Gestern trafen wir uns an seinem Lieblingssee, an dem wir letztes Jahr sehr viele schöne und intensive Stunden miteinander verbracht haben. Er fragte mich, was los sei und dass zwischen uns eine andere Atmosphäre herrsche als letztes Jahr um die gleiche Zeit (logisch, da kannten wir uns wenige Tage). Naja, aber im Grunde merkte er schon, dass ich nachdenklich bin und wollte sich versichern, dass alles ok ist zwischen uns. Ich redete dann nicht mehr lange um den heißen Brei. Ich sagte, ich würde mir schon Gedanken machen, wie unsere Beziehung in Zukunft aussehen wird (wenn er bald zurückzieht), ob wir in die gleiche Richtung blicken. Und weil er erstmal schwieg (was ungewöhnlich ist), sprach ich davon, dass mir sehr wohl bewusst ist, dass wir uns in unterschiedlichen Phasen unseres Lebens befinden und dass ich mir unsicher sei, wie wir immer wieder Schnittmengen finden, dass es sich für uns beide auf Dauer gut anfühlt. Ich sagte ihm noch, dass mir wichtig sei, dass eine Beziehung nicht nur aus dem Verleben gemeinsamer unbeschwerter Stunden bestehe, sondern auf Dauer auch gegenseitige Verantwortung, Verlässlichkeit beinhaltet....er ging auch auf alles ein, was mir auf dem Herzen lag. Ich solle nicht glauben, dass er vom Frühstückstisch mit meinen Kindern aufspringen würde, wenn es mir mal nicht gut geht, weil er die Verantwortung fürchtet. Darum gings mir aber natürlich nicht vordergründig. Er meinte aber auch, dass er keine Vaterrolle mehr haben will, dass er sich gemeinsames Wohnen mit jüngeren Kindern jetzt nicht vorstellen kann und ob ich das denn wolle. Ich antwortete ihm auch ehrlich, dass es für mich im Moment zwar noch nicht infrage käme, aber dass ich nicht ausschließen kann, dass ich mir das eines Tages wieder wünschen werde. Ich sagte auch, wenn er kategorisch die Verantwortung und eine mögliche Vaterrolle ablehne, nur weil er Zeit mit uns verbringt, wären ja auch gemeinsame Unternehmungen, Urlaube, geschweige denn eine gemeinsame Wohnung, auf Dauer unmöglich. Er schien erstmal verwundert zu sein, dass ich solche Wünsche hege, schränkte dann aber ein, dass wir ja noch nicht unendlich viele Möglichkeiten hatten, um auszutesten, wie wir als Team funktionieren und dass es für ihn eine Momentaufnahme sei. Ich sagte ihm auch, dass ich es so einschätze, dass er meine Gesellschaft schon genießt, auch, wenn ich koche, wir abends Zärtlichkeiten austauschen und nebeneinander aufwachen, aber dass er im Grunde ein großes Freiheitsbedürfnis hat und wie wichtig ihm im Gegenzug dazu Zweisamkeit und etwas Gemeinsames wäre? Sinngemäß antwortete er, er habe sich in den vielen Jahren daran gewöhnt, diese Freiheiten zu haben und er liebe sie auch. Er würde auch mich lieben und das Zusammensein mit mir, aber er würde ebenso gut allein klarkommen und hätte sich so eingerichtet. Das unterscheidet uns total. Ich fragte ihn auch, ob er seine Entscheidung anzweifelt, sich in eine Frau mit jüngeren Kindern verliebt zu haben. Nein, das sei nicht so, es hätte zwar nicht auf seinem Wunschzettel ganz oben gestanden, aber dessen bewusst sei er sich ja dann gewesen und habe sich trotzdem dafür entschieden. Zu seiner Lebensphase sagte er auch noch, bei ihm stehe ja sein Umzug bevor, der Aufbau eines neuen Freundeskreises, der Beginn eines anstrengenden Jobs mit großer Verantwortung, und das sei auch ein Grund dafür, dass er nicht all-in gehen könne. Das verstehe ich natürlich auch. Insgesamt fand ich gut, dass wir uns so offen austauschen konnten, weder er noch ich hinterm Berg gehalten haben mit unserer Sicht der Dinge - dennoch - als ich im Auto saß, musste ich so sehr weinen. Aus Bedauern, aus Sorge, oder auch, weil ich Erkenntnisse gewonnen habe, die ich niemals haben wollte. Das Ding ist - ich weiß, dass da draußen ganz bestimmt Männer sind in meinem Alter, in meiner Lebensphase, die Lust darauf hätten, mit mir in meinem Garten Holz zu hacken, Büsche zu verschneiden, vorzurichten, mit meinen Kind und mir auf dem Spielplatz zu picknicken, oder mal bei den Hausaufgaben zu helfen, gemeinsam zu kochen und umgekehrt! Also kurzum, zu Familienleben eben.....und ich? Ich habe mich in diesen Mann so sehr verliebt, für den all das eigentlich nicht infrage kommt, der froh ist, das seit zig Jahren hinter sich zu haben, oder vielleicht sogar nie gehabt zu haben, ich bin aber unheimlich gern mit ihm zusammen, mein Bauch, mein ganzer Körper schreit mich an, dass ich ihn liebe und dass ich ihn will und sehnt sich nach ihm, seiner Stimme, seinen Küssen und Umarmungen....und ihm geht es ja genauso. Ich könnte schon wieder nur heulen, während ich das schreibe. Ich muss daran denken, dass er bald seine Wahlheimat verlässt, den Ort, an dem seine Kinder wohnen, wieviele Tränen seine Tochter deswegen vergossen hat. Wie wir seinen Geburtstag gefeiert haben, er mich seiner gesamten Verwandtschaft vorgestellt hat, als seine Partnerin, die Frau an seiner Seite, die ihn glücklich macht und den Grund für seinen Wechsel in ein anderes Bundesland. Und noch viele andere Situationen, in denen ich mir sicher war, dass wir so gut miteinander reden können, dass wir, egal unter welchen Umständen, immer Inseln finden werden, auf denen wir unsere Beziehung leben können.
15.08.2024 09:01 •
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