doch du zu mir,” sag ich,” komm hier rueber” und sie kommt. Ich zeige ihr meine Seite. Meine Wohnung, die einmal ein Heim war und die ich jetzt als fremd empfinde, weil er nicht mehr da. Ich zeige ihr meine Traurigkeit aber auch meinen Willen und meine Staerke. Ich zeige ihr meine Wunden und meine Verzweiflung. Aber auch andere Sachen, wie meinen Job, die Anerkennung meiner Kollegen, den Zuspruch von Freunden, Familie und Bekannten. Ich lade sie ein mit mir ins Internet zu gehen und lese ihr die vielen Mails vor, die ich erhalten habe.
“Schau,” sag ich “es liegt nicht an uns, an unser Alter, an unser Gewicht, an den grauen Haaren, dass er uns verlassen hat”, sage ich, “schau hier sind so viele, junge, huebsche, dicke, duenne, grosse, kleine, blond, braun, grau oder weisshaarig, Frauen und Maenner, reich oder arm, beruehmt oder unscheinbar. Auch sie sind verlassen oder ausgetauscht worden aus dem einen oder anderen Grund.Das haben mir diese leiben Menschen gezeigt.”
“Das ist nichts neues, “ sagt der Spiegel,”das kenne ich schon und es geht ja auch nicht darum. Ich leide, weil ich nicht verstehen kann wie und wieso er mir das antun konnte. Wieso war sein Herz frei jemand anderen zu lieben. Ich dachte, sein Herz gehoert mir und nur mir. Wie hat er es mir wegnehmen koennen so klamm heimlich und ohne Warnung und es einer anderen schenken. es war meins, meins!.”
“Oje,” stoehne ich,” Darauf werden wir nie eine Antwort bekommen, weil es keine gibt die wir akzeptieren koennen und wollen. Wir drehen uns wieder im Kreis. Deine und meine Gedanken drehen sich wieder nur um ihn. Aber ich mag nicht mehr. Ich will raus aus dieser Sprirale, die mich unweigerlich ins dunkle Nichts herunter zieht.”
Ich fasse dieses andere Ich bei der Hand und gemeinsam rennen wir gegen den Spiegel an. Fallen gemeinsam hindurch zur anderen Seite. Wir landen hart und unter Schmerzen aber wir sind auf der anderen Seite. Es umschliesst uns ein Gefuehl, dass ich nicht beschreiben kann.
Wir halten uns fest und stehen langsam auf. Unsere Herzen sind schwer und doch ist da was anderes auch noch. Wir schauen uns um und sehen ihn und unser Herz springt vor Freude. Er winkt aber entfernt sich immer weiter von uns weg. Das Herz trauert aber der Herzschlag ist nicht lauter oder schneller geworden. Es bleibt ruhig. Wir sehen wie er auf jemanden zugeht. Wir schliessen die Augen, wir wollen nicht sehen und hoeren was er tut. Aber wir blinzeln und wollen dennoch ein Blick erhaschen. Vielleicht doch ein Teil von seinem Leben sein?
“Siehst du,” sagt das andere ich, “er hat uns schon vergessen” und die Worte treffen das Herz und es tut weh. Aber nicht mehr so sehr wie am Anfang.
Ich mache einen Schritt und noch einen, irgenwo sehe ich etwas, das wie ein Weg aussieht.
“Oh, schau. Das hier sieht aus wie der gelbe Pflasterweg aus dem Wizzard von Oz” sage ich und klatsche in die Hanede wie ein kleines Maedchen. Mein Gegenstueck rollt mit den Augen. Sie haelt mich wohl fur unverbesserlich kindisch.
Auf jedem dieser Pflastersteine, stehen Worte und sind Erreignisse beschrieben aber ich lese sie nicht sondern gehe darueber hinweg. Ich will mich nicht damit befassen, will mich nicht von Vergangenem aufhalten lassen. Ich will zurueck nach Kansas.
Und dann hoere ich sie lachen. Mein Gegenstueck lacht und lacht und ist nicht mehr zu bremsen. Traenen laufen ihr uebers Gesicht und ich weiss im ersten Augenblick nicht ob es Freudetraenen sind oder nicht. Ich schau fassungslos drein und als sie meinen Blick sieht, hoert sie auf. Sie kommt auf mich zu und umarmt mich.
“Du, der Weg fuehrt nicht zurueck nach Kansas,” sagt sie, “ Es ist kein Weg zurueck. Dieser Weg windet sich in eine unbekannte Richtung und keiner weiss wohin er fuehrt.” Ich spuere Angst in mir aufsteigen. Ich spuere aber auch ihre Angst und ihre Verzweiflung. Panik will uns erfassen. Doch ich lasse es nicht zu.
Ich packe sie fest bei der Hand und renne los. Ich zerre sie mit mir mit und renne den Pfad entlang. Ich will nicht mehr anhalten. Egal wo der Weg mich hinfuehrt, ich werd ihn gehen. Irgendwo, sehe ich die Hoffnung winken, die Sehnsucht und auch die Liebe. Ich weiss nicht ob sie mich auf meinem Weg begleiten oder nicht. Ich kann nichts sehen, den ich weine und meine Traenen vermischen sich mit den Traenen meines Spiegelbildes und gemeinsam rennen wir weiter. Irgendwann werden wir ankommen. Wir sind auf der anderen Seite des Spiegels. Wir werden aber nicht mehr anhalten, uns nicht mehr mit ihm oder der Andern an seiner Seite befassen. Wir hoffen, dass der Wind uns die Lasten und grauen Schleiher von den Schulter wehen wird. Wir wollen weitergehen bis wir angekommen sind. Bis wir an dem Ort angekommen sind, wo uns niemand mehr verletzen kann, wo wir lieben duerfen und geliebt werden. Wir sind uns jetzt sicher, dass es diesen Ort gibt. Es ist uns klar, dass es vielleicht lange dauern wird aber wenn wir stehen bleiben, koennen wir ihn nicht erreichen, diesen fabelhaften Ort. Also rennen wir darauf zu und buendeln unsere Kraefte. Zuenden das Feuer wieder an und lassen uns von den Zweifeln nicht mehr aufhalten.
Wir sind auf der anderen Seite des Spiegels aber wer weiss schon welche Seite die richtige ist und wer das Gegenstueck und wer das Ich ist. Wir sind Eins. Wir sind stark.