Loslassen von einem schönen Menschen?

M
Hallo Forum,

vor kurzem habe ich jemanden aus Irland kennengelernt, den ich sehr gerne mag. Er war einige Tage zu Gast bei mir, ich habe einem gemeinsamen Freund zuliebe meine Wohnung anlässlich einer Hochzeit zur Verfügung gestellt. Kurze Geschichte: Wir waren uns beide (beide 34) auf Anhieb sympathisch (neben vielen gemeinsamen Interessen, hatten wir sofort einen guten Draht zueinander), die Chemie und Bauchgefühl stimmte auch. Ich habe mich gerne auf ihn eingelassen und es war eine sehr schöne Zeit.

Als der Abschied da war, hat es uns beiden merklich weh getan so schnell wieder aus der Geschichte auszusteigen. Es war klar, worauf wir uns da eingelassen haben und daß wir aufgrund der Entfernung keine Beziehung starten können. Trotzdem habe ich nicht damit gerechnet, daß mir das Loslassen so schwer fallen würde. Seit zwei Jahren bin ich nach einer sechsjährigen Beziehung solo und habe mich in der Zeit in niemanden verliebt. Er hat quasi den Bann gebrochen, interessanterweise ist es bei ihm ähnlich.

Nachdem er abgereist war, haben wir uns Emails geschrieben. Ich habe bewußt darauf verzichtet, Herzschmerz oder Sehnsuchts-Mails zu schreiben. Ich wollte ihn eher an meinem Leben teilhaben lassen und habe freundschaftlich davon geschrieben. Nur die Abschiedsgrüße sind meinen Gefühlen entsprechend herzlich ausgefallen. Seine Antworten und Zeilen haben mich immer gefreut, er hat auf ähnlich nette Art ausführlich von sich und seinem Alltag erzählt.
Dieser Schreibkontakt ging einige Wochen mit immer einigen Tagen Abstand zu den Mails. Zwischenzeitlich hat er mich auf Facebook als Kontakt hinzufügen wollen, das hat mich erstmal wenig angesprochen, weil ich kein FB-Fan bin. Zwar habe ich mal einen Account vor Jahren eingerichtet, als FB grade salonfähig wurde, den aber nie genutzt. Daß ich mich wieder eingeloggt und ihn bestätigt habe, ist ein echter Sympathie-Beweis. Dachte mir, sei nicht so oldschool und in dem Fall ist es vielleicht wirklich eine nette Plattform um über die Distanz Musik, Fotos, Videos, ... zu teilen.

Geschrieben haben wir aber weiter per Mail und FB wenig Beachtung geschenkt. Über drei Wochen kam denn auf einmal kein Lebenszeichen mehr von ihm. Als schließlich wieder eine Mail von ihm kam, wurde ich traurig, weil sie sich im Gegensatz zu den vorherigen knapp und unpersönlich liest. So als wollte er den Kontakt auf eine weniger innige Stufe heben (was ich insgeheim angesichts der Wohnsituation verstehen kann). Es war eine kurze Botschaft, die er vom Flughafen geschrieben hat. Er entschuldigte sich kurz, daß es so so lange gedauert hat, die letzte Zeit für ihn stressig war und er auf dem Weg in den lang geplanten Urlaub ist.
Ich habe ihm darauf nur einen schönen Urlaub gewünscht, allerdings mit einer P.S.-Zeile, daß ich mich demnächst mit mehr Text melde. Das ist nun fünf Wochen her und seitdem habe ich mich nicht mehr gemeldet, einfach weil mir mein Bauch nichts eindeutiges funkt was ich schreiben soll. Er schreibt auch nicht mehr.

Meine Hauptrichtung heißt Loslassen, trotzdem habe ich das Bedürfnis mit ihm in Verbindung zu bleiben. Kontraproduktiv? Ich mag ihn sehr, aber es gibt momentan keine Lösung wie wir unsere Annährung im echten Leben vertiefen können. Sicher, können wir dank Ryanair Co. Kurztrips einlegen, aber mein Gefühl dazu ist ambivalent. Das wäre immer nur Urlaub und nun grade merke ich (dafür bin ich dankbar), daß ich wieder offen für eine Beziehung bin. Jetzt in etwas verrennen, daß zukunftsnah nichts handfestes werden kann? Außerdem so irrational, weil wir uns schließlich kaum kennen. Ich meine zu wissen, daß es ihm ähnlich mit seinen Gedanken geht.

Der obere Absatz ist mir je nach Tagesform mal mehr mal weniger klar. Vor rund einer Woche war einer der Abende, wo ich an ihn dachte. Da habe ich mit dedektivischer Präzision zum ersten mal sein Facebook-Profil seziert (schon komisch, daß sich das anfühlt, als würde man gewaltsam in eine Privatsspähre eindringen). Er ist dort seit geraumer Zeit registriert und anfangs hatte ich nur mal einen flüchtigen Blick darauf geworfen (ich wollte unseren Kontakt nicht auf die Schiene herabsetzen). Seine Einträge der letzten Jahre sind regelmässig, aber fast ausschließlich unpersönlicher Natur. Hauptsächlich Zeitungsartikel und Beiträge im gesellschaftspolitischen und kulturellen Bereich. Ein Tag nachdem ich ihn dort als Freund bestätigt habe, ändert sich diese Gewohnheit ein wenig. Er teilt da ein Lied, das etwas abstrakt, aber im Kern davon handelt Liebe gefunden zu haben, die Person nicht da ist und was die Heilung/Lösung ist?. Es gibt noch ein paar weitere Einträge, verteilt über die ganzen Wochen, die Liebe (eher auf intellektuell-philosphische Art) betrachten. Ein geteilter Text (er ist nicht der Verfasser) ist mir nah gegangen:

Man goes from one woman to another, goes on changing.
People thing he is a great lover; he is not a lover at all.
He is avoiding, he is trying to avoid any deep involvement,
because with deep involvement problems have to be faced,
and pain has to be gone through. So one simply plays safe;
one makes it a point never to go too deeply into somebody.

If you go to deep you may not be able to come back easily.
And if you go deeply into somebody, somebody else will go
deeply into you also. It is always proportionate.
If I go very deep into you the only way is to allow you also
to go that deep in me. It is a give and take, it's a sharing.
Then one may get entangled too much, and it will be diffcult
to escape and the pain may be much. So people learn how to
play safe: just let surfaces meet – hit and run love affairs.
Before you are caught, run.

This is what is happening in the modern world. People have
become so juvenile, so childish. They are loosing all maturity.

Maturity comes only when you are ready to face the pain of
your being. Maturity comes only when you are ready to take
the challenge. And there is no greater challenge than love.

Das hat mich berührt, weil ich mir besonders anfangs Gedanken darüber gemacht habe, wie intensiv ich den Kontakt zu ihm weiterführen möchte. Und oft habe ich gedacht, es ist besser und schmerzfreier an der Oberfläche zu bleiben (für uns beide).

Ich habe diese für ihn ungewöhnliche Anhäufung von Beiträgen, die sich mit Gefühlen und Liebe beschäftigen direkt nach unserer FB-Freundschaft (er hat die ganzen Jahre zuvor nichts in der Art gepostet oder geteilt) erst vor einer Woche wirklich wahrgenommen und deswegen nicht drauf reagiert. Und es macht genau das mit mir, was ich bei ähnlichen Stories von anderen bis dahin müde belächelt habe. Ich frage mich, ob er mich damit ansprechen wollte. In unserem Mailaustausch ging es ja eher herzlich-freundschaftlich zu und keiner von uns ist ans Eingemachte gegangen. Geschweige denn ein offenes Gespräch, wie und ob das mit uns weitergeht. Ich empfand ein stillschweigendes Einvernehmen, bei dem wir beide um die Situation wissen. Hat er erwartet, daß ich auf diese Beiträge reagiere? Wenigstens mit einem Like(bääääh, pfui, grrrrrr)? Wascht mir ruhig den Kopf, ich bin mir der Albernheit dieser Fragen bewußt. Das ist genau der Grund, warum ich immer so eine Abneigung gegen Facebook hatte, da besteht die Gefahr, daß persönliche Kommunikation ad absurdum geführt wird und sich Meinungen in irgendwelchen Parallelwelten bilden. Wenn er mich damit anstupsen wollte, bin ich ein wenig enttäuscht, weil ich dachte, wir sind beide reifer als das. Ist das zu kritisch oder spitzfindig gedacht?

Meine Gefühle für ihn sind noch frisch. Ich habe so eine Situation vorher noch nie erlebt.
Es tut gut, es mal halbwegs sortiert aufgeschrieben zu haben und danke allen, die bis hierhin durchgehalten haben. Ich bin traurig, ich mag ihn von Herzen gern und würde gerne eine Verbindung zu ihm halten (wenn ich es schaffe, dabei offen für andere zu sein). Momentan ist Stille und es gibt nur die dünne Facebook-Verbindung (würg ...).

Liebe Grüße,
Ms Query

30.10.2015 23:18 • #1


armerhund
Heißt das ihr habt noch Facebook-Kontakt? Wenigstens etwas. Na ja hilft das wirklich?

31.10.2015 08:10 • #2


M
Ja, wir haben den Kontakt auf Facebook. Habe das bisher allerdings nie als Kommunikations-Plattform genutzt. Deswegen tu ich mich schwer damit, darauf einzusteigen.

Wie würdet Ihr mit der Situation umgehen?

31.10.2015 17:20 • #3




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