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Krise & Affäre

B
Liebe Leute,
ich habe dieses Forum gestern erst entdeckt und viel (stumm) mitgelesen. Ich hoffe, es ist in Ordnung, dass ich euch meine Geschichte hier schreibe, leider wird es lang . ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mir etwas helfen könntet, mich selbst und die ganze Situation besser zu verstehen.
Ich fange mal chronologisch an. Die letzten mindestens eineinhalb Jahre waren sowohl beruflich (Wechsel des Berufsfeldes, nicht nur des Berufs) als auch gesundheitlich (Krebsdiagnose, mittlerweile geheilt, aber mit Spätfolgen) sehr fordernd. In dieser Zeit haben meine Frau und ich uns auch noch ein Haus gekauft (meine Frau hat schon immer von einem eigenen Haus geträumt, für mich war es in erster Linie eine Vernunftentscheidung) und eine schon vor der Krebsdiagnose begonnene Kinderwunschbehandlung fortgesetzt - obwohl ich das eigentlich alles gar nicht mehr richtig durchdacht, sondern einfach nur noch funktioniert habe. Ich habe - das ist bei mir schon immer so - immer die Zähne zusammengebissen und einfach weitergemacht. So hat sich viel angehäuft.
Ich kann nicht sagen, dass meine Frau meine Nähe nicht mehr wollte (wie es vielen hier ging), aber unser S. ist im Laufe der Zeit doch etwas eingeschlafen und ich habe meiner Frau irgendwann aufgehört zu erzählen, was in mir vorging - z. T. weil ich das Gefühl hatte, dass sie damit nicht viel anfangen konnte und eher genervt davon war oder weil sie immer schnell Lösungen vorgeschlagen hat, die oft nicht zu mir passten, dann aber genervt war, wenn ich ihre Vorschläge nicht umgesetzt habe. Das soll aber nicht nach Vorwurf klingen, wir ticken an manchen Stellen einfach sehr unterschiedlich, teilen aber andererseits viele Hobbies und haben ähnliche Vorlieben.
Ende letzten Jahres kam es dann - aufgrund der ganzen Belastungen bisher und einer akut dazukommenden Überlastung (stressige Zeit im Beruf, gleichzeitig Umbau des Hauses und Umzug, die Krebsgeschichte kam wieder hoch usw. usw.) - bei mir zu einem Zusammenbruch, nach dem nichts mehr so war wie vorher. Ich war komplett am Boden und hatte das Gefühl, dass ich mein Leben umkrempeln muss. Zu der Zeit hatte ich begonnen, mit einer ehemaligen Kollegin (wir haben vor ca. 12 Jahren zusammengearbeitet und uns zwischendurch fast nur zum Geburtstag geschrieben, wir mochten uns aber damals schon, es ist aber nie was gelaufen - aber den Kontakt haben wir nie ganz abreißen lassen) regelmäßigeren Kontakt zu haben. Daraus wurde schnell mehr, ich hatte das Gefühl, wenn ich mich ihr öffnete und von meinen Gefühlen und Problemen berichtete, dass sie immer die richtigen Antworten hatte, mich aufbaute und mir neue Perspektiven gab. Wir gestanden uns unsere gegenseitigen Gefühle - und haben uns irgendwann auch getroffen, geküsst, tief in die Augen gesehen. und uns verliebt. Warum ich das gemacht und zugelassen habe? Ich habe mich (wie wohl jeder) auch schon früher zu anderen Frauen hingezogen gefühlt, war auch nicht immer glücklich in unserer Beziehung (die schon lange Jahre andauert, fast 20 Jahre sind es - ich bin jetzt knapp über 40, also mein halbes Leben. ), aber habe es im Endeffekt immer vermieden, es weiter gehen zu lassen, weil ich meine Beziehung doch immer noch wichtiger fand. Diesmal hat es schlicht nicht funktioniert. Und das für mich Unbegreifliche und wirklich Schlimme ist: Ich kann es grundsätzlich nicht bereuen, dass ich es habe so weit kommen lassen. ich bereue nur, dass ich meine Frau angelogen habe über die meine Gefühle zu dieser anderen Frau und dass ich ihr nicht mehr Respekt erwiesen habe (denn auch im Austausch mit der anderen Frau habe ich Themen mit meiner Frau nicht ausgespart. das tut mir im Nachhinein wirklich leid).
Ich habe die Affäre selbst meiner Frau nicht erzählt, aber ich hatte begonnen (die klassische Salamitaktik, nie gut. ) zu erzählen, dass mir in meiner Krise klar geworden ist, dass ich auch mit unserer Beziehung hadere. Sie hat natürlich Lunte gerochen und hat Teile meiner Kommunikation mitgelesen. Da war natürlich die Katze aus dem Sack und seither ist es sehr konflikthaft zwischen uns und auch z. T. sehr unschön. Leider klappt es kaum noch, über unsere Beziehung und die Gründe für die Affäre zu sprechen - das interessiert meine Frau auch viel weniger als Details der Beziehung zu der anderen Frau (was ich auch verstehen kann, es ist nur schade). Ich habe mich nun erstmal im Haus zurückgezogen, wir gehen momentan mehr oder weniger jeweils eigene Wege, damit wir beide etwas Freiraum haben. Ich kämpfe gerade noch mit den Nachwirkungen meiner persönlichen Krise - und mit dieser Ehekrise hier jetzt auch.
Meine Frau leidet natürlich, weil ich keine klaren Aussagen machen kann, wie es weitergeht. Sie möchte sehr schnell komplette Klarheit. Ich möchte eigentlich gerne bei ihr bleiben und hier ein Leben in unserem Haus mit ihr aufbauen WOLLEN (weil ich eigentlich so bin), aber ich weiß nicht, ob das wirklich gut funktionieren kann. Gleichzeitig kann ich auch die AF nicht vergessen - sie hat mir sehr geholfen, hat mich aufgebaut und selbst nichts dafür verlangt. Ich will nicht den Quatsch von Seelenverwandten erzählen, aber wir sind in vielem auf einer Wellenlänge. Körperlich finden wir uns auch attraktiv, sofern das überhaupt eine Rolle spielt.
Sie ist aber selbst verheiratet und hat Kinder und möchte ihre Familie nicht im Stich lassen; das war zwischen uns beiden sehr schnell klar.
Ich habe das Gefühl: Eigentlich müsste ich mich jetzt entscheiden und danach handeln - aber wie kann ich mich entscheiden! Will ich eine Beziehung retten, an der ich definitiv hänge, aber die für mich bisher schon nicht konfliktfrei und nicht immer ohne Enttäuschungen war (die ich meistens runtergeschluckt statt ausgetragen habe, muss ich selbstkritisch anmerken)? Will ich mich trennen, alleine sein (keine Horrorvorstellung für mich, aber auch kein Wunschtraum) und alles aufgeben, was wir uns hier aufgebaut haben? Will ich darauf hoffen, dass die andere Frau sich doch irgendwann aus ihrer Familie verabschiedet für mich - immerhin sagt sie, dass sie ihren Mann nicht mehr wirklich liebt, mich hingegen schon?
Hinzu kommt, dass meine Frau vor vielen Jahren eine rein virtuelle Affäre hatte, in die sie sich auch wirklich verliebt hat. Die beiden haben bis heute Kontakt, allerdings nur noch freundschaftlich, ich kenne ihn auch und wir sind mittlerweile befreundet (ja, klingt irgendwie irre). Ich bin damals nicht gegangen, es hätte aber nicht viel gefehlt. Körperlichkeiten gab es zwischen den beiden allerdings - nach ihrem Bekunden - nie, außer einem Kuss. Ich hatte zwischenzeitlich gehofft, dass meine Frau aufgrund dieser Erfahrungen etwas Verständnis für mich hätte, das war aber nicht der Fall. War vielleicht auch naiv.
Ich freue mich über Eure Gedanken, auch auf Nachfragen antworte ich gerne - das kann mir alles nur weiterhelfen.

22.04.2020 17:33 • #1


Lilli70
Lieber Bruchpilot, herzlich willkommen! Das Beste ist jetzt natürlich Abstand. Jeder muss seine Gedanken ordnen und die Emotionen müssen runtergefahren werden. Leichter gesagt, als getan. Wenn du deine Ehe wirklich retten möchtest, musst du die AF beenden. Und dich auf eure Baustellen konzentrieren, die nicht wenig sind. Das ist viel, viel Arbeit, und wahrscheinlich auch nur mit professioneller Unterstützung möglich. Ich denke du hast einen Burnout. Machst immer weiter, obwohl gar nichts mehr geht, und der Frieden in der Ehe wiederhergestellt ist. Es musste der Punkt kommen, wo du auch mal an dich denkst. Deine AF ist verheiratet, hat Kinder, wird nach deiner Aussage die Familie nicht zerbrechen. Dann würde ich mich da zurückziehen. Oder ist die Liebe so groß? Du scheinst sehr Verantwortungsbewusst zu sein, das ehrt dich. Aber jetzt geht es auch mal um dich , und deine Frau will dich da gar nicht hinkommen lassen. Redet miteinander, holt euch Hilfe. Es gibt viele soziale Einrichtungen, wo man auch einen Kurztermin bekommt. Wenn noch Liebe da ist, schafft ihr es. Aber hier werden dir noch andere schreiben. Dich raus, was für dich passt. Alles Liebe:-)))))

22.04.2020 18:10 • x 2 #2


A


Krise & Affäre

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B
Liebe Lilli70,
wie gut das tut, Deine Worte zu lesen... Vielen Dank! Ob die Liebe so groß ist, weiß ich nicht genau, wir haben uns ja noch nicht öfter getroffen, Corona sei Dank... vielleicht ist das ja aber auch gut so. Aber ich habe sie die ganzen Jahre über nicht vergessen und sie mich auch nicht...damals war es in manchen Situationen knapp und als ich mit ihr zusammen war fühlte ich eine Ruhe und Sicherheit in mir wie schon lange Jahre nicht mehr. Ich will das aber nicht zu hoch hängen. Ich bedanke mich jedenfalls sehr für deine Ratschläge und werde sie mir jetzt weiter durch den Kopf gehen lassen! Sowie alles weitere, was ich hier von euch höre

22.04.2020 18:33 • x 1 #3


Kummerkasten007
Ich denke, mit der Krebsdiagnose wurdest Du über die Endlichkeit des Lebens aufgerüttelt.

Wenn es die Reisebeschränkungen nicht geben würde, würde ich Dir raten, mal für ein, zwei Wochen abzutauchen und in Ruhe nachzudenken.

Haben Du und Deine Frau schon über eine Paarberatung nachgedacht? Zumindest für Dich würde ich es empfehlen zum Gedanken und Leben sortieren, eine neutrale Person aufzusuchen.

22.04.2020 18:34 • x 2 #4


Gorch_Fock
Willkommen, Bruchpilot. Als ersten Tipp: Lies Dich mal in Affairen-Geschichten hier im Forum ein. Du wirst eins feststellen: Es bleibt ausser Leid und Zerstörung meist nicht viel übrig. Für keinen der Beteiligten. Wenn Du nicht mehr zufrieden bist in Deiner Beziehung, dann musst Du daran arbeiten oder sie beenden.
Erzähl mal mehr zum Thema Kinderwunschbehandlung. Wie alt ist Deine Frau bzw. wie lange versucht ihr es? Hier ist - aus eigener Erfahrung - ein großes Konfliktfeld angelegt, da die psychologischen Belastungen einer solchen Behandlung meist vollkommen unterschätzt werden.

22.04.2020 18:55 • x 3 #5


B
Liebe Kummerkasten007, lieber Gorch_Fock,

vielen Dank für Eure Rückmeldungen! Ich ergänze hier mal ein paar Infos: Ich bin in einer Therapie bzw. psychologischen Beratung, alleine schon wegen meines Zusammenbruchs (der Begriff burn out passt auch recht gut). Insofern habe ich einen externen Gesprächspartner, der mir auch eindringlich rät, mich auf mich zu konzentrieren und meine Denkmuster aufzubrechen. Daran arbeite ich.
Auch das Abtauchen hätte ich gerne ungesetzt, aber wie richtig angemerkt: gerade sehr schwierig.
Über Paarberatung haben wir nachgedacht, aber meine Frau ist da - wie ich selbst auch ein bisschen - schwankend. Erst hat sie es komplett und total abgelehnt, dann wollte aie es unbedingt und am besten sofort - jetzt nicht mehr. Dazu gab es durchaus Vorfälle, aber ich glaube, so richtig will sie das nicht.
Zur KiWu-Behandlung: Wir versuchen es seit ca. 5 Jahren, erst normal, dann über eine Klinik - und mittlerweile mit Spender, da ich seit der Erkrankung das Problem bin.

22.04.2020 19:01 • #6


Lilli70
Wegen der Paarberatung: ihr habt Angst, weil es da ans Eingemachte geht. Da kommen Sachen auf den Tisch, über die man am liebsten nicht sprechen möchte. Auch die virtuelle AM deiner Frau. Da habt ihr Schiss vor, kann ich auch verstehen. Aber darauf beruht Beziehung: Vertrauen! Und nur so geht es. Wie gesagt, sehr schmerzhaft, hat mir und meinem Mann aber wieder eine glückliche Ehe beschert. Bleibt dran!

22.04.2020 19:15 • x 2 #7


Gorch_Fock
Ich finds gut, dass Du dir prof. Hilfe an die Seite geholt hast, Bruchpilot. Zur KiWu-Behandlung: Natürlich auch noch mal eine besondere Konstellation. Wenn Deine Frau nun schwanger wird, bist Du biologisch nicht der Vater. Psychologisch auch nicht ganz ohne. Rechtlich wirst du aber alle Rechte und vor allem Pflichten haben. Gerade wenn Eure Beziehung schwankend ist, solltest Du dir das finanzielle Risiko was auf Dich zukommt, genau überlegen.
Noch mal zusammengefasst: Du wirst nicht biologischer Vater sein. Aber rechtlicher. Das heisst auch, dass Du im Falle einer Trennung Unterhalt für das Kind und mind. für die ersten 3 Lebensjahre des Kindes auch an Deine Frau zahlen. Durch die Ehe können sich auch nacheheliche Unterhaltspflichten ergeben. Umgang und Unterhalt sind zudem im deutschen Familienrecht zwei Paar Schuhe. Du solltest Dir dieser Punkte bewusst sein, wenn Du jetzt schon in solchen Konstellationen gefangen bist.

22.04.2020 19:22 • x 3 #8


B
Danke Euch, das sind sehr gute Überlegungen... insbesondere die rechtliche Seite hatte ich mir noch nicht so aufgedröselt. Das ist momentan aber ohnehin schwierig abzuschätzen, weil mich die Frage natürlich auch belastet, mit der biologischen Vaterschaft..... Die Eheberatung würde ich übrigens tatsächlich sofort angehen, wenn wir uns beide einig sind, dass wir es miteinander weiter versuchen wollen. Das wird jetzt wohl noch etwas Zeit zur Gewinnung von Klarheit brauchen... Ich muss auch zugeben, dass es mir gerade ganz gut gefällt, mehr alleine für mich zu sein und mehr Freiheit zum Nachdenken zu haben.

22.04.2020 19:33 • #9


Mienchen
Von mir auch ein Hallo. Du hast deinen Text sehr nüchtern geschrieben, da kann man sich selber aber gut reinversetzten u d halbwegs nachvollziehen, was deine Beweggründe sind oder waren.

Ich glaube, manche Menschen kommen an den Punkt, wo sie einfach nur raus wollen, sich frei fühlen wollen und empfänglich sind für andere Menschen.
In deinem Fall würde ich das Kapitel Affäre allerdings ruhen lassen.
Nimm es als Erfahrung mit und baue dir mit deiner Frau wieder ein schönes Nest.
Es klingt, als wenn du großen Respekt vor deiner Ehe hast, das kaufe ich dir ab und das tue ich hier nicht bei jedem.

Aber in eurem Fall würde ich es schade finden, wenn ihr auseinander geht, wegen Konflikten, die man vielleicht miteinander lösen kann.

Ihr habt viel erlebt miteinander, beendet die Konflikte und fangt dazwischen mit einem neuen Kapitel an.

Alles Liebe

22.04.2020 19:53 • x 4 #10


B
Hallo Mienchen, ganz lieben Dank für Deine Nachricht! Seine ersten Sätze sprechen mir tatsächlich aus der Seele...und das war sicher auch immer ein Knackpunkt in unserer Beziehung, dass ich mich eingeengt gefühlt habe - ohne auf meiner Freiheit zu bestehen. Meine Frau ist da anders gestrickt, für sie ist Freiheit in der Beziehung schnell verdächtig und nicht so gewollt...

22.04.2020 20:51 • #11


Lilli70
Das nennt man Bindungsangst, bei dir Verlustangst:-))))))

22.04.2020 21:57 • x 1 #12


B
Zitat von Lilli70:
Das nennt man Bindungsangst, bei dir Verlustangst:-))))))


Ja, könnte man wohl tatsächlich so sehen... Wobei ich mich eigentlich nie so bindungsängstlich gesehen habe, aber vielleicht ist da was dran...

22.04.2020 22:03 • #13


Lilli70
Sorry, aber ich denke eher sie ist bindungsängstlich, und du hast die Verlustangst. Aber ich bin kein Therapeut. Es wird spannend, Verlass dich drauf. Such nicht was nach Neuem, dass ist immer nur Verdrängung. Sarah Peyman sagt: liebe dich selbst, und es ist egal, wen du heiratest! Es ist immer ein Weg zu dir selbst. Wenn man das mit einem Menschen findet, der das mitgehen kann-dann ist das ein großes Glück. Das ist so selten, und darum wünsche ich es euch. Ich denke ihr habt die letzten Jahre euch vollständig verloren. Zuviele Krisen, aber das schweißt auch zusammen. Geht in die Therapie, das mit dem Kind kommt von ganz allein, wenn es mit euch stimmt, egal auf welchem Weg!. )))

22.04.2020 22:56 • x 2 #14


B
Den Satz kannte ich tatsächlich, aber ich bin noch nicht sicher, ob ich ihn für mich richtig verstehe... Aber wie kommst du denn bei mir auf Verlustangst? Da bin ich neugierig!

22.04.2020 23:06 • #15


A


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