Müde von seiner langen Reise ruhte der kleine Prinz auf einer Blumenwiese. Er bemerkte dass die Blumen stärker leuchteten und ihren Duft verströmten, sobald ein Menschlein in der Nähe war. Der kleine Prinz fragte eine besonders prächtige Blume warum zieht ihr eure schönsten Kleider an? Damit wir mitgenommen und bewundert werden, antwortete die Pflanze.
Nachdenklich stellte er sich die Frage, wie lange man Freude an der Schönheit eine Blume haben könne, wenn diese ihren Zauber schon beim Pflücken aufgab.
Während er traurig dem eitlen Treiben zusah, fiel sein Blick auf eine verkümmerte Pflanze.
Hallo, sagte der kleine Prinz, der unter Blättern und Dornen ihre Blütenkrone vermutete warum zeigst Du nicht, wie schön Du bist? Überrascht antwortete sie ihm Ich bin eine Blume wie jede andere, dafür muss ich nicht blühen. Hier bin ich zuhause. Hier möchte ich wachsen und leben.
Sie zeigte ihm ihre Dornen Die, die mich pflücken wollen, verletzen sich an mir.
Der kleine Prinz beschloss eine Weile zu bleiben, denn ihn faszinierte die wilde Rose, die anders war als alle Blumen, die er kannte. Er wollte sie blühen sehen und sich an ihrem Duft erfreuen. Sie berührte sein Herz.
Auch sie war vom kleinen Prinzen beeindruckt. Er war geduldig stark genug um nicht von ihr verletzt und vertrieben zu werden.
Er erinnerte sie daran, dass sie mehr war wie Wildwuchs. Er erinnerte sie daran, wie es sich anfühlte zu erblühen.
Nach einiger Zeit fragte der kleine Prinz die Rose, was dazu führte, warum sie sich dazu entschied, ihr Blütenkleid nicht mehr zu tragen. Ach, seufzte die Rose, ich wuchs inmitten eines Sturms auf. Der Wind peitschte ständig so stark, dass meine kleinen Dornen hart und spitz wurden und mir große Blätter wuchsen, um mich zu schützen. Immer wieder versuchten Hände mich zu entwurzeln. Ich verlor viele Dornen, aber ich kämpfte jedes Mal und gewann, sie lächelte stolz.
Als ich älter wurde, verliebte ich mich und blühte auf, leuchtete und duftete so sehr wie ich konnte. Ihm aber reichte mein Herz nicht aus um seine innere Leere zu füllen. Er wollte mich besitzen. Doch er wusste, er konnte mich nicht rausreißen, ohne sich selbst zu verletzen.
Stattdessen nahm er ein Messer und versuchte mich abzuschneiden.
Betrübt betrachtete der kleine Prinz die vielen Narben, die die Rose trotz der vielen Blätter nicht verstecken konnte.
Sie fuhr lächelnd fort mit ihrer Geschichte: es tut schon lange nicht mehr weh.
Die Wunden, die er sich dabei zufügte, waren tiefer als meine. Es tut mir leid, dass er sich selbst so tief verletzte.
Liebevoll betrachtete der kleine Prinz die wildwachsende Blume, die es vermochte, ihn durch ihre Worte zu verzaubern. Sie war so viel schöner wie alle Blumen, die er je sah.
Ich brauche kein Blütenkleid, sagte die Rose, ich trage meine wahre Schönheit in meinen Dornen und Blättern. Jeder, der das nicht erkennt, ist unwürdig meinen Duft einzuatmen.
Erst da bemerkte der kleine Prinz den zarten Duft, der ihn umhüllte.
06.01.2022 23:42 •
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