Ist ja sehr interessant, liebe Johanna!
Er wollte die Beziehung also nicht öffentlich machen. Ich verstehe Dich da bestens. Natürlich wolltest Du das nicht Gott und der Welt mitteilen, aber Du wolltest, dass Ihr in der Öffentlichkeit selbstverständlich als Paar oder Familie auftretet. Eigentlich das, was man als Paar auch tut.
Es ist frappierend, wie sich unsere Geschichten gleichen. Auch meiner, denk nicht dran, dass wir Händchen haltend durch die Stadt gegangen wären oder einfach mal in ein Cafe. Nein, wir könnten gesehen werden. Klar, ich war obendrein eine verheiratete Frau. Von daher konnte ich schon gar keine Forderungen stellen. Aber es wusste Niemand von uns, nur ganz Wenige Vertraute wussten von der Beziehung.
Und wenn er ausging, was häufig der Fall war, war ich nicht vorgesehen. Ich lernte keinen seiner zahlreichen Freunde kennen, geschweige denn die Familie. Es war als wäre ich gar nicht da.
Wir bewegten uns ausschließlich auf sicherem Terrain.
Und bei Dir war es wohl genauso, nur dass Eure Rahmenbedingungen ja besser waren, da beide Single waren.
Heute bin ich froh, dass es nie öffentlich wurde, vor allem nicht im Kollegenkreis. Aber damals dachte ich wirklich, ich würde mich von meinem Mann trennen und mit dem unfähigsten Kandidaten eine richtige Beziehung beginnen.
Merke Dir für die Zukunft: Lass Dich nie mit einem irgendwie gebundenen Partner ein! Das geht meistens schief, auch wenn momentan die Hormone Polka tanzen. Wenn einer die Beziehung heimlich halten will und auch nach der Anfangsphase sich nicht mit Dir zeigen will, dann vergiss ihn. Er steht dann einfach nicht zu Dir, sondern behält in der Öffentlichkeit und auch in seiner Familie seinen Status als Single. Er will Dich nicht als Partnerin an Deiner Seite haben.
Zitat von Johanna15:Er ist rotiert, war ärgerlich und hat es dann kurze Zeit später beendet.
Auch das wieder eine Parallele. Irgendwann hast Du die Faxen satt und möchtest Nägel mit Köpfen machen und hast ihm damit in die Enge getrieben. Er bekam Panik, wie meiner auch. Und dann blieb ihm nur eins: die Trennung, die ihm letztendlich die Sicherheit gab, die er brauchte. Keiner kann mehr Ansprüche stellen, keinem bin ich verantworltich, ich bin frei - endlich! Ich glaube, in der ersten Zeit nach der Trennung empfinden sie tatsächlich so was wie Durchatmen. Gott sei Dank, ich bin sie los!
Gefühle bleiben nicht ewig, am wenigsten Hochgefühle. Und so kann es sein, dass er sich nach einiger Zeit wieder sehr einsam fühlt, denn er baut ja auch zu vielen anderen Menschen keine engeren emotionalen Bindungen auf. Freundschaften, Kumpeleien - alles kein Problem. Aber ob er auch Jemanden hat, mit der er auf vertrauter Ebene reden kann? Irgendwann vermisst er unterschwellig wieder was. So was wie Zuwendung, Emotionalität, Vertrautheit und so ist oft die Nächste Miss Perfect nicht weit.
Meistens suchen sich diese Männer Partnerinnen, die gerade auf der Suche nach der großen Liebe sind, die sehr emotional sind und sehr hingebungsvoll. Und anpassungsfähig.
Ich glaube nicht, dass er sich jemals mit einer starken, selbstbewussten Partnerin einlassen würde, die ihm sagt, wo es lang geht und was sie duldet und was nicht.
Mit selbstbewussten Partnerinnen, die ihren Selbstwert nicht kaputt machen lassen, könnte er nichts anfangen.
Daran siehst Du, dass die Partner eigentlich sehr gut zusammen passen. Denn was ihm fehlt, enge Bindungen, Emotionalität, das darf die Partnerin liefern. Die wiederum lehnt sich an einen vermeintlich starken Mann an der ihr jetzt das große Glück bringen soll.
Ich glaube, wenn Du noch mehr Abstand hast, wirst Du es glasklar erkennen. Du hast ihm auch keine Grenzen gesetzt, weil Du es nicht konntest. Zu viel Angst vor Ablehnung, zu viel Kleinmut dirigierten Dich. Was wiederum ihm ermöglichte, seine Obermachtstellung zu festigen und auszubauen.
Menschen reagieren aufeinander, vor allem in Beziehungen. Das Eine bedingt das Andere und alles greift ineinander.
Daher ist auch eine Schuldfrage überflüssig. Beide haben ihren Teil zum Scheitern beigetragen, er mit seiner Ich-Zentriertheit, seinem Egoismus und seinen Distanzmanövern und Du mit Deiner Nachgiebigkeit, Geduld und vor allem Deinem Kleinmut. Sage ich lieber nichts, das traue ich mich eh nicht. Und dann kommen so Strategien der Machtlosen wie Jammern, Klagen, Weinen, tieftrauriger Gesichtsausdruck.
Das beruht natürlich auf Deiner Feigheit. Wer klare Kanten setzen könnte, der bräuchte diese Strategien - übrigens importiert aus Deiner Kindheit - nicht anzuwenden.
Irgendwann musst Du ihm das auch verzeihen, und vor allem auch Dir selbst. Sonst quälst Du Dich ewig mit Deinen eigenen Dämonen, die Dir immer wieder einflüstern, Du bist gescheitert, ha, ich wusste es, dass Du baden gehen wirst. Du hast es wieder mal nicht geschafft. War ja klar, was bringst Du denn überhaupt zustande? Wolltest hoch hinaus und jetzt schau Dich an. Jetzt bist Du ein Häufchen Elend!
Genauso sprechen die inneren Dämonen. Schick sie in den Schrank uns höre nicht darauf! Je weniger Du sie anhörst, desto kleiner werden sie. Das musste ich auch erst lernen. Begonie first! Begonie ist gut genug! Begonie kann eine gute Partnerin sein, wenn es passt!
Wenn Dir das nicht schon in der Kindheit eingepflanzt wird, dann wirst Du Dein ganzes Leben damit zu tun haben, Dein Selbstwertgefühl zu aktivieren und Position zu beziehen. Das ist ein Lernprozess, der nie richtig beendet wird, weil es immer wieder Einflüsse von außen gibt, die Dich zweifeln lassen.
Und auch ihm musst Du es nachsehen. Er ist auch nur ein schwacher Mann, auch wenn er äußerlich ganz anders auftritt. Er ist innerlich tief verunsichert, ein trauriger kleiner Junge geblieben, der dringend mehr Rückhalt im Elternhaus gebraucht hätte. Bei meinem war es so. Mutter überfordert, denn eineinhalb Jahre nach ihm kamen Zwillinge. Da war auf einmal für den kleinen und jetzt großen Erwin keine Zeit mehr. Der Vater - ha! Eigentlich nicht da, Er arbeitete und baute Häuser. Erst eins, dann das zweite. Er entfloh dem Familienleben, rettete sich in allerlei Aktivitäten und wer könnte gegen Fleiß und Arbeitsamkeit schon was sagen?
Aber als Vater war er kaum existent. Später dann machte er seinen Erstgebohrenen nieder. Geh weg, Du kannst das nicht! Das lässt Du mich machen! Du taugst nichts, Du bringst es nicht. So, die Botschaft des Vaters. Kannst Du Dir vorstellen, was das mit einem sensiblen Kind macht? Ablehnung durch den eigenen Vater, der sich selbst nicht mochte!
Der kleine Bub zieht sich zurück in seine Welt, weil er überleben muss, auch emotional. Der verinnerlicht aber, Bindungen halten nicht, eigentlich gibt es sie nicht. Weder die Mutter ist zuverlässig da und der Vater schon gar nicht.
Es würde mich nicht wundern, wenn der Vater ihn manches Mal geprügelt hätte. Das war damals noch ganz normal. Er hatte was Geprügeltes an sich.
Er macht einen guten Job, ist beruflich erfolgreich, ist akzeptiert und nährt daraus auch sein schwaches Selbstbewusstsein. Wie er manchmal erzählte, kenne er jetzt diesen und jenen aus der Firma X. Und Herr Y hätte ihm letzthin das Du angeboten, eine Auszeichnung, die nur wenigen zuteil wird!
Gähn, er war kein Aufschneider und auch kein Angeber, aber er musst es bei mir anbringen. Er hatte es nötig!
Und ich war auch nicht viel besser. Wer sonst nichts hat, der greift eben zu allen Mitteln, das eigene Selbstwertgefühl zu heben.
Erinnern kann er sich nicht an viel. Seine gesamte Kindheit ist in seinem Gedächtnis ausgeblendet. Natürlich ist sie im Unterbewusstsein gespeichert, aber da liegen so viele Trümmer drüber, dass er nicht ran kommt und auch gar nicht rankommen will. Seine Erinnerung setzt ein in der Zeit, als er ungefähr 12 war. Erstkommunion, der erste Schultag, einschneidende Erlebnisse, Weihnachten - es ist nichts da. So als hätte es das nicht gegeben.
Ein Schutzmechanismus einer verletzten Seele. Die Unfähigkeit und auch die Angst, sich zu erinnern. Alles was weh tut und stört, wird ins Unterbewusstsein verlagert. Er spürt es nicht, aber er ist doch davon gesteuert.
Mein Therapeut sagte mal, es wäre wichtig sich zu erinnern und sich den Erinnerungen zu stellen. Aber manche Menschen kommen nicht ran und so tappen sie halt ewig im Dunklen, weil sie nicht erkennen was sie antreibt. Außerdem haben sie viele SChutzmechanismen entwickelt um einigermaßen gut durchs Leben zu kommen. Beruflicher Erfolg, große Fähigkeiten in Bereichen wie EDV, Naturwissenschaft, Technik sind Markenzeichen. Nur im sozialen Bereich sind sie sicher kaum zu finden, denn das Zwischenmenschliche verunsichert und ist nicht ihr Metier.
Ich habe auch Ansätze dieser Art. Im Grund genommen habe ich mein Leben lang enge Bindungen erfolgreich vermieden. Zeigte mir Jemand Interesse und Zuneigung, verschwand ich. Ich konnte das nicht aushalten dass Jemand was von mir wollte. Umgehend stellten sich mir die Nackenhaare auf. Das ist mir bis heute geblieben, ich kann aber besser damit umgehen als früher.
Aber im Hinterlaufen und Schmachten nach Männern, die mich nicht wollten, war ich Meisterin. Ich suchte kategorisch dort nach Liebe, wo sie garantiert nicht zu finden war. Ich kriegte hin und wieder einen, der dann mit mir SChlitten fuhr. Denn auf einmal war ich wieder das kleine Mädchen, das nach Papas Aufmerksamkeit und Zuwendung suchte. Beziehungsmuster aus der Kindheit übernommen.
Warum es jetzt mit meinem Mann klappt, erstaunt mich selbst. Er ist aber auch von dieser Art, ein wenig geschädigt aus der Kindheit. Er stellt keine übersteigerten Ansprüche an mich, er drängt mich zu nichts und das wiederum ermöglicht es mir, auf ihn zuzugehen.
Naja, eigenartige Menschen haben halt auch eigenartige Beziehungsmuster.
Denk mal drüber nach, wie das bei Dir so ist und wie es bei ihm war. Vielleicht findest Du hier auch Parallelen.
Begonie