Liebe Johanna,
was Ratlosigkeit geschrieben hat, sehe ich auch so. Die Zeit jetzt wird natürlich schmerzhaft, das kann gar nicht anders sein. Denn Du hast etwas verloren, was Dir wichtig war (trotz allem) und das gibt man nicht gerne auf.
Du wirst wahrscheinlich in nächster Zeit mit Stimmungsschwankungen zu tun haben: Heulkrämpfe. Depressive Verstimmung, Hoffnungslosigkeit, Eifersucht auf ihn, der jetzt hat was er will, während Du ...
Vielleicht kommt auch Wut auf ihn und auf Dich (weil Du Dich schlecht behandeln hast lassen).
Vielleicht hast Du Rachefantasien. Auch das ist in Ordnung, solange es nur Fantasien sind.
Ich stellte mir vor, ich manipuliere die Bremsen seines Autos. Er fährt los und wenn er auf voller Fahrt ist, dann merkt er es - die Bremsen streiken. Mir sein dämliches Gesicht vorzustellen, tat mir gut.
Oder er sollte einen Unfall haben und im Rollstuhl sitzen.
Noch besser: er sollte sterben und ich würde nicht auf seine Beerdigung gehen, sondern später triumphierend am Grab stehen.
Na ja, er ist nicht verunglückt und nicht gestorben. Leider ging es ihm offenbar recht gut, denn schon ein halbes Jahr nach mir hatte er die Nächste. Wieder eine Fernbeziehung, dieses Mal gleich einige Hundert Kilometer. Das ist sicherer als nur 150 km.
Es war dann gut, dass der Kontakt ganz abbrach, denn noch Kontakt mit ihm zu haben und zu wissen, dass er die Nächste v...., war dann doch zu viel. Das kannst Du Dir sparen, indem Du den Kontakt ganz abbrichst, zumindest auf privater Ebene.
Je konsequenter der Cut ist, desto eher gewöhnst Du Dich dran.
Ja, Du wirst das jetzt durchleben müssen. Aber ein bißchen solltest Du Dir selbst helfen. Hilfreich sind Sport (macht den Kopf frei), Ausgehen mit anderen und Spaß daran haben (weil Du Dir es einfach gönnst, nicht nur zu trauern), auf das Äußere zu achten (ist gut fürs Selbstgefühl). Wenn es möglich ist, hole Dir Unterstützung in der Familie, denn das unterstützt Dich auch. Es ist gut und wichtig, nicht das Gefühl zu haben, dass Du jetzt allein dastehst.
Und manchmal muss man sich einfach auch selbst in den Hintern treten und sich sagen: Ha, Du hast mich zwar abserviert, aber Du wirst mir nicht mein Leben vermiesen!
Trotz allem kann ich es mir (manchmal) gut gehen lassen.
Vielleicht wolltest Du schon immer was Neues machen oder ausprobieren. Tango tanzen, Kochen lernen, Nähen, im Chor singen, Gitarre lernen. Probier einfach was Neues aus. Du wirst merken, auch das tut gut.
Achte darauf, Dein Selbstgefühl zu pflegen. Der eine wollte mich nicht mehr, aber ich bin trotzdem völlig in Ordnung und mir wird es wieder gut gehen.Dann geht es mir gut und ihm vlt. schlecht. Es gibt immer einen Ausgleich im Leben und keinem geht es immer nur gut.
Wenn Du Frust hast, schreibe hier. Auch das hilft. Aber schreibe auch, wenn es Dir mal besser geht.
Akzeptiere Rückschläge. Der Trauerprozess verläuft nicht linear, sondern macht gelegentlich eine Rolle rückwärts. Das ist aber auch völlig normal, denn Du bist kein Automat.
Und schaue trotzdem nach vorne. Du siehst jetzt zwar nichts da vorne außer einer schwarzen Wand, aber dahinter ist was, was auf Dich wartet. Ganz sicher. Du wirst merken wie jeder, dass Dein Leben nicht vorbei ist. Es kann sogar besser werden als das, was Du bisher hattest.
Halte Dir vor Augen: Nur aus Krisen lernt man was fürs Leben und nur aus Krisen kann etwas Neues entstehen. Eine mutigere und selbstbewusstere Johanna, das wäre doch was!
Ich habe Dir ziemlich viel geschrieben, weil mir einige Äußerungen von Dir allzu bekannt vorkamen. Es gibt Beziehungsmuster, die sehr häufig sind. Eines davon ist die Beziehung im Ungleichgewicht mit Machtgefälle. Meist ist der Mann oben und die Frau richtet sich danach und schluckt und tut alles, um ihn und die Beziehung zu halten. Die Frau akzeptiert zu viel, wird immer mutloser und feiger und macht sich klein und lässt sich zu viel gefallen.
Das honoriert der Mann aber nicht. Im Gegenteil, er beginnt, die Partnerin tief in sich zu verachten. Eben weil sie alles hinnimmt, keine Position bezieht, keinen Mumm in den Knochen hat und auch, weil sie langweilig und reizlos für ihn wird. Ach die, gähn, die interessiert mich nicht mehr. Ständig will sie was, ständig tut sie was, weil sie guten Willen beweisen will oder auch ständig schaut sie so traurig, weil ich ihr nicht geben kann was sie gerne hätte.
Im Grund genommen muss der Partner dann gehen und nachdem der schwächere Part das nicht schafft, tut es der Stärkere.
Denn Abwertung ist keine Basis für eine Beziehung.
Ich merkte das auch: erst war ich gepflegt, dann eitel. Erst passte alles, dann nicht mehr. Erst sollte ich ihn beim Klamottenkauf begleiten (Wahnsinn, mit Dir macht sogar Anzug kaufen Spaß!), später hieß es, das mache ich lieber allein. Erst freute er sich, wenn ich ihm was mit brachte, z.B. Kräuter aus meinem Garten, später mochte er sie dann nicht mehr so ... Die Palette ist lang und ich spürte, dass nichts mehr recht war was ich tat. Ich tat zu viel, ganz einfach. Ich war ihm sicher und ich hielt eisern an ihm fest und das machte mich auch sehr langweilig. Weil der Partner so auf die Beziehung fokussiert ist, dass er vergisst, dass er ein eigenes Leben hat. Dabei sahen wir uns gar nicht so oft, aber er wusste trotzdem, dass ich mich zu viel an ihn gehängt hatte.
Irgendwann wirst Du erkennen:Gut, dass er weg ist. Er hat mir gezeigt, woran es bei mir krankt und wenn ich das weiß, kann ich dagegen steuern. Weil ich mich jetzt besser kenne.
Hab Mut, es wird besser, weil es nur besser werden kann!
Und denk immer daran: ich bin eine tolle junge und gut aussehende Frau und komme wieder auf die Beine!
Alles Liebe von der Begonie
18.07.2019 12:10 •
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