Johanna,
halte Dir immer vor Augen, dass Du mehr wert bist als das was er Dir gnadenhalber zuteilte. Es ist ganz wichtig, dass Du verinnerlichst, dass Du eine tolle junge Frau bist, für die nicht jeder gut genug ist.
Das hängt sehr stark mit einem gesunden Selbstwertgefühl zusammen, das Du allmählich wieder aufbauen musst. Er hat es nämlich auch systematisch demontiert, weil er Dich im Regen stehen ließ. Nicht nur durch die Trennung, sondern schon in der Beziehung. Er verweigerte Dir den nächsten Schritt in der Beziehung, er hat Hobbies und Beschäftigungen, denen er ohne Dich nachgeht und er hing wesentlich weniger an Dir als Du an ihm.
Dadurch, dass er die Macht hatte, hatte er auch die Macht, Dein Selbstbewusstsein allmählich kaputt zu machen. Dadurch hatte er Dich in der Hand und wusste immer, dass er Dich sicher hat. Er wusste um Deine Wünsche und Sehnsüchte, auch wenn Du sie vlt. nicht ausgesprochen hast und sah keine Veranlassung, Dir entgegen zu kommen. Im Gegenteil, er schaffte Distanz. Vermutlich war und wird er immer in Beziehungen sein, in denen er die Machtposition einnimmt.
Mein Ex. war auch so. Ich war nur eine Art Zaungast in seinem Leben und hätte doch so gerne eine Hauptrolle gespielt. Aber ein ums andere Mal gab er mir zu verstehen, dass er dies und jenes lieber ohne mich machte. Er ging gerne auf Parties, die unverbindliche Bekannte über FB ankündigten. Ich war selbstverständlich nie als seine Begleitung vorgesehen.
Eines Tages sah ich eine Karte für ein zweitägiges Festival bei ihm liegen. Eine Karte, seine nämlich. Er hatte mich nicht mal gefragt, weil er sonst Gefahr gelaufen wäre, dass ich Freude strahlend mitkommen würde wollen.
Es gab viele solcher Situationen, in denen ich immer nur das Gefühl hatte: Du bist ihm nicht wichtig, Du bist nicht das für ihn, was Du gerne sein möchtest.
Urlaubsreisen zu zweit: Fehlanzeige! Das hätte er nicht ausgehalten, 24/7-Zusammensein mit mir. Also organisierte ich Urlaubsreisen selbst.
Nie gingen wir irgendwo hin, wo er Gefahr gelaufen wäre, dass er mit mir gesehen werden könnte.Wir hatten eine Beziehung und wollten sie im Kollegenkreis nicht öffentlich machen, weil sich in der Sparte so viel rumspricht. Man kennt sich eben und man redet. Schon gehört, Frau X aus Y ist jetzt offenbar mit Herrn Z aus A zusammen.
Aber auch auf der privaten Ebene wollte er nicht, dass bekannt wurde, dass er eigentlich eine Beziehung hat. Das bedeutete, er stand überhaupt nicht zu mir.
Warum ließ ich das alles zu?
Später kam ich drauf. Ich hatte eine Dinge aus meiner Kindheit ins Erwachsenenleben mitgenommen. Z.B. das Gefühl, Du bist nicht wichtig. Du stehst alleine da und Du musst alles mit Dir selbst ausmachen. Also rede nicht darüber, was Dich bewegt und ängstigt und beschäftigt, sondern schaffe es selbst, das zu bewältigen.
Wenn ein Kind öfters dieses Gefühl hat, nicht richtig wertgeschätzt zu werden, dann bleibt was und der Frust und die Enttäuschung wird verschoben ins Unterbewusstsein. Nach außen bin ich tatkräftig, mutig, aber nach innen sieht es anders aus. Und da ich das eben verinnerlicht hatte, lebte ich es nach. In Beziehungen, weil hier diese unterbewussten Mechanismen greifen.
Ich war es gewohnt zu leiden und irgendwie damit fertig zu werden. Und diese Hartnäckigkeit brachte ich in Beziehungen ein. Nicht nur in die vom Ex, sondern auch bei vorherigen Partnern. Ich war immer in der untergebenen Rolle, während der großartige Mister X bestimmte, was er mir zuteilte.
Und da die Seele glaubt, irgendwann muss das Dilemma doch mal gelöst werden, schickt sie Dich in wiederkehrende Situationen. Wieder gescheitert, wieder abserviert, wieder nicht gut genug gewesen.
Was passiert: Du leidest wieder und wieder. Wenn Du Dich erholt hast, kommt iwann die nächste Beziehung und es geht von vorne los.
Denn die Heilung von Defiziten liegt nicht in einem Partner. Deine Partnerwahl ist nur das Symptom für Deine Mechanismen und Defizite.Heilen kann er es nicht.
Wer dann? Du selbst. Es liegt alles an Dir und in Dir.
Mach Dir mal Gedanken über Deine Kindheit, über Gefühle, die Du schon lange kennst, über Begebenheiten, die Dich beschäftigt haben und die Dich verunsichert oder gar gequält haben. Da liegt meist der Ursprung dessen, wie Du Dich in Beziehungen verhältst.
Liebe ist eng mit leiden verknüpft, auch das hatte ich gelernt und abgeschaut (von meiner Mutter, denn die litt auch öfters unter dem Schweigen meines Vaters). Und auch das hatte ich gelernt: nichts ist umsonst, für Liebe muss man sich schon anstrengen und ins Zeug legen. Und auch das brachte ich in Beziehungen ein. Ich strengte mich immer an, so zu sein, wie er mich vermutlich haben wollte. Ich verzieh alles und nahm alles hin, denn sonst ist es keine Liebe.
Das war grundfalsch, denn Demütigung, auch Selbstdemütigung hat mit Liebe nichts zu tun.
Und so nahm ich eben alles hin und wartete bei ihm auf Besserung, die nicht kam.
Erst ganz zum Schluss gelang es mir, dass ich mich endlich ihm ebenbürtig fühlte. Es war etwas vorgefallen, was mich ermutigte und bestärkte. Die Folge: mir ging es schlagartig besser und er würde sich ab jetzt mehr Mühe geben, mal so was wie eine Beziehung zu leben.
Ha, die Freude währte nicht lang. Ich merkte es bald: es geschah nicht aus freien Stücken, es war Mühe für ihn. Und Mühe schafft Frust. Und Frust ist der Vorläufer der Trennung.
Es konnte ja nicht angehen, dass ich jetzt gleichauf mit ihm war. Wo kämen wir dahin? Das gewohnte Machtgefüge, also er oben und ich zu seinen Füßen, war in Gefahr. Das hielt er nicht aus, denn er wollte immer die Kontrolle behalten. Und da trennte er sich dann, denn wer sich trennt, behält die Kontrolle. Bis zum Schluss.
Ein Gespräch gab es, ja, am Telefon, Sogar mehrere. Einmal oder zweimal heulte ich während der Gespräche, meistens danach. Denn ich hatte ihn ja verloren als Freund, als Partner und das schmerzte so entsetzlich.
Daher sage ich heute: nach einer Trennung muss Schluss sein, keine Gespräche.
Die bringen nichts, zumindest nicht kurz nach der Trennung, denn da sind zu viele Gefühle im Spiel, zu viel Leid. Und wieder geht es dann so weiter wie gewohnt: er oben, denn er lebte jetzt locker sein Leben weiter und war insgeheim vlt. sogar froh, der Bedrohung durch mich entronnen zu sein. Ein Bindungsphobiker fühlt so. Es ist alles zu eng, also muss ich mir Luft verschaffen, dass ich endlich wieder atmen kann. Dann die Trennung und er atmet auf. Gott sei Dank, ab jetzt bin ich wieder mein eigener Herr. Ich entscheide über mein Leben, meine Zeit, meine Kontakte und bin keinem Rechenschaft schuldig.
Das Leiden war wiederum für mich, denn zur Sehnsucht nach ihm gesellten sich Eifersucht, Missgunst, Wut, Misstrauen und Angst. Wann kommt die nächste? Denn ewig blieb der nicht allein.
Irgendwann spürt er wieder die grenzenlose Einsamkeit, in der er lebte. Nach der Erleichterung kommt gesetzmäßig eine innere Sehnsucht nach Liebe, Nähe und Vertrauen. Und wenn dann eine seinen Weg kreuzt, die passend erscheint, greift er wieder zu, denn auch ein Bindungsphobiker hat eine Sehnsucht nach Liebe.
Und damit geht es wieder von vorne los: Große Verliebtheit, Liebesgeständnisse, Leben auf Wolke 7 für einige Wochen oder Monate. Dann hat er die Partnerin schön eingewoben, die ab jetzt alles für ihn tun wird, denn sie strengt sich ja an für ihn. Und wenn er Dich dann sicher hat, dann geht er wieder auf Abstand. Nicht ständig, nein, es sind gewisse Verhaltensweisen die Bindungsphobiker so drauf haben und die den Partner verunsichern und zweifeln lassen. Dazwischen wieder schöne Momente, die der Untergebene grnadenlos hochstilisiert, eben weil nichts selbstverständlich ist in der Beziehung. Und das hält den Untergebenen auch in der Beziehung: eine Sehnsucht, schön Momente wieder zu erleben, denn sie sind so unendlich kostbar, weil nicht selbstverständlich.
Und daher gibt der Untergebene meistens nicht auf, sondern leidet auch in der Beziehung unter Zurückweisung.
Mir hat zu denken gegeben, dass Du meinst, das geplante Gespräch hätte einen gönnerhaften Beigeschmack. Das zeigt es ja auch ganz deutlich. Er lässt sich herab, mit Dir nochmals zu sprechen. Klar, dass sich dadurch nichts ändert und auch klar, dass er in dem Gespräch auch wieder die Oberhand behalten würde.
Denn das Leiden ist für Dich.
Daher: lass es sein und kontaktiere ihn nicht mehr.
Kontakt bedeutet Aufmerksamkeit und nichts tut ihm mehr weh als Missachtung und Gleichgültigkeit. Davon bist Du meilenweit entfernt, aber willst Du es ihm gönnen, dass Du ihm nochmals die Gelegenheit gibst, dass er Dir wortreich erklärt, warum Du leider draußen bist.
Du würdest nichts Neues hören, vlt. ein paar salbungsvolle Worte wie: Es gut mir ja so leid, dass ich ausgerechnet Dir, die ich doch so schätze, weh tun muss, aber leider ...
Hilft Dir das? Nein, im Gegenteil.
Und ehrliche Worte hättest Du nicht zu erwarten, denn wer tritt schon einen, der eh schon auf dem Boden liegt, noch ins Kreuz mit ehrlichen Worten? Keiner, selbst er vermutlich nicht.
Ehrliche Worte könnten sein: Dein Klammern und Beharren auf der Beziehung hat mich genervt. Deine Fragen nach der Beziehung (wie geht es denn weiter? Haben wir eine Beziehung?) gingen mir auf den Geist. Du hast mich genervt. Ich wusste genau, dass Du Dir mehr erhofft hast, aber das kriegst Du nicht, weil ich Dir das gar nicht zugestehen will.
Deinen traurigen Gesichtsausdruck, wenn Du wieder mal enttäuscht warst, wollte ich nicht mehr sehen. Dein Genöle und Dein Lamentieren hat mein Wohlbefinden beeinträchtigt.
Es ging mir auf die Nerven, dass Du eisern an der Beziehung festgehalten hast. Ich bin aber keiner, der sich vereinnahmen lässt.
So was wären ehrliche Worte, die aber meist nicht ausgesprochen werden. Und was würden sie Dir helfen? Nichts, außer dass Du wieder das Gefühl hättest, ich war und bin nicht gut genug.
Schweigen bedeutet Macht. Also gestehe Du sie Dir ausnahmsweise mal zu! Es würde Dir gut tun. Ein Gespräch ändert nichts und daher brauchst Du auch kein schlechtes Gewissen ihm gegenüber zu haben.
Und ab morgen arbeitest Du mal an Deinem Selbstwertgefühl: Du bist wertvoll und eine gute Frau!
Es ist sehr wichtig an sich zu glauben, denn das bedeutet Wohlbefinden und innere Sicherheit. Ich bin okay, auch wenn der eine mich nicht wollte. Er war ja auch nicht gut genug für mich, denn ich bin Exklusivware und kein Ramsch. Lerne es, an Dich und Deinen Wert zu glauben. Dann brauchst Du auch keinen mehr, der Deine Zuwendung mit Füßen tritt, weil er Wichtigeres zu tun hat.
Du bist so eine sympathische junge Frau! Du schaffst das schon. Wenn ich es geschafft habe, dann schaffst Du es auch. Warum etwas festhalten wollen, was eh nichts ist.?
17.07.2019 15:56 •
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