So, lieber Paulaner! Heute morgen habe ich ein bisschen Zeit und schreibe dir mal kurz unsere Geschichte auf.
Ja, ich habe meinen Mann vor ca. 4 Jahren betrogen. Wir waren zu diesem Zeitpunkt schon 28 Jahre zusammen, davon 16 verheiratet. Wir haben einen Sohn, Haus und führten ein zufriedenes und beschauliches Leben. Natürlich gab es viele Alltagsprobleme zu bewältigen. Unser Sohn war bei seiner Geburt nicht ganz gesund und ich musste damals meinen Beruf aufgeben, um die ersten Jahre ganz für ihn da zu sein. Unsere Eltern wurden alt und krank und bedurften unserer Aufmerksamkeit. Wir verloren uns also ein bisschen aus den Augen über die Jahre. Trotzdem würde ich unsere Ehe als glücklich bezeichnen.
Vor 4 Jahren dann stieg ich endlich wieder ins Berufsleben ein. Dort traf ich auf einen wunderbaren Kollegen, mit dem ich mich auf Anhieb gut verstand. Wir arbeiteten eng zusammen und er brachte mir vieles bei. Natürlich verliebte ich mich peu a peu, was an sich noch kein Problem gewesen wäre. Dann jedoch starb seine Frau nach langer schwerer Krankheit und er suchte nach Trost und Ablenkung. Da lief er bei mir ja offene Türen ein. Ich war bereit und willens für diesen Mann mein bisheriges Leben über den Haufen zu werfen und Mann, Kind und Haus zu verlassen. Aus heutiger Sicht unvorstellbar für mich!
Man muss vielleicht dazu erklären, dass ich mich nach dem Tod meines Vaters in einer tiefen persönlichen Krise befand. Außerdem standen die Wechseljahre bevor und dieser Mann war vielleicht meine letzte Chance auf eine neue Liebe. Da hatte ich ja nicht allzu viel erlebt, denn mein Mann war ja mein erster Freund. Also beichtete ich meinem Mann noch vor dem ersten intimen Kontakt von meiner Fremdverliebtheit und trennte mich, um frei für den anderen zu sein.
Es kam dann auch, wie gewünscht, zu einem One night stand, der jedoch komplett anders verlief, als erhofft. Kurz darauf zog ich von zu Hause aus. Der andere zog sich zeitgleich von mir zurück. Da das Leben allein in meiner Wohnung auch recht schwierig war und schon bald die ersten Probleme auftauchten, wendete ich mich meinem Mann wieder zu. Dieser war darüber trotz allem sehr erfreut und erleichtert und holte mich zurück nach Hause. Sobald ich wieder bei Mann und Kind war, erwachte aber das Interesse des Kollegen wieder und es kam erneut zu intimem Kontakt. Das war dann wirklich ein echtes Fremdgehen und total schäbig und hinterhältig von mir. Das ganze wiederholte sich noch einmal, war dann aber für mich so schlimm und unerträglich, dass ich den Job kündigte und den Kontakt zu ihm, wie auch zu allen anderen Kollegen abbrach. Ich beichtete meinem Mann erneut alles und er hielt weiterhin zu mir, stellte aber klare Bedingungen, wie ich mich zukünftig zu verhalten hatte.
In den folgenden Jahren fegten wir gemeinsam unseren Scherbenhaufen zusammen. Es gab viele Gespräche, ich beantwortete meinem Mann alle Fragen, die ihm auf der Seele brannten. Wir weinten zusammen, wir zerfleischten uns und manchmal schien Trennung die einzig mögliche Option zu sein. Ich kämpfte auch noch mit der Trauer um die verlorene Verliebtheit zu dem Kollegen, denn meine Gefühle für ihn waren ja sehr tief gewesen. Allerdings war bald klar, dass auch ich Opfer eines Fremdgehens geworden war, denn der Kollege war schon zu unserer Zeit längst wieder in einer Beziehung zu einer anderen Frau, die auch kurzzeitig bei uns gearbeitet hatte und aus Rücksicht auf ihn gekündigt hatte. Alles sehr verworren und schwierig, ich will dich nicht mit Einzelheiten quälen. Nur ich war Oper und Täter gleichzeitig und hatte es daher vielleicht besonders schwer. Ok, dein Mitleid mit mir wird sich verständlicherweise in Grenzen halten.
Nun aber wieder zu meinem Mann. Er machte aus heutiger Sicht eigentlich alles richtig, um mich in der Ehe zu halten und ich bin mir heute seiner Liebe absolut sicher. Er blieb zwar immer misstrauisch, manchmal spüre ich auch heute noch seine Unsicherheit, wenn z.B. mein Handy immer wieder piept. Aber er hat mir verziehen, das Geschehene aufgearbeitet und wir sind wieder sehr glücklich zusammen. Meine Liebe zu ihm ist wieder erwacht, wir haben guten Sechs, wir sind im Alltag ein gutes Team und wir genießen nach dem Auszug unseres Sohnes letztes Jahr die neugewonnene Freiheit zusammen. Was mir anfangs sehr schwer fiel, war die Liebe zu meinem Mann wieder zu spüren. So eine neue, frische Verliebtheit ist ja etwas sehr erfüllendes, das kann man natürlich mit der Vertrautheit und tiefen Bindung in einer langjährigen Ehe nicht vergleichen. Dennoch weiß ich heute wieder genau das zu schätzen und ich bin mir zu 100% sicher, dass ich das nie wieder aufgeben will.
Vor einigen Wochen meldete sich tatsächlich der ExAm wieder bei mir. Seine Beziehung von damals war in die Brüche gegangen. Wir schrieben einige Tage über WA miteinander und endlich bekam auch ich meine offenen Fragen von damals beantwortet. Das führte bei mir zu einer Heilung alter Wunden und ich bin dafür sehr dankbar. Allerdings beendete ich den Kontakt danach konsequent und habe ihn gebeten, mich nicht wieder zu kontaktieren. Das repektiert und versteht er sehr gut und hält sich an unsere Absprache. Mein Mann würde das nicht verstehen, ich habe es ihm daher nicht gesagt. Vielleicht tue ich das in einigen Jahren. Eigentlich ist es aber aus meiner Sich unnötig und würde nur alte Wunden bei ihm wieder aufreißen.
Ich hoffe, dass mein Mann und ich noch viele gemeinsame Jahre miteinander haben werden. Wir wollen gemeinsam noch viel erleben und z.B. reisen, unseren Sohn bei seinem Werdegang unterstützen und irgendwann unser Haus verkaufen und eine Seniorenwohnung suchen. Ich werde meinem Mann in den letzten Jahren unseres Lebens eine treue und liebende Ehefrau sein. Ich werde ihm bis an sein oder mein Lebensende immer dankbar sein, dafür dass er uns nie aufgegeben hat. Er hat wahre Stärke gezeigt in der Verarbeitung dieser Episode und dafür hat er meine Liebe, Dankbarkeit und meinen Respekt. Unsere Ehe ist eine andere geworden, sie ist beschädigt, aber nicht kaputt. Wir beide gehe sehr achtsam damit um, damit wir sie nicht weiter beschädigen und durch diese Achtsamkeit heilen langsam aber sicher die alten Wunden.
Falls Du Fragen hast, beantworte ich sie dir gerne. Ich rechne aber auch damit, hier erneut beschimpft und geächtet zu werden. Ich habe meine Geschichte hier schon mehrfach erzählt und war teilweise gezwungen, meinen Nick zu ändern, da ich die Beschimpfungen nicht aushielt. Ich versuche mich vor diesen Anfeindungen zu schützen, so verständlich sie auch sind, sie verletzen mich zutiefst und sie führen zu nichts. Hass ist niemals eine Antwort! Ich bin eine normale Frau mit normalen Fehlern und Schwächen, ich bin verletzlich! Dessen bin ich mir heute sehr bewusst. Ich versuche, nach all dem an meinem Selbstwert zu arbeiten und meine Achtung vor mir selbst zurück zu gewinnen. Ich war mir selbst in den vergangenen Jahren die schärfste Kritikerin, das kannst du mir glauben. Vielleicht setze ich mich deshalb noch immer in diesem Forum den verständlichen aber teils sehr heftigen Anfeindungen aus. Indem ich diese abwehre und entkräfte, gewinne ich eine neue Stärke, die mir hilft, mir endlich auch selbst zu verzeihen!
Liebe Grüße
Sally