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Liebst Du mich? Wenn ja, warum nicht?

F
Liebe ist ein schwieriges Thema. Das weiß jeder. Seinem Partner seine Liebe zu gestehen ist ein großer Schritt. Er kann alles auf rosa Wattewölkchen heben. Genauso kann aber auch alles den Bach runter gehen.
Er war sich dessen bewusst. Er war unsicher. Einerseits fühlte er es seit Wochen. Auf der anderen Seite, wusste er nicht, ob sie dafür bereit ist. Seine Absicht dahinter war klar. Sie sollte einfach wissen, dass es so ist. Liebe ist ein Geschenk. Er glaubt, am allermeisten für den Liebenden.
Er genießt das Gefühl, sich in ihrer Gegenwart einfach frei, unbeschwert und glücklich zu fühlen. Die Vorstellung den Rest seines Lebens mit ihr zu verbringen hatte nichts Erschreckendes. Im Gegenteil, sie füllte sein Herz mit Wärme und Freude.
Er weiß aber auch, dass eine solche Eröffnung Druck ausüben kann. Google ist sein Freund. Aber wie sich das für ein so wichtiges, komplexes Thema gehört, findet sich in der Vielzahl an Meinungen kein Konsens.

„Sag es, wenn Du es fühlst.“

„Der Mann sollte es zuerst sagen.“ / „Die Frau sollte den Anfang machen.“

„Denk daran, ob sie bereit dafür ist.“

„Liebe entwickelt sich nur sehr langsam, jeder der mir in unter einem Jahr sagt, er spricht von Liebe, lügt oder ist dumm.“

Undsoweiterundsofort.

Er beschließt, es auf sich zukommen zu lassen. Es zu sagen, wenn es sich richtig anfühlt erscheint ihm eine gute Lösung. Eigentlich hat er schon immer gern auf sein Herz gehört. Niemand kann definieren oder festlegen, wie sich liebe anfühlt, oder wann sie kommen kann. Irgendwann hat man einfach ein Gefühl, dass man mit Liebe beschreiben würde. Er hatte es schon mehrmals auf der Zunge, hat aber den Moment nicht so gefühlt. Nach drei Monaten Beziehung? Ist sie wirklich schon bereit? Er hat sich viele Gedanken gemacht. Beim ersten Mal war es ganz anders. Nach wenigen Wochen ist es einfach aus ihm herausgeplatzt und es war richtig gewesen. Sie hatten eine lange und erfüllende Beziehung geführt an deren Ende eine wundervolle Freundschaft in ewiger Zuneigung stand.
Aber dies ist eine andere Frau. ‚Wie wird sie reagieren? ‘, schießt ihm durch den Kopf. Er hat keine Angst, sie könne es nicht erwidern. Das ist ihm egal. Darum geht es ihm nicht. Er möchte einfach, dass sie weiß, wie er fühlt. Er fürchtet einfach, es könne sie erschrecken.

Es ist Samstag. Das Paar hat lange geschlafen, keiner von beiden muss arbeiten. Die Sonne schickt vereinzelt Streifen von Licht durch den fast heruntergelassenen Rollladen. Die beiden küssen sich vorsichtig. Vor dem Zähneputzen sollte man es nicht übertreiben. Sie lächeln sich an. Das Bett ist kuschelig warm und weich. Sie schmiegt sich an ihn an. Ebenfalls warm und weich. Die beiden blödeln ein wenig rum. Eine Konversation, angefüllt mit Schwachsinn und unnützem Wissen. Ein herrlicher Morgen –äh, Mittag.
Langsam versiegt das Gespräch. Es kehrt Ruhe und Frieden ein. Kein unangenehmes Schweigen, sondern eine Stille der Gemeinsamkeit. Ihr Kopf liegt auf seiner Brust, hebt und senkt sich mit seinen Atemzügen. Ihre Hand daneben, ein Bein ist über das Seine gelegt. Stets vorsichtig darauf bedacht, nicht auf seine Blase zu drücken, damit er nicht aufstehen und den Moment zerstören muss. Er schließt die Augen, genießt das Gefühl der Wärme und saugt ihren Duft ein.
Dann überkommt es ihn. Sein Herz schlägt lauter, der Adrenalinspiegel steigt, sein Atem beschleunigt sich. Aus ist die Ruhe. Sie spürt es, hebt den Kopf und sieht ihn fragend an.
„Schatz“, sagt er leise und befeuchtet seine Lippen, „ich liebe Dich.“
Sie stutzt. „Ach, sind wir schon so weit?“
Eine süße Antwort findet er. Perfekt. Besser als ein „Ich Dich auch“, von dem er nicht wissen kann, ob es echt ist. Und auf jeden Fall Meilen besser, als ein „Danke“.
„Ich weiß nicht, ob Du so weit bist und das ist auch egal“, fährt er fort, er hat immer noch Angst, dass es Druck auf sie ausüben könnte, „aber ich bin so weit. Ich wollte nur, dass Du es weißt.“ Sie lächelt und nickt.
Sein Herzschlag beruhigt sich wieder. Er fühlt sich gut. Ihr Kopf senkt sich wieder auf seine Brust. Ruhe und Gelassenheit durchströmen ihn. Es war richtig. Die Situation war perfekt, die Antwort war perfekt. Dieser Tag war einfach herrlich und gut.
„Weißt Du“, hebt sie nach kurzer Zeit noch einmal an, „jedes Mal wenn ich gesagt habe: ‚Wie Du der süßeste Mann der Welt bist. ‘“, sie zögert, „war das ein kleines ‚Ich liebe Dich. ‘“
Sein Herz scheint überzulaufen vor Glück und Freude. Er drückt sie fest an sich und sie drückt zurück. Er küsst ihren Kopf, dann lässt er sich ins Kissen fallen und kostet den Augenblick voll aus.

Sie hat ihm noch häufiger gesagt, dass sie ihn liebt. Aber „Wie Du der süßeste Mann der Welt bist“ durfte er nie wieder hören.
Bei der Trennung sagte sie, er wäre die ganze Zeit viel weiter gewesen als sie. Sie hätte ein schlechtes Gewissen gehabt, dass er so viel mehr fühlt als sie, das wäre ihm gegenüber unfair gewesen. Er habe es doch verdient geliebt zu werden. Sie wollte ihn mit aller Macht lieben, sagte sie.
Er fragte nach jenem Tag. Warum sie denn gelogen habe. Sie hat ihn doch schließlich nicht geliebt, oder? Ihre Antwort war, sie wisse nicht, ob es eine Lüge war.
Er möchte ihr glauben. Sie hat ihn in diesem einen Moment geliebt. Wenigstens in diesem einen Augenblick hat ihr Herz ganz und gar ihm gehört. Und obwohl es der Reinheit und Schönheit dieses wundervollen Tages nichts anhaben kann, hinterlässt es einen bitteren Nachgeschmack auf seiner Zunge.
Er hatte ihr einen Druck auferlegt, mit dem sie nicht klar gekommen ist, der sich auf ihre Seele und ihr Herz gelegt hat. Über den sie nicht mit ihm reden konnte oder wollte. Zweifel und Schuldgefühle wurden gesät. Seit jenem Tag, war es ihr nicht mehr möglich gewesen, sich fallen zu lassen und seine Gegenwart einfach zu genießen.
Damit hatte er alles zerstört, was hätte sein können.
Er beschloss, es nie wieder als Erster zu sagen.
Sein Herz zu verschließen, nie wieder lieben zu wollen oder zu können, das kam nicht in Frage. Schließlich liebte er sie immer noch.
Liebe ist bedingungslos, sie ist allumfassend. Sie ist das reinste und schönste aller Gefühle. Auch wenn Leid und Schmerz aus dem unerfüllten Wunsch der Gegenliebe erwachsen können, hat die Liebe nichts Schlechtes in sich.
Aber er würde in Zukunft den Mund halten.

written by Finkognito

11.10.2013 09:08 • x 4 #1


L
Toll! Ganz toller, emotionaler Text. Ich hatte in den letzten Zeilen Tränen in den Augen. Da steckt so viel mehr drinnen.

Ist das deine eigene Geschichte?

12.10.2013 22:26 • x 1 #2


A


Liebst Du mich? Wenn ja, warum nicht?

x 3


F
Hallo Lillien,
danke Dir. Der kommt auch wirklich ganz tief aus meinem Herz.
Und ja, ist mein eigenes Erlebtes und ich bin versucht leider zu sagen.
Ich durchlebe gerade die erste Trennung, die mich aus dem Nichts getroffen hat. Bei der ich das Ende nicht habe kommen sehen.
Nur jetzt, nachträglich, sehe ich die ganzen kleinen Zeichen und an welchem Tag das Ende angefangen hat.
Trotzdem ist die oben beschriebene Situation so schön, dass ich sie wohl nie vergessen können werde. Und auch gar nicht will.

13.10.2013 10:51 • #3


L
Oh, du sprichst mir so aus der Seele. Aber mit jedem Wort

13.10.2013 13:42 • #4


M
Wie erschreckend einfach die Liebe doch ist und was man daraus macht.
Frei und uneingeschränkt zulassen können muss wohl gelernt werden und ist scheinbar ohne Training nicht möglich. Welch ein Jammer

13.10.2013 22:45 • #5




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