Wo du wohl all die Jahre warst, frag ich mich... Die Jahre, in denen ich mir so unzählige Male ein ansehnliches Veilchen geholt habe, bei dem Wagnis, das wir Liebe nennen. Die Monate, in denen ich die Tage auf dem Kalender nur heruntergezählt habe, wie ein Countdown, der in zähe Leere läuft... Wo warst du all die Wochen, die ineinander sämtlich glichen, weil ich sie mit Dingen gefüllt habe, die nur der Zerstreuung der Tatsache dienten, dass ich sie allein bestritt... Die Tage, die ich wartend an die Decke starrte und Gedanken sortierte, ohne zu wissen, auf was ich eigentlich wartete... Die Stunden, in denen ich in der Nacht endlos die Scheinwerfer gezählt und nach Schritten gelauscht habe, die doch nicht an meiner Tür endeten.
Du warst schon da. Da draußen, in der weiten Welt. Und eines schönen Abends haben wir uns beide auf den Weg gemacht, jeder für sich. Wir haben uns die Schuhe angezogen, die Schlüssel eingesteckt. In der Erwartung, alte Freunde zu sehen, und in der Hoffnung, etwas Spaß zu haben... an eben jenem Abend. Mit allem habe ich gerechnet, aber nicht mit dir. Nicht mit deinen Augen. Nicht mit deinem lächeln. Nicht mit deiner Stimme. Nicht mit diesem Kuss. Nicht mit diesem wunderschönen Päckchen aus Frechheit, Witz und Charme.
Das wundervollste an dieser Begegnung ist die Tatsache, dass du noch da bist. Das du nicht vorbeigezogen bist wie ein Sommerregen, der sich auf heißen Steinen in feinen Nebel löst. Wir haben in den ersten Stunden eine feine Schnur gespannt. Geflochten aus den ersten Sätzen, den ersten Albernheiten, dem ersten Kuss, der ersten Nacht. Noch haben wir sie nicht losgelassen. Wir halten sie in den Händen, jeden morgen und jeden Abend. Haben sie um unsere Handgelenke gebunden, wie einen Ballon, den man nicht fliegen lassen will. Und dafür danke ich dir.
Ich danke dir für den unglaublichen Instinkt, mich abzuholen, wenn die Zweifel wieder mit mir Karussell fahren. Für die Sicherheit, die wächst, mit jedem Gruß am Morgen und jedem guten Wunsch für meine Nacht. Für das Vertrauen, dass du als Vorschuss in etwas investierst, dass du noch gar nicht kennen kannst. Ich danke dir für die Großartigkeit der Tatsache, dass du mich durch den Tag tanzen, und durch die Nacht fliegen lässt.
Wo du wohl all die Jahre warst, frage ich mich. Doch wenn sie nur dazu dienten, dass du der geworden bist, der du heute bist, dann war es die Zeit wert. Und wenn sie nur dazu dienten, dass ich erkennen konnte, wer du bist.
Wenn ich nun wach bin in der Nacht, die Scheinwerfer zähle, und draußen den Schritten lausche, dann enden sie vor meiner Tür. Dann weiß ich: Du bist endlich da. Und mache einen neuen Knoten in die feine Schnur an meinem Handgelenk....
15.11.2016 09:58 •
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