Also dann, für die hartgesottenen Fanatiker unter Euch:
Eine Wahrheitstheorie ist eine philosophische ( erkenntnistheoretische bzw.
wissenschaftstheoretische) Theorie darüber, was als wahr oder falsch, aber auch
als unentscheidbar, paradox etc. festgestellt werden kann. Solche Theorien
behandeln dabei insbesondere das Verhältnis von Realität und Erkenntnis und
fragen, wie Erkenntnis generell und wahre Erkenntnis im besonderen erreicht
werden kann. In der Sprachphilosophie stellt sich vor allem die Frage, wann
Aussagen über die Welt als wahr gelten können. Hervorzuhebende Wahrheitstheorien
sind die Korrespondenztheorie, die Konvergenztheorie und die Kohärenztheorie der
Wahrheit. Wahrheitstheorien hängen eng zusammen mit den Bereichen der
Methodologie der Wissenschaften sowie der Logik.
Aristoteles und zahlreiche mittelalterliche Philosophen rechnet man der
Korrespondenz- oder Adäquationstheorie zu. Die Wahrheit besteht, ihnen zufolge,
aus der Übereinstimmung von Verstand und Sache.
Gottfried Wilhelm Leibnitz (1646 - 1715) und idealistische Philosophen gehören
zu den Vertretern der Kohärenztheorie. Nach ihrer Auffassung besteht die
Wahrheit einer Menge von Aussagen darin, dass sie untereinander kohärent, also
widerspruchsfrei miteinander vereinbar sind.
Die Evidenztheorie gehört zu René Descartes (1596 - 1650), Franz Brentano (1838
- 1917) und Edmund Husserl (1859 - 1938 ). Ein Satz ist wahr, wenn er mit einem
evidenten Urteil übereinstimmt.
Die Auffassung, wahr sei, was für die Praxis fruchtbar und nützlich ist,
entspricht einer pragmatischen Wahrheitstheorie.
Karl-Otto Apel (* 1922) vertritt die Konsenstheorie. Sie besagt, dass eine
Aussage dann wahr ist, wenn eine möglicherweise unendlich große Menge von
Menschen unter idealen Kommunikationsbedingungen dieser Aussage zustimmen würde.
Frank Plumpton Ramsey (1903 - 1930) formuliert die Redundanztheorie: Das Wort
wahr ist überhaupt überflüssig.
Die Performancetheorie wird von Peter Frederick Strawson (* 1919) vertreten.
Demnach wird das Wort ‚wahr‘ performativ im Sinne einer Zustimmung zum Gesagten
verwendet.
Alfred Tarski (1902 - 1983) hat in seinem zuerst auf polnisch erschienenen
Aufsatz Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen (1933) die
semantische Wahrheitstheorie entwickelt und meint damit die Semantik der
Prädikatenlogik. Die Ursache der Lügner-Antinomie (siehe unten) liegt für Tarski
in der semantischen Geschlossenheit der Umgangssprache: Die Umgangssprache
enthält für jede Aussage einen Namen dieser Aussage. Deshalb kann man für sie
keine Definition des Wahrheitsbegriffes angeben, ja diesen nicht einmal
widerspruchsfrei verwenden.
Und schließlich ist die Systemtheorie zu nennen. Vor allem in der Nachfolge von
Niklas Luhmann (1927 - 1998 ) wird Wahrheit als symbolisch generalisiertes
Kommunikationsmedium aufgefasst. Dabei wird grundlegend zwischen Wissen und
Wahrheit unterschieden, was als 'wahres Wissen' zu gelten hat, muss durch ein
Beobachten zweiter Ordnung entschieden werden. Dies führt letztlich zu der
Paradoxie, dass es wahre Wahrheit und unwahre Wahrheit gibt. Vgl. etwa Niklas
Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt/Main (Suhrkamp) 1992, S.
167 ff.
Aristoteles (384 - 322 v. Chr.) und viele mittelalterliche Philosophen sehen in
der Wahrheit eine Übereinstimmung von Verstand und Sache: Wahr ist: von etwas,
was ist, zu sagen es sei, und von etwas, was nicht ist, zu sagen es sei nicht.
(Mitunter bezeichnet als klassische Definition der Wahrheit). Die Wahrheit
findet sich empirisch, also durch Anschauung und Erfahrung. Beispiel: Ein Stein
fällt zu Boden, wenn ihn nichts hält. Für diese Wahrheit ist Erfahrung
notwendig.
Später wurde von den Idealisten unter Ausnutzung der Unschärfe der Ansichten von
Aristoteles über die Korrelation von Materie und Form das Lebendige,
Materialistische in der Aristotelischen Definition elemeniert, und das reale
Sein wurde durch Idee, Vernunft, transzendentes Sein u.a. ersetzt, denn nach der
Zeit von Aristoteles war die höchste Form die göttliche Vorstellung, deren Sein
außerhalb der Materie gedacht wurde. Man begann die Wahrheit als Übereinstimmen
von Gedanken und Idee, Gedanke und Vernunft zu behandeln, d.h. als
Übereinstimmen des Gedankens von etwas Ideellem mit Realem.
In der klasssichen Definition wurde, wie Narski hervorhob, nur eine elementare
Beziehung vom Typ der Konstatierung zwischen einem Urteil und des von ihm
beschriebenen Sachverhaltes verstanden.
In der materialistischen Dialektik wird die Interpretation der Wahrheit (im
Sinne einer Definition) als eine Relation der Adäquatheit von Wahrheit und dem
zu erkennenden Sein wesentlich anders behandelt, und zwar als eine relative
Entsprechung, in deren Rahmen die Bewegung von relativen zu absoluten Wahrheiten
(als objektive Wahrheiten betrachtet) über die Entwicklung von Gegensätzen
angestrebt wird.
Immanuel Kant (1724 - 1804) setzt den Begriff Wahrheit in Zusammenhang mit
seinem Begriff vom a priori (von früher her) und meint damit Einsichten, deren
Richtigkeit von der jeweils persönlichen Erfahrung völlig unabhängig sind, also
etwa Form, Raum und Zeit.
Kriterium der Wahrheit
Philosophisch bedeutsam ist vor allem die Frage nach dem Kriterium der Wahrheit.
Dieses wurde zuerst bei den Stoikern aufgeworfen. Nach der Auffassung der
Skeptiker existiert kein Kriterium der Wahrheit.
Jakob Friedrich Fries definiert das Kriterium wie folgt: Ein Grundsatz wird ein
Kriterium, ein Unterscheidungsgrund der Wahrheit für gegebene Erkenntnisse, wenn
ich aus ihm die Wahrheit dieser Erkenntnisse beurteilen kann
Rene Descartes vertrat die Position, dass Klarheit und Deutlichkeit (als Evidenz
die Kriterien der Wahrheit seien. In der Philosophie der Mathematik wird heute
oft die Meinung vertreten, die Widerspruchsfreiheit einer mathematischen Theorie
sei ein hinreichendes Kriterium für deren Wahrheit.
In der marxistischen Philosophie wird die gesellschaftliche Tätigkeit als
überprüfbares Kriterium der Wahrheit von Aussagen und Theorien angesehen.
Auch im Pragmatismus wird die Praxis als Kriterium der Wahrheit angegeben. Die
Praxis wird als subjektive Erfahrung und subjektive Tätigkeit verstanden und
deshalb gilt der subjektive Erfolg und die Nützlichkeit als Wahrheitskriterium.
Begriffe
Eine analytische Wahrheit enthält die Eigenschaft im Gegenstand. Beispiel: Alle
Junggesellen sind unverheiratet. Das Substantiv Junggeselle bedeutet bereits
unverheiratet.
Demgegenüber sind synthetische Wahrheiten solche, bei denen der
Eigenschaftsbegriff nicht in der Gegenstandsbezeichnung enthalten ist, wie
beispielsweise in dem Satz: Alle Junggesellen sind glücklich.
Als notwendige Wahrheiten bezeichnet man Aussagen, deren Verneinung zu einem
logischen Widerspruch führen würde: Alle Kreise sind rund. Wäre der Gegenstand
nicht rund, wäre er kein Kreis.
Außerdem gibt es kontingente (zufällige) Wahrheiten, deren Verneinung nicht zu
einem logischen Widerspruch führt. Beispiel: Die Anzahl der Planeten ist gleich
neun.
Seit der Antike ist das Paradoxon des Epimenides bekannt. Der Kreter Epimenides
sagt: Alle Kreter sind Lügner.
Wenn der Kreter behauptet, alle Kreter seien Lügner, so muss man annehmen, dass
er selbst ebenfalls lügt. Damit jedoch wäre seine Aussage über sich und die
Kreter unwahr. Die Wahrheit aber kann er nicht sagen, denn da er Kreter ist,
sagt er nicht die Wahrheit über die Kreter. Es entsteht ein unlösbarer
Widerspruch.
Allerdings ist dieses Paradoxon nur dann paradox, wenn man annimmt, dass ein
Lügner immer lügt, dass also jede Aussage eines Lügners unwahr sei. Und das
könnte auch ein noch so versierter Lügner im alltäglichen Leben kaum
durchhalten.
Psychologische Aspekte
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Mithilfe eines Lügendetektors kann man heute feststellen, wann ein Mensch lügt.
Dabei geht man davon aus, dass die Lüge einen Menschen so unter Stress setzt,
dass sein Herzschlag steigt und sich auf seiner Haut Schweiß bildet. Ein
hundertprozentiger Beweis ist das nicht, denn ein Mensch kann sich auch aus
anderen Gründen in einer Situation aufregen, in der er befragt wird. Anderseits
setzt das Lügen manche Leute nicht messbar unter Stress.
Die Verhaltenspsychologie hat zahlreiche Mutmaßungen darüber entwickelt, wie man
bei einem Gesprächspartner erkennen kann, ob man angelogen wird. Für die
Unwahrheit sprechen geweitete Pupillen, Handbewegungen in Richtung Gesicht, vor
allem in Richtung Mund und allgemeine Nervosität. Außerdem verändert sich beim
Lügen die Stimme. Die Stimmbänder spannen sich an, die Stimme wird höher und
gepresster. Auch das kann man mit Apparaten messen. Doch auch hier gilt, dass
ein Mensch aus anderen Gründen nervös wirken mag, oder dass jemand ein so
routinierter Lünger ist, dass man ihm nichts anhört oder anmerkt.
Offensichtlich ist es dem Menschen ein dringendes Bedürfnis, die Wahrheit von
der Lüge unterscheiden zu können. Und offensichtlich ist die Lösung des Problems
noch nicht gefunden. Die meisten Gesellschaften sanktionieren darum die Lüge.
Kinder werden meist hart bestraft, wenn sie nicht die Wahrheit sagen. Aus dieser
Furcht vor Strafe bei der Lüge mag auch herrühren, dass Menschen für
Lügendetektoren taugen, die Stressreaktionen messen.
Die Empfindungen von Wahrheit, zum Beispiel im zwischenmenschlichen Bereich oder
bei der Selbstreflexion sind vielschichtig und individuell geprägt: Wahre
Begegnung zwischen Menschen, offener Umgang miteinander, echte Selbstoffenbarung
führen vielleicht zu dem, was der Schweizer Theologe Emil Brunner einmal mit
Wahrheit als Begegnung formuliert hat.
Wahrheit in der Informationsgesellschaft
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Wirklich schwierig ist die Wahrheit dann festzumachen, wenn sie auf riesigen
Datenmengen basiert. Etwa: Was ist der richtige Weg, um die Klimakatastrophe zu
verhindern? Zunächst einmal muss festgesstellt werden, ob es überhaupt eine
Klimakatastrophe gibt. Einigt man sich darauf, Computerdaten so zu
interpretieren, so sieht man sich einem Chaossystem gegenüber, das man
bestenfalls in Ausschnitten betrachten kann. Der wahre Lösungsweg ist auf diese
Weise niemals eindeutig zu erkennen.
Wahrheit muss dann formal auf eine Wahrscheinlichkeitsaussage reduziert werden.
Wahrheit des Lebens
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Vor dem Hintergrund, dass Weltanschauungen - insonderheit Religionen -
Wertmaßstäbe und damit Wertorientierungen für das Leben angeben bzw. aufrichten,
wird von einem wahren Leben gesprochen, wenn es den jeweiligen Wertmaßstäben
entspricht. (Beispiel: aus christlicher Perspektive ist Jesus Christus selbst
das wahre Leben, Joh. 14, 6). In Verbindung mit den jeweilig aufgerichteten
Wertmaßstäben erheben Weltanschauungen bzw. Religionen oft einen
Wahrheitsanspruch.
Wahrheit in der Postmoderne
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Philosophen der Postmoderne weisen den Gedanken einer einzigen Wahrheit als
Mythos zurück. Dabei geht es aber nicht etwa darum, dass Naturgesetze
angezweifelt würden (siehe dazu auch Schrödingers Katze), sondern um die Frage,
ob es nicht vielerlei Sichtweisen desselben Gegenstands gibt, ob Wahrheiten in
einer Kultur nicht meist Konstruktionen sind, abhängig vom Betrachter. Der
radikale Konstruktivismus geht etwa von sovielen Wahrheiten aus, wie es
Betrachter gibt, siehe auch Intersubjektivität.
Noch Fragen ? ;D
19.08.2005 06:54 •
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