Die längste Zeit meines Lebens war mein liebstes Werkzeug nicht mein Verstand (oder das, was davon übrig ist nach absurd viel miesem Fernsehkonsum, Danke Britt, Danke Vera, Danke Arabella). Es war auch nicht meine Intuition, dieser kleine, sanfte Faden, an dem wir entlang gehen können. Mein liebstes Werkzeug war die Brechstange.
Wenn ich etwas wollte, musste es passieren. Und zwar am besten gestern. Dachte ich jedenfalls. Also ackerte ich, schob Nachtschichten, gab GAS, biss mir Zähne aus. In der Schule, in der Ausbildung, auch in privaten Angelegenheiten (mag mich! lieb mich! komm zu mir!).
Ab und zu hatte ich auch Erfolge zu verzeichnen die dann nur keine echten waren, denn so erschöpft konnte ich sie nie genießen. Kraft- und zahnlos am Pokal nuckeln, das ist nicht gerade der Stoff, aus dem Instagram-Storys gemacht sind.
Nach zahlreichen Feldversuchen kann ich sagen: Das Gras wächst nicht schneller, wenn ich daran ziehe.
Und langsam lerne ich, die Dinge nicht mehr zu erzwingen. Ich lerne, ihnen Raum zu geben und will in diesen Raum nicht mehr mit der Brechstange eindringen.
Ich lerne, dass vieles einfach seine Zeit braucht und manches unsicher bleibt, vielleicht auch nie passiert. Leicht ist das nicht. Aber immer noch leichter als ein ewiges Kämpfen und Verzweifeln, Wand gegen Kopf, Mensch gegen Universum.
Ich lerne, dass was kommen soll, kommt. Wenn ich wirklich bereit dafür bin, wenn es dafür bereit ist, wenn es passt, wenn es richtig ist. Und so oft war der größte Haufen sch. am Ende der Dünger für das Beste und Schönste.
Ich lerne, dass wer gehen will, geht. Reisende sollte man nicht aufhalten, denn nichts ist kälter als ein Mensch, dessen Herz an einem anderen Ort schlägt, weit weg von hier, von mir.
Ich lerne, meinen Wünschen weniger hinterherzurennen. Denn was vor mir davonläuft, ist wohl nicht für mich gedacht. Und wer zu viel will, der steht am Ende meistens mit leeren Händen da wie ein betrunkener Spieler im Cas., ein bisschen Glück gehabt und dann alles verzockt, alles verbockt und nun der größte Kater aller Zeiten.
Ich lerne, dass mich finden wird, was mich finden soll. Bis dahin kann ich mich auch mal zurücklehnen, auch mal zurückdrehen das Tempo. Denn wer zu angestrengt sucht, der findet meistens gar nichts. Hundert Dates, Tausend zurechtgelegte Worte, noch mehr Unsicherheit und null Liebe. Bis sie plötzlich da ist, ganz woanders herkam, und kein Profil mehr verschönert, kein Wort mehr zurechtgelegt, keine Frage mehr beantwortet werden muss.
Ich lerne, meinen Versuch der Kontrolle aufzugeben, die ich nie hatte. Nicht alle Antworten haben zu müssen, nicht den Fahrplan für die gesamte Strecke zu kennen. Und ich will lernen, das Leben mehr als Freund zu sehen, der mir Gutes will, nicht als Feind, vor dem ich mich verstecken muss, mit offenen Augen schlafend, die Hand nie zu weit weg von der Waffe zur Selbstverteidigung.
Ich lerne, geduldiger mit mir selbst zu sein. Nicht mehr so viele Pläne zu schmieden, die höchstens ein Roboter erfüllen könnte. Mir Fehler zu verzeihen, die neuen und die alten und draus zu lernen. Zu sehen, dass ich tue, was ich kann, mit dem, was ich habe. Das kommt mir oft zu wenig vor, doch was ändert das schon.
Ich lerne, dem Fluss des Lebens zu folgen, statt ihn biegen oder anhalten zu wollen.
Langsam zwar, doch auch das ist einfach, wie es ist.
14.09.2017 09:37 •
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