Vorsicht langer Text Ich bin gespannt, ob ich die passenden Worte finde, um das auszudrücken, was ich rüberbringen möchte. Vorab: Es soll kein Jammerbeitrag werden, sondern ich möchte einen Einblick in die Gefühlswelt geben, wie es nach weniger als einem Jahr bei mir aussieht. Und würde mich freuen, zu lesen, wie es bei anderen aussieht. Denn der Großteil der Mitglieder hier schreibt wohl nur in der Akutphase direkt nach der Trennung, aber kaum noch, wenn sie sich auf dem Weg der Besserung oder über dem Berg befinden. Vielleicht kann dieser Thread also dabei helfen, Methoden zu sammeln, Erfahrungen auszutauschen und somit Schritt für Schritt weiterzugehen und die Gedanken hinter sich zu lassen, die uns im Hier und Jetzt schaden oder nicht gut tun.
Eins vorweg: Wenn mich jemand fragen würde: Wie geht es dir? würde ich ehrlich antworten mit: Gut - nicht immer, aber immer öfter.. Bis hierhin war es ein langer Weg, der auch definitiv noch nicht vorbei ist. Ein Weg, von dem ich niemals gedacht hätte, ihn gehen zu müssen. Aber nach all den extremen Hürden, Schwierigkeiten, dem Gefühlschaos und den verschiedensten Phasen, die wohl jeder hier in unterschiedlichen Ausprägungen kennt, kann ich sagen, dass es mir eigentlich gut geht. Ich möchte hier aber auch ein wenig darauf eingehen, dass es eben nicht ausschließlich gut ist (wie bei wohl fast jedem Menschen) und die tristeren Momente mit euch teilen. Zum einen, um einfach zu zeigen, wie mein Weg verläuft und zum anderen, um zu verstehen, wie es bei euch läuft. Ich freue mich auf den Austausch.
Wenn ich zurückblicke, sind nun 9 Monate seit der Trennung vergangen. Für viele Außenstehende ist die Trennung wohl abgehakt und ich bin mir ziemlich sicher, dass viele nicht nachvollziehen könnten, wenn ich sage, dass ich noch immer täglich daran denke. Manch einer kann schneller abschließen, manch einer hatte nie eine so lange Beziehung, die zerbrochen ist oder hat vielleicht noch nie eine Trennung durchlebt. Von daher versuche ich, wenig auf diese Tipps und Einschätzungen von außen zu geben. Auch flapsig nebenher gesagten Fragen wie: Wann lernst du denn wen neues kennen? versuche ich, wenig Bedeutung beizumessen.
Täglich daran denken - was bedeutet das eigentlich? Ich kann hier keine genauen Szenen oder Situationen nennen. Es ist eher teilweise wie eine Art Schleier, der die ganze Trennung mit all ihren Facetten beschreibt. Das können gemeinsame Erlebnisse, die Phase des Kennenlernens oder alltägliche Dinge, aber auch einfach die Gewohnheit und das persönliche Empfinden während dieser Zeit sein. Im Großen und Ganzen also eigentlich all das, zu dem immer gesagt wird: Es ist so wichtig, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und nach vorne zu blicken.
Ich bin mir all dessen sehr bewusst und die Erinnerungen in meinem Kopf werden immer weniger und vor allem weniger schmerzhaft. Das kann ich mit vollster Überzeugung sagen. Und dennoch gibt es sie. Vor allem morgens oder abends, wenn man mal alleine ist.
Was mich weiterhin am stärksten belastet und was ich aktuell noch einzuordnen und nachzuvollziehen versuche, ist folgender Aspekt:
Wenn ich die letzten 9 Monate betrachte, ist unfassbar viel passiert. Die Trennung im Lockdown und die anschließenden drei Monate kann man fast ausklammern, da dort einfach nichts möglich war. Betrachten wir also die letzten 6 Monate: Ich habe ein neues Hobby gefunden, welches ich sowohl mit Freunden als auch alleine ausführen kann und in welches ich mich sehr reingefuchst habe. Es bereitet mir große Freude. Ich habe sehr viel mit Freunden unternommen und dadurch auch meinen Bekanntenkreis erweitern können. Ich war in Urlauben. Ich habe Ausflüge gemacht - mit Freunden und alleine. Ich habe gute Zeiten auf Arbeit und unternehme auch privat etwas mit einigen Kollegen. Ich mache viel Sport. Leider gab es auch einen familiären Todesfall.
Es ist wirklich viel passiert, neue Erinnerungen sind geschaffen worden und ich glaube, ich habe mich gut entwickelt und genau das Richtige getan. Das, was mir guttut, was mir Spaß macht - teilweise wurde ich, vor allem zu Beginn, ein wenig dazu gedrängt, aber das war auch wichtig und richtig. Inzwischen weiß ich, was mir gut tut und was nicht.
UND DENNOCH - und jetzt kommt das ABER: Obwohl so unfassbar viel passiert ist, gibt es Momente, in denen ich das Gefühl habe, dass all das gar nicht stattgefunden hat - dann kommen mir Erinnerungen und Erlebnisse in den Kopf (von Urlauben vor einem / 2 / 5 Jahren) in den Kopf, die sowas von real wirken. Beispiel: Ein Restaurauntbesuch mit Ex vor 5 Jahren wirkt viel viel näher an heute als ein Restaurantbesuch mit sehr guten Freunden vor einem Monat. Ich versuche, die Gedanken wegzuschieben und sie werden auch schwächer. Ich werde dadurch nicht mehr krass zurückgeworfen, aber dennoch tut es weh. Denn in diesen Momenten realisiert man irgendwie wieder aufs Neue, dass es eben nicht mehr so ist, wie es gerade im Kopf wirkte. In diesen Momenten realisiert man, was man alles verloren hat und es kommen Gedanken wie:
Warum eigentlich? Es ging uns doch gut, wir hatten so viele gute Zeiten, Insider, gemeinsame Geschichten, wir haben viel gesehen, erlebt und auch noch ganz konkret vorgehabt und wir haben uns über viele Jahre etwas aufgebaut, was schön war und sich richtig angefühlt hat. Und das ist weiterhin hart und ich frage mich ganz ehrlich, wann und wie das vorbeigeht (wenn es denn vorbeigeht?). Man fragt sich: Ist das normal? und beantwortet sich eigentlich im gleichen Zuge die Frage mit: Ja, das muss es wohl sein. Es gibt nicht den einen Weg. So oft habe ich das gelesen. So oft habe ich von Gleichgesinnten diese Erfahrungsberichte gehört, dass der Verstand mit absoluter Überzeugung weiß, dass es stimmt. Und dennoch kommen die Gefühle da einfach nicht im gleichen Tempo hinterher.
Wie gesagt habe ich in dieser Zeit einige neue Leute kennengelernt und bin auch über die altbekannten Apps mit dem anderen Geschlecht nett ins Gespräch gekommen. Ich merke aber, dass ich momentan überhaupt keine Beziehung eingehen könnte. Darüber hinaus bin ich nicht der Typ dafür, sich direkt nach einer Trennung auf körperlichem Wege ablenkt und Dinge somit wegschiebt oder verdrängt. Ich bin eher der Meinung, dass es der bessere Weg ist, das Ganze nachhaltig zu verarbeiten - auch wenn dabei das ein oder andere Mal ein Gedanke zu viel gedacht wird.
Auch hier ist wieder ein gewisser Zwiespalt: Ich fühlte mich wohl in der Beziehung und weiß, dass ich das auch in Zukunft wieder haben möchte. Irgendwann. Und dennoch fragt man sich: Kann ich mich überhaupt wieder so verliebt fühlen wie damals? Ich weiß, dass sich Menschen entwickeln und dass eine Kennenlernphase mit 40 vermutlich auch anders als mit 20 abläuft (zumal es dann auch eine andere Person ist) und trotzdem ist da diese Ungewissheit, ob und wie es passieren wird. Das ist ein wenig: Gewissen vs. Abstraktion. Ich bin mir bewusst, dass es keinen Sinn macht, sich selber Druck zu erzeugen und dennoch mache ich mir gewissermaßen doch Druck, indem ich denke: Es ist so anstrengend, sich das alles noch einmal neu aufzubauen, wo ich das, was ich hatte, doch gar nicht verlieren wollte.
Inzwischen gibt es Momente, in denen ich dem Ganzen auch positive Dinge abgewinnen kann. Ich habe tolle Urlaube alleine erlebt, in denen ich mich fast ausschließlich sportlich betätigt habe. Zwar hatte ich niemals auf dem Schirm, in diesem Jahr alleine Urlaub zu machen, aber ich habe es angenommen. In diesen Momenten habe ich tatsächlich wenige Gedanken im Kopf gehabt, ich war abgelenkt und habe die Situationen auch genießen können. Die Gedanken kommen vor allem, wenn man alleine in der Wohnung ist, wenig Ablenkung hat oder wenn auch manche Trigger greifen (die man teilweise gar nicht merkt in dem Moment). Und dann gibt es Momente, in denen man traurig wird. Das sind bei mir vor allem Erkenntnisse, in denen man realisiert, dass sich der Tagesablauf teilweise komplett geändert hat. Beispiel (nicht lachen, es ist eigentlich absurd): Früher wurde fast jeden Tag gekocht von der Ex oder von mir. So hatte man am nächsten Tag was zum Mitnehmen, hat gemeinsam gegessen etc. Nun ist es so, dass ich sehr wenig koche, v.a. auch weil es eine recht gesunde neue Mittagessenalternative im Büro gibt. Das ist eigentlich voll in Ordnung so. Und dennoch ist es komisch, wenn man dann realisiert, dass man den Herd seit zwei Wochen nicht benutzt hat, weil man eben im Büro gegessen und am Wochenende unterwegs war. Gewohnheiten wurden gezwungenermaßen geändert und das ist einfach schwer.
Ich könnte mir folgende Gründe vorstellen, die ausschlaggebend sind, dass die Punkte nun erneut etwas stärker aufkommen:
Zum einen vielleicht dadurch, dass man nun mit Freunden und Familie weniger über das Thema spricht und daher mehr mit sich selbst ausmacht.
Zum anderen vielleicht kommt nun die Erkenntnis im Herzen an, dass es eben wirklich aus ist, obwohl das rational betrachtet schon sehr lange klar war.
Vielleicht ist es auch ein wenig die eintretende dunkle Jahreszeit auch wenn ich davon bisher stimmungsmäßig eigentlich nie betroffen war.
Ich hoffe, ich konnte mich verständlich und nachvollziehbar ausdrücken. Vielleicht findet sich der ein oder andere ja in manchen Aussagen wieder, möchte etwas ergänzen oder dazu beitragen. Ideal wäre es natürlich, wenn es Betroffenen hier hilft. Ich freue mich auf Rückmeldungen.
15.10.2021 13:51 •
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