Freitag
Seit meinem letzten Foreneintrag sind einige Monate vergangen. Heute habe ich mal wieder das Bedürfnis, meine Gefühlswelt niederzuschreiben.
Die letzten Monate waren eine reinste Gefühlsachterbahn. Ich habe wirklich ALLES gefühlt, vor allem die hässlichen Dinge. Jeden Tag war ein Kampf, in dem ich mit meinen Glaubenssätzen und meinen negativen Gefühlen gekämpft habe. Jeden Tag bin ich aufgewacht mit den Gedanken Du bist nicht gut genug, um geliebt zu werden, du bist nichts wert. Vor allem die letzten 3 Monate waren unglaublich schlimm, und ich wusste nicht mehr, wie ich dort rauskommen sollte.
Aber was soll ich sagen, das Jahr hat schöner begonnen, als es zu Ende gegangen ist. Ob man es glaubt oder nicht, aber ich treffe seit einigen Wochen wieder jemanden. So hoch, wie ich meinen Ex empor gehoben habe, hätte ich nicht gedacht, dass mich ein Mann in der nächsten Zeit noch mal irgendwie berühren könnte. Dass ich noch mal jemanden treffe, der begeistert von mir ist, mich so kennenlernen möchte, wie ich bin, der sich Zeit für mich nimmt und mir das Gefühl gibt, seine Zeit auch wert zu sein. Der mir Nähe gibt, ohne dass ich quasi darum betteln muss. Einfach, weil er mich gern hat. Jemand, der mich fragt, ob ich lieber meine Ruhe oder Zuneigung möchte, wenn ich Unterleibschmerzen habe, und dann abends angefahren kommt, mich in eine Decke wickelt und mit mir eine Geschichtsdoku schaut. Er hat seinem besten Freund davon erzählt, dass wir uns gerade kennenlernen, ihm letzte Woche ein Bild von uns beiden geschickt. Er sagt, dass er glaubt, dass ich ein herzensguter Mensch sei. Dass ich ihn manchmal so warmherzig anlächeln würde, wenn er neben mir sitzt, und dass sich das bei ihm eingeprägt hat. Er macht mir solche Komplimente und meint damit wirklich MICH. Nicht mein Aussehen oder meine Figur, sondern einfach nur mich. Ich stand am Anfang auf der Bremse, aber ich merke immer mehr, wie gerne ich ihn habe und wie gut er mir tut. Ich liebe es, viel Zeit mit mir zu verbringen, alleine zu sein, aber ihn würde ich mittlerweile am liebsten alle 2 Tage sehen, wenn nicht sogar jeden Tag. Er ist so aufmerksam und lieb, witzig und tiefgründig, und ich frage mich andauernd: Womit habe ich das verdient? Das kann niemals gut gehen. Das dicke Ende kommt noch, mal wieder.
So sehr ich es genießen möchte, die Angst in mir drin wird größer und größer. Heute sitze ich zu Hause und merke, dass ich ihn vermisse. Und das löst unglaubliche Panik in mir aus, denn das heißt, dass ich auf dem guten Weg bin, Gefühle zu investieren. Das heißt, dass ich mich verletzlich mache. Dass ich mich irgendwann vielleicht wieder abhängig mache. Und in den Szenarien, die ich im Kopf habe, wird er irgendwann das Interesse an mir verlieren oder sich anderweitig verlieben.
Ich war vorgestern das 1. Mal bei ihm zu Hause, und es war einfach nur schön. Ich habe mich hinterher getraut, mich ein wenig mehr zu öffnen, ihm von meiner Familie zu erzählen, Schwäche zu zeigen. Auf Anraten meiner Therapeutin habe ich ihm auch klar gemacht, dass ich für eine Affäre oder Freundschaft Plus oder so etwas nicht zu haben bin. Er meinte, das hätte er auch nicht im Sinn gehabt. Als er mich nach Hause fuhr, hatte ich Angst, dass es etwas zwischen uns ändert, aber alles scheint gut zu sein.
Und trotzdem habe ich Angst, denn ich kann nicht mehr unterscheiden zwischen einem berechtigten schlechten Bauchgefühl und meiner inneren Panik, mal wieder nicht auszureichen. Ich hätte ihn heute so gerne gefragt, ob wir den Abend nicht zusammen verbringen wollen. Aber das würde zu sehr zeigen, wir gern ich ihn hab, wie gerne ich ihn um mich hab. Und ich hab so große Angst, dass wenn ich ihm zu sehr zeige, wie sehr ich ihn schon mag, dass er mir irgendwann davonläuft. Was ist, wenn er Nein sagt? Was ist, wenn er langsam anfängt, genug von mir zu haben? Wenn er merkt, dass ich gar nicht so toll bin, wie er am Anfang geglaubt hat? Ich warte förmlich darauf, dass er sich langsam zurückzieht und irgendwann sagt, dass er mich nicht mehr treffen möchte. Dabei muss ich ja selbst herausfinden, ob es für mich überhaupt irgendwann für mehr reicht. Jetzt versuche ich, mich zurückzuhalten, die Distanz zu wahren, bis zu unserem nächsten Treffen am Mittwoch auf dem Boden der Tatsachen zu kommen. Ich weiß, wie ich mich verhalte, ist nicht optimal. Aber ich merke, dass ich gar nicht weiß, wie das geht, ein gesundes Kennenlernen. Ein Kennenlernen mit Leichtigkeit und irgendwann Schmetterlinge im Bauch. Meine Angst hat mich momentan fest im Griff.
Aber so oder so, unabhängig davon, was und ob etwas aus uns wird: Ich bin wirklich froh, mir erlaubt zu haben, auch mal andere, positive Erfahrungen zu machen. Und so langsam, ganz langsam, aber immerhin, realisiere ich, dass ich ein wenig mehr verdient habe als das, was mein Ex mir geben konnte oder wollte.
28.01.2022 18:46 •
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