Schon oft hast Du davon gehört und ganz sicher sogar einige Erfahrungen damit gesammelt. Jeder Mensch hat einen „Schatten“, sozusagen eine (oft verdrängte) „dunkle“ Seite an sich. Vielleicht sind es auch ein „gutes“ und ein „böses’“ Gesicht, der Teufel, ein innerer Dämon. Viele Namen gibt es für diese Seite, die ein jeder von uns in sich trägt: unseren Schatten. Ich möchte Dir heute erzählen, dass es keineswegs gut ist, diesen Schatten von Dir zu weisen, gegen ihn zu kämpfen, ihn womöglich zu ignorieren oder noch schlimmer: so zu tun, als sei er gar nicht da. Gerade in spirituellen, bzw. insbesondere esoterischen Kreisen neigen die Menschen dazu, ihre dunkle Seite abzulehnen bis vollständig zu leugnen, um der Konfrontation mit ihrem „dunklen“ Selbst aus dem Weg zu gehen. Dabei ist doch unsere Schattenseite genauso wichtig, wie die helle Seite an uns. Sie macht uns zum Menschen. Und auch wenn jeder von uns diese Schattenseite besitzt, so gibt es doch eine wirkungsvolle Methode, sein Selbst nicht vom Schatten bestimmen zu lassen und sich mitsamt dem Schatten wohlzufühlen: bedingungslose Akzeptanz. Und das setzt eines voraus: keine Angst mehr vor dem eigenen Schatten zu haben.
„Denn an sich ist nichts weder gut noch böse; das Denken macht es erst dazu.“
-William Shakespeare
Ein Schatten hat viele Nuancen. Sie bestehen im Grunde aus all dem, was uns am zufrieden-, glücklich- und frei sein hindert. Das kann alles Mögliche sein: Versagensängste, Minderwertigkeit, Wut oder sogar Hass, Krankheiten, Eifersucht, Stress, Konflikte, Trauer und Melancholie, Angst vor dem alleine sein, Süchte und Abhängigkeiten, Neid, Schmerzen oder Sorgen. Es gibt eine riesige Masse an Dingen, die Dich daran hindern können, Dein Leben zu genießen.
Vielleicht bist Du nun einer der Menschen, die ihren Schatten versuchen zu bekämpfen. Es ist Dir zuwider, gestresst zu sein, also rennst Du jeden zweiten Tag ins Fitnessstudio und am Wochenende dann ins Wellnesscenter, quetschst Dich zwischen schwitzende Leute und in überfüllte Planschbecken und gibst Dich danach damit zufrieden, etwas zu Deiner „Entstressung“ beigetragen zu haben. Natürlich ist es nur eine Frage der Zeit bis Du wieder vollends gestresst bist, meist schon nach wenigen Stunden. Vielleicht gehörst Du zu denen, die ihren Schatten sogar ignorieren, erzählst Deinen Freunden nägelkauend am Telefon, welch großartige Fortschritte Du in Deiner Gutartigkeit erreicht hast und das Du sicher bist, einen großen Beitrag zum Weltfrieden zu leisten. Danach bist du vom Telefonat irgendwie seltsam ausgelaugt, machst dir ne Zig. an und kommst zu dem Schluss, dass Du und Dein Gesprächspartner wohl einfach nicht dieselbe Wellenlänge habt, aber das ist okay, Du bist schließlich nicht nur super gut, sondern auch enorm tolerant. Lass mich Dir an dieser Stelle sagen: das macht krank! Bekämpfst Du Deinen Schatten, ignorierst Du ihn, wird er größer.
„Eines der wirksamsten Verführungsmittel des Bösen ist die Aufforderung zum Kampf.“
-Franz Kafka
Vielleicht kennst Du aber auch schon Deine Schatten und hast Dir vorgenommen, mit ihnen in Kontakt zu treten. Dann ist Dir vielleicht auch „Schattenintegration“ ein Begriff. Denn genau darum geht es, wenn man sich eine gesunde Lösung für sich und seine Dämonen wünscht.
Es ist also wirklich wichtig, dass Du weißt, dass ein Schatten keineswegs bekämpft oder ignoriert (was mehr oder weniger auf dasselbe hinausläuft) werden sollte. Ein Schatten ist nicht etwas, was zu Deinem persönlichen Feindbild werden sollte. Doch bei den allermeisten von uns ist genau das der Fall. Du kennst sicherlich auch den Spruch: „Das, was man in Wirklichkeit an sich selbst nicht leiden kann, kritisiert man an anderen“. Warum ist das so? Weil alles, was unser Schatten umfasst, auf unbewusster Ebene zu unserem Feindbild geworden ist. Ein Feindbild zu haben ist bei vielen Menschen völlig normal – schon in unserer Kindheit werden wir in Märchen, Comics, Erzählungen und Filmen geradezu überschüttet mit Feindbildern. Und das Wahnwitzige ist, dass wir lernen, dass immer die Anderen die Bösen sind. Dass das „Böse“ außerhalb zu suchen ist. Es gibt nur Dualismus, gut oder böse, schwarz oder weiß. Wir lernen unseren Schatten – das Böse, Dunkle – abzulehnen, zu bekämpfen, ihm jegliche Daseinsberechtigung zu entziehen und bestenfalls zu ignorieren indem wir in anderen noch viel böseres wittern. Doch wie Du es an allen Ecken unserer Weltgeschichte sehen kannst: gibt es einen Feind, ist der Krieg nicht weit. Und mal ganz ehrlich – was ist dämlicher als einen Krieg gegen sich selbst zu führen?
„Wer in seiner Seele von gleicher Gesinnung zu Freund und Feind, zum Neutralen und Gleichgültigen und ebenso zum Sünder und zum Heiligen ist, ragt hervor.“
-aus der Bhagavadgita
Wir alle wissen auch seit dem Kindergarten, dass man sich nicht an die Gurgel springen, sondern miteinander reden sollte, um einen Konflikt zu lösen. Und genauso verhält es sich mit Deinem Schatten. Wenn Du mit ihm in Kontakt trittst, ihn kennenlernst, verlierst Du allmählich auch die Angst und Deine Scheu davor. Denn Dein Schatten ist keinesfalls etwas, was die Kontrolle über Dich erlangen will, um damit Dich selbst zu zerstören. Er will einfach nur eine Daseinsberechtigung haben! Das klingt plump und einfach und genauso ist es auch. Nehmen wir mal an, Deine größte Angst sei es, Deinen Partner zu verlieren. Also ist als Konsequenz Deine größte Hoffnung, mit deinem Partner immer glücklich zusammenzubleiben. Aber wie Menschen es so oft tun, wenn sie Angst vor etwas haben, richten sie ihren Fokus auf genau das, wovor sie Angst haben. In diesem Fall: den Partner zu verlieren. Es passiert offen aber auch subtil, dass Du anfängst, aus Angst vor einer möglichen Trennung, krampfhaft Situationen zu erzeugen, die deinen Partner an Dich binden. Du verkrampfst Dich, du verkrampfst die Beziehung und kreierst eine künstliche Situation, die allein auf Deiner persönlichen Angst basiert. Da Dein Partner da selbstverständlich keinen Bock drauf hat, passiert – Du weißt es schon – genau das, wovor Du die ganze Zeit die größte Angst hattest.
„Worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, wird mehr.“
29.06.2014 11:57 •
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