Hallo Anna,
ich hoffe, meine Threads haben dich nicht zu sehr erschreckt. Ja, meine Geschichte ist schon sehr heftig und die jahrelange Ambivalenz, die mich so sehr gequält hat, bleibt dir hoffentlich erspart. Ich muss aber ergänzen, dass in den letzten Jahren nicht nur die Verarbeitung der Affäre all meine Kräfte gekostet hat. Es gab da noch viele viele andere Baustellen. Z.B. meine familiäre Problematik aus der Herkunftsfamilie. Dann war da außerdem noch mein beruflicher Werdegang und gesundheitliche Probleme. All das zusammen stürzte mich in eine schwere Depression. Die Affäre und die daraus folgenden Eheprobleme waren da nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Inzwischen aber geht es mir erheblich besser. Bis auf die schwarzen Tage, die sich manchmal immernoch wie ein Schatten über mein Leben legen, habe ich meinen Alltag inzwischen wieder gut im Griff. Es dauerte bei mir allerdings sehr lange und war für alle, auch für die Nutzer dieses Forums, total Nerven aufreibend. Sogar die Therapie musste ich manchmal unterbrechen, weil ich nach den Stunden absolut am Ende war. Meine Therapeutin gewährte mir dann Pausen, denn sie sagte, dass sei wie mit einer Schneekugel, in der immerwieder die Schneepartikel aufgewirbelt werden müssen. Solange, bis sie am richtigen Platz liegen. Und da bei mir vieles am falschen Platz lag, war es eben schwieriger, als üblich.
Nun noch einmal zur Problematik des Entliebens. Das dauert eben auch einfach seine Zeit. Ein totaler Kontaktabbruch ist da sicher hilfreich und ich hätte es anders vermutlich nicht geschafft, da ich meinem AM schon fast hörig war. Sollte dir die Kontaktsperre nicht auf Anhieb gelingen, ist das aber noch kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen. Rückschläge musst du einplanen und dann eben Schadensbegrenzung betreiben. Also vielleicht beim nächsten Mal nicht mehr aufs Knutschen einlassen. Du hast ja jetzt am eigenen Leib erfahren, dass dir das nicht gut tut. Stell dir einmal vor, der AM leidet genau so wie du. Solltest du euch das nicht ersparen? Also hilft der Abstand ja im Endeffekt euch beiden. Hilft dir diese Sichtweise?
Mein AM hat nie mit mir wirklich Schluss gemacht. Er hätte mich wohl gerne noch weiter auf der Warmhalteplatte behalten, das tat mir aber nicht gut und letztlich hat es ihm ja auch geschadet. Seine Beziehung jedenfalls, die er nach mir hatte, ist auch schon wieder kaputt. Ich glaube nicht, dass das nur an unserer Affäre lag aber es war sicher ein wesentlicher Faktor. Mir hat die Vorstellung geholfen, dass ich auch ihm zuliebe ihn vollständig aus meinem Leben entfernen muss. Nur so wird er die Trauerzeit um seine Frau vollständig durchleben und nur so wird er irgendwann wieder offen für eine neue Beziehung sein. Ich war seine Übergangsfrau aber nach all den Jahren hat er nur wenige Fortschritte in der Trauerverarbeitung gemacht. Also musste ich ihn alleine lassen. Schräg, aber es war mein Trick, um mein Gehirn und meine Sehnsucht auszutricksen. Die Wut auf ihn hat mir nämlich in keinster Weise geholfen. Dazu bin ich einfach nicht der Typ. Ich kann niemanden im bösen aus meinem Leben verbannen. Das liegt mir nicht.
Und meine Selbstdisziplin, haha, die ist nun wirklich überhaupt nicht vorhanden. Das ist ungefähr so, wie das Experiment mit dem blauen Elefanten. Denken Sie nicht an einen blauen Elefanten! Und was tue ich? Ja genau....!
So also, das oben beschriebene war mein Trick für den Anfang der totalen Kontaktsperre. Dann kam noch die Selbstliebe hinzu, denn nach ein paar Tagen schon bemerkte ich, dass es mir besser ging. Das war das Zeichen, dass ich mich auf dem richtigen Weg befand. Allerdings fühlte ich mich noch lange Zeit irgendwie leer und haltlos. Dem begegnete ich, indem ich Körperübungen machte. Meditation, Achtsamkeitsübungen und Atemübungen, um mich selbst und meinen Körper wieder spüren zu können. Und dann.... entschied ich mich, wieder bewusst die Nähe meines Mannes zu suchen. Nicht S., denn das hatte uns die Therapeutin zu meinem Schutz vorübergehend untersagt. Durch die zu frühe Wiederaufnahme der S. hatte ich mich nämlich zusätzlich traumatisiert. Das führte dazu, dass ich erst recht dicht machte, wenn mein Mann meine Nähe suchte. Damit war dann erstmal viele Wochen Schluss. Meine Therapeutin lieferte mir dazu ein perfektes Alibi. Es steht dir aber frei, dir bei Bedarf eine Notlüge mittels deines Gynäkologen zu überlegen. Gönne dir diese Auszeit, um deine Gefühle zu sortieren! Das ist absolut wichtig und notwendig!
So also, nach einer gewissen Zeit beschloss ich, die Nähe meines Mannes wieder zu suchen. Zuerst nicht S.. Ich ließ mich bewusst einfach von ihm halten. Ich sah ihn mir bewusst an und suchte nach Merkmalen, die mir an ihm gefielen und die mir vertraut waren. Seine Haare, seine Stimme, sein Geruch z.B.! Ja und dann suchte ich unsere alten Fotos heraus und wir erinnerten uns gemeinsam an schöne Urlaube, die Geburt unserer Kinder und auch an schwierige Zeiten. Wir redeten wieder viel und wir begannen wieder zusammen zu lachen und manchmal auch zu weinen. Und das alles brachte mir langsam aber sicher meine Gefühle für meinen Mann zurück.
Manchmal wie gesagt, falle ich noch wieder in ein schwarzes Loch und dann würde ich am liebsten eine Wohnung suchen und ausziehen. Das ist z.B. dann der Fall, wenn ich sehr anstrengende Tage hatte und ich erschöpft bin. Anders als früher, erlaube ich mir dann aber solche Gedanken und ich sage mir, dass ich das jederzeit machen könnte, denn ich bin nicht mehr von ihm abhängig. Dadurch wirke ich bewusst dem Gefühl der Ohnmacht und der scheinbaren Hilflosigkeit entgegen. Und siehe da, am nächsten Tag schon, wenn ich ausgeschlafen bin und mich erholt habe, kann ich mich wieder in seinen Arm werfen und dann bin ich froh und glücklich, bei ihm zu sein.
Ein Wort noch zum Abschluss. Wir sind bald 25 Jahre verheiratet und über 30 Jahre schon ein Paar. Natürlich kann das in Punkto Schmetterlinge und S. Anziehung nicht mit einer Affäre mithalten. Das muss es aber auch gar nicht. Es ist eine ruhige, reife Liebe, die uns verbindet. Eine Liebe, in der jeder so sein darf, wie er mit Mitte 50 nunmal ist. Es wäre vermessen und unfair, das mit der Affäre zu vergleichen. Es kann nicht gleich sein und das muss es auch nicht. Es ist aber ein ruhiges und warmes Gefühl in mir, wenn ich heute mit meinem Mann und meinen Kindern zusammen bin. Und so darf es bleiben!
Der AM war für eine gewisse Zeit Teil meines Lebens. Ich bin trotz aller Schmerzen dankbar für diese Begegnung und ich bin ihm nicht mehr böse, dass er mich letztlich nicht als seine Lebenspartnerin wollte. Wir hätten wohl auch nicht gut zusammen gepasst. Dennoch wünsche ich ihm nur das beste und wenn ich heute an manche Begebenheit mit ihm denke, muss ich lächeln. Trotz allem! Und das ist sehr sehr schön!
Vielleicht kannst du die eine oder andere Denkweise als Anregung für dich übernehmen. Das wichtigste aber ist, dass du dir zugestehst, deinen eigenen Weg zu suchen und zu finden. Vergib dir selbst und lass dich besonders hier von den Moralisten nicht fertig machen. Dass eine Affäre Sheice ist, muss uns denke ich niemand mehr erzählen. Niemand weß das besser, als wir. Dennoch sind wir alle Menschen und wir machen eben Fehler. Leute, die moralische und sonstige Unfehlbarkeit für sich in Anspruch nehmen, sind mir suspekt. Jeder Mensch ist käuflich, jeder Mensch würde unter gewissen Umständen töten und jeder kann in einer Affäre landen, wenn die Umstände nur blöd genug sind. Das musste ich leider selbst am eigenen Leibe erfahren. Im jugendlicheren Alter hätte ich das sehr weit von mir gewiesen. Also seien wir nachsichtig mit den Moralaposteln hier. Vielleicht fehlt ihnen einfach nur ein bisschen mehr Lebenserfahrung und Selbstreflexion. Nichts für ungut!
Alles Gute Dir, Anne! Und gib nicht auf! Es lohnt sich!
LG Shedia
11.06.2019 17:40 •
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