Lang gekämpft und doch verloren

A
Hallo ihr alle,
ich lese mich schon eine Weile hier durch's Forum und muß sagen, daß es mir wirklich sehr hilft zu wissen, daß ich nicht die einzige Verrückte bin. Mir macht meine innere Spaltung sehr zu schaffen. Im Kopf zu wissen, daß es es besser ist, daß es vorbei ist, aber immernoch dieses Gefühl zu haben, ihn nicht gehen lassen zu können.
Ich fühle mich wie der Vogel im Käfig, dem man die Tür geöffnet hat, aber keine Lust hat rauszufliegen.
Das letzte Jahr war ein großer Kampf, er hat mich viel Kraft gekostet, aber ich dachte, ich könnte den Kampf gewinnen, und habe sämtliche Zeichen die dafür sprachen stärker gewichtet, als die bittere Realität.
Ich lernte X vor vier Jahren kennen. Nach längerem wortlosen Flirten hab ich ihn einfach angesprochen, wir trafen uns und waren sozusagen sofort ein Paar. Sehr schnell ist er dann bei mir, meinem Sohn und meinem Mitbewohner eingezogen. Zuerst behielt er noch seine Wohnung, aber als dann mein Mitbewohner etwas überraschend auszog, gab X seine Wohnung auf, und wir wohnten wie eine kleine Familie zusammen. Etwas ungewohnt und ungeplant, aber es war halt bequem und sparte Geld.
Es gab auch keinen Streß zwischen ihm und meinem Sohn.
Einen Winter lang war er arbeitslos und besorgte den Haushalt. Ich war ziemlich eingespannt, ging wieder zur Schule, musste arbeiten und mich auch um mein Kind kümmern.. hatte wenig Kopf für anderes.
Als er wieder zu arbeiten begann, war der Haushalt wieder mehr meins.
Er wurde immer unzufriedener, denn er hatte keinen eigenen Raum. Die Wohnung war ja meine und die Struktur und das Leben waren von mir vorgegeben.. ich hatte nie das Gefühl ihn zu dominieren, aber er fühlte sich zunehmend unwichtiger, machtloser und wollte Veränderung. Ich wehrte mich dagegen, wollte erst meine Ausbildung fertig machen und keine zusätzliche Arbeit. Ich wünschte mir mehr Unterstützung von ihm, und er wünschte sich mehr Raum. Wir waren beide zu harmoniesüchtig und egoistisch um das Leid des anderen zu erkennen.
Als wir irgendwann begannen die Wohnung zu renovieren und umzustrukturieren war er schon nur noch halbherzig dabei. Als wir eine Paartherapie begannen wurde in wenigen Sitzungen immer deutlicher, wie stark sein Wunsch nach eigenem Raum war, und nach Alleinsein und Abgrenzung.
Es war schmerzhaft, fürchterlich, ich fühlte mich im Stich gelassen!
Er zog dann aus, erst zur Untermiete, nach einzwei Monaten hatte er was eigenes gefunden und holte nach und nach sein Zeug.
Der Kontakt brach nie ab. Wir trafen uns weiterhin in aller Freundschaft, waren irgendwie trotzdem füreinander da. Wir redeten viel miteinander, über unsere Fehler, unsere Missverständnisse.. wie alles so kommen konnte usw. Aber Fakt ist, daß ich immer zurück wollte in die Beziehung, und er aber nicht.
Irgendwann wurde unsere Freundschaft wieder etwas körperlicher, das gab meiner stillen Hoffnung neues Futter. Ich war also doch noch attraktiv für ihn!
Das lief dann über ein halbes Jahr so. Wir trafen uns ein bis zweimal die Woche, gingen ins Kino oder er kochte für mich und wir guckten DVD genossen Zweisamkeit. So wie man sich den Beginn einer Beziehung vorstellt.. eine Phase, die wir ja übersprungen hatten.
Aber für ihn war es dennoch kein Neubeginn, eine neue Beziehung mit mir konnte er sich nicht vorstellen. Ich gab mich zufrieden, mit dem was ich hatte, meine Angst ihn komplett zu verlieren war größer als mein Bedürfnis nach Beziehung.
So ging das ganz mit einigen aufs und abs. Jeder hatte die Verantwortung für sich selbst, keiner sollte dem anderen gegenüber ein schlechtes Gewissen haben. Ich lebte mein Leben, er seins. Wir telefonierten viel, sahen uns einigermaßen regelmäßig bis irgendwann das unvermeidliche passierte:
Es war Ende Januar, und ich merkte mal wieder, daß er mich auf Abstand hielt. Ich stellte ihn direkt am Telefon zur Rede, und er gestand, daß er jemanden getroffen hat, vor zwei Wochen..
Tja, und schon war ich im Club!
Seither haben wir uns nur einmal kurz gesehen. Er wollte mir etwas bringen, zum Glück trafen wir uns zufällig auf der Straße (er wohnt nicht in meinem Kiez.. das war schon ein merkwürdiger Zufall. Er nahm mich in den Arm, küsste mich auf den Mund, wir sprachen paar Sätze, drückten uns nochmal ganz feste und dann ging jeder seiner Wege..)
Er rief noch zwei oder dreimal an, es lagen immer einige Tage dazwischen, danach ging es mir kurzzeitig immer etwas besser, aber der Absturz danach war jedesmal beschissen. Er hat das, denke ich, auch gemerkt, daß es nicht gut für mich ist, wenn er anruft. Und jetzt habe ich ihn schon seit fast drei Wochen nicht gesprochen.
Es geht mir langsam besser. Ich habe eine ruhige Zeit, lese viel und spiele mit meinem Sohn, gehe spazieren...
aber immer wieder überfällt mich die Sehnsucht, die Trauer und der Schwermut.. ich wünschte, es ginge schneller vorbei! Mein Kopf ist so schlau, ist er immer gewesen, aber mein Herz ist ein echtes Weichei und denkt sich immer wieder Szenarien aus wie alles wieder gut wird..

Uff, geschafft.. auch wenn mein Geschreibsel schwierig nachzuvollziehen ist, ich denke, es hilft, das mal so kurz aufzuschreiben..

Ich wünsche uns allen den baldigen Frühling herbei!
Alchemilla

26.02.2013 11:19 • #1


D
Hallo Alchemilla,

ich kann dich sehr gut verstehen und dein Geschreibsel ist für mich keineswegs schwer nachzuvollziehen.

Im Moment habe ich leider nicht die Zeit ausführlicher zu schreiben. Vielleicht schaffe ich es heute Abend.

Ich befinde mich derzeit noch in dem Kampf von dem du geschrieben hast. Bin mitten drin, mit all den Wünschen, Hoffnungen und auch etwas Zuversicht. Doch habe ich auch Angst diesen Kampf doch zu verlieren.
Ich weiß nicht was noch passieren wird. Wird alles gut oder geht alles den Bach runter?
Diese Zeit ist so furchtbar und kostet so wahnsinnig viel Energie.
Auch mein Kopf ist eigentlich so schlau, aber auch mein Herz ist so weich.
Verdammt, was wird nur werden...

Ich hoffe ich habe später etwas mehr Zeit dir zu schreiben.
Bis dahin Kopf hoch. Ich versuche es auch

LG
Det

26.02.2013 11:47 • #2


A


Lang gekämpft und doch verloren

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A
Hi Det,
es ist doch unglaublich wieviel Leid man so aushalten kann, und man täglich selbst dafür sorgt, daß es nicht aufhört..
aber ich musste meinen Weg so gehen, und würde es wahrscheinlich wieder so tun (naja, etwas modifizieren tät ich ihn schon)..
Es tut gut sich mit anderen Gestörten auszutauschen! Die ganze Geschichte dauert einfach schon zu lang, um sie den Freunden ständig wieder vorzujammern..

26.02.2013 21:34 • #3


A
willkommen

Zitat von Alchemilla:
Mein Kopf ist so schlau, ist er immer gewesen, aber mein Herz ist ein echtes Weichei und denkt sich immer wieder Szenarien aus wie alles wieder gut wird..


ich glaube eher, es ist umgekehrt, dein herz kennt die wahrheit, es liebt einfach - alles was ist.

dein kopf/ego ist noch mit angst besetzt und diese ist es, die dein herzleid auslöst.

da kannst du mal schauen was in dir ist, dass dich solange glauben und festhalten lies obwohl du es schon längst anders spürtest, das mehr als freundschaft nicht mehr möglich war.

es ist in ordnung trauer und sehnsucht zu haben, nur schwermut tut dir nicht gut.

schwer - mut ... zu haben für etwas neues weil du noch festhälst, das macht dich unfrei. mut aufbringen bedeutet nicht keine angst zu haben, sondern mit der angst etwas zu wagen.

ein pro-blem zu haben spricht immer für dich, denn so kannst du deine themen anschauen und auflösen, dich aus deinen inneren verstrickungen lösen lernen.

welchen schmerz kannst du nicht zulassen und wirst deshalb schwermütig ?

26.02.2013 22:13 • #4


D
Hallo Alchemilla,

schau mal in deinen Posteingang. Ich hab dir eine pn geschickt...

27.02.2013 08:11 • #5


A
Danke Alena,
ja, ich weiß schon, daß du Recht hast.. du bist auch nicht die Erste die mir das sagt, daß der Schmerz tiefer liegt.. irgendwo in meinen Verstrickungen (ja, ich war auch schon bei Therapeuten..)
Aber ich weiß trotzdem nicht, was ich damit machen soll. Es fühlt sich manchmal wirklich existenziell an, und über den Kopf komm ich nicht dahin es aufzulösen..

27.02.2013 08:51 • #6


A
Ach Alena, jetzt ist noch ein Stück Groschen nachgefallen!
Also deine Hypothese, daß das Herz schlau ist, und mein Kopf die Probleme macht.. damit kann ich was anfangen. Zumindest kullern die Tränen sehr zahlreich, und doch fühlt es sich gut an!
Es ist irgendwie, als hätte ich das auch schon gewusst..
der Indianer kennt den Schmerz, aber wie geht er damit um?

27.02.2013 10:43 • #7


A
Zitat von Alchemilla:
der Indianer kennt den Schmerz, aber wie geht er damit um?
totale annahme der gedanken, gefühle ! lieben was ist! dein herz dafür-für dich selbst öffnen, in dich hineinspüren - es ist alles noch da - nur zugeschüttet, das darfst du befreien.

es laufen sehr wahrscheinlich noch alte denkprogramme ab, die mit den gefühlen verknüpft sind - was du irgendwann mal 21 mal, aufgrund deiner alten erfahrungen, gedacht hast, manifestiert sich in deinem unterbewusstsein.
vielleicht : ich bin es nicht wert ... nicht gut genug ... ich bin allein, ich schaffe es nicht ... ich kann das nicht .... etc.

finde heraus was es bei dir ist.

wahrheit erleichtert - lüge tut weh - weil der glaubenssatz oft gegen sich selbst gerichtet ist.

27.02.2013 11:53 • #8


A
Inzwischen ist viel mit mir passiert, heute ist der Tag, an dem ich mal wieder schreiben will, denn morgen werde ich X treffen. Zum ersten Mal seit dem einen kurzen Zusammentreffen. Zwischendrin hatte er mich einmal angerufen.. danach ging es mir wieder etwas schlechter.

Ich habe die Zeit genutzt, anfangs viel hier im Forum gelesen, das hat mich sehr gestützt, und allmählich konnte ich mich wirklich auf meinen eigenen Prozess des Loslassens einlassen.
Ich hab Bücher gelesen, zu Hause gehockt, mit meinem Sohn gespielt, gehäkelt und langsam Stück für Stück konnte ich mich mit meiner Trauer auseinandersetzten. Ja, es ist wirklich wichtig hinter den Schmerz zu gucken. Die Trauer und alles was da kommt anzugucken und anzunehmen. Manchmal habe ich mir meine Trauer als silbrig-graues Wesen vorgestellt, daß ich wie ein Baby im Arm halte.. kaum zu glauben, das half, und hilft immernoch manchmal.

Es gab viele Aufs und Abs, aber der Trend geht eindeutig nach oben.
Manchmal komm ich nicht aus'm Knick, und manchmal muss ich bei Kleinigkeiten weinen, aber ich verrate euch meine Tricks, die mir helfen.
1. Akupunktur, 2. Gymnastik, 3. ein Baby im Arm halten.. ich kann euch sagen, niemand versteht einen frisch Getrennten besser als ein Neugeborenes.. der Zustand des Neugeborenseins ist ähnlich beschissen wie nach einer (unfreiwilligen) Trennung. ...und wir machen beide Fortschritte
4. Lesen
5. ich habe mich zum Tangotanzen angemeldet.


Aber vor Morgen habe ich ein bisschen Angst. Ich kann's noch absagen, aber ich denke, ich will da jetzt durch.
Tief atmen. Das geht immer und überall. Einatmen. Ausatmen. Danke Alena, und danke BG. Ihr habt mich, ohne es zu wissen, bis hierhin begleitet. Und ich werde euch weiterlesen!
Alchemilla

13.04.2013 20:37 • #9


A
Ich hab's überstanden. Es war fast gar nicht schlimm. Weder sah er besonders toll aus, noch hat er sich irgendwie überraschend weiterentwickelt. Es war, glaube ich, kein Fehler ihn zu treffen. Wir haben uns nett unterhalten, ich glaube er war sehr angetan von mir... aber er ist ja jetzt vergeben, und von dem her, gab es für mich auch keine Versuchung zu flirten. Ach herrlich!
Nach anderthalb Stunden bin ich wieder abgezwitschert, zum Tangotanzen, und das tat sehr sehr gut.
Vielleicht kommt noch mal eine große Traurigkeit, aber ich glaube, damit werde ich umgehen können.
Wo Angst ist, ist keine Liebe. Meine Ängste guck ich mir Stück für Stück an. Und was sie mir sagen wollen, hör ich mir an. Und dann ist gut.
Der Frühling ist da!

14.04.2013 21:58 • #10


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