Lieber Gerggi,
ich habe mir nochmal deinen Eingangspost durchgelesen. Der ist ja erst wenige Tage alt und daher noch sehr aktuell.
Konkret zu deiner Frage: Nein, ich glaube nicht, dass sie ab sofort nur noch freundschaftliche Gefühle zu dir hat aber sie versucht, sich von dir zu lösen, da du ihr keine Perspektive für die Zukunft bieten kannst und willst. Das solltest du respektieren und ihr die Sache so leicht wie möglich machen. D.h. kein Schreiben mehr, keine Flirtversuche, keine Komplimente etc.. Das sind alles Versuche von dir, sie weiterhin an dich zu binden und das wäre nicht fair.
Eine Affäre ist grundsätzlich ein ziemlich toxisches Konstrukt, dass nur eine Zeit lang funktionieren kann. Wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt von Funktion sprechen kann. Eigentlich ist jede Affäre von Anfang an ziemlich dysfunktional.
Da sind zwei Menschen, die gebunden oder nicht, sich entschieden haben, nur die Schokoladenseiten einer ero. Verbindung mitzunehmen. Entweder, weil sie aufgrund anderweitiger Verpflichtungen alles andere gar nicht ausleben können oder weil sie es in der gerade akuten Lebenssituation nicht wollen. D.h. jede Affäre hat von Anfang an ein Verfallsdatum.
Leider aber entsteht über die S. immer eine Bindung. Den Hormonen sei Dank. Und wird diese einseitig aufgekündigt, weil sich die Lebensumstände geändert haben oder weil man aufgeflogen ist, kommt es zu heftigstem Liebeskummer. Immer! Gerade weil man ja nur die Schokoladenseiten zusammen hatte, also vor allem die prickelnde ero., bleibt sehr viel Raum für Idealisierung. Deshalb sprechen viele über den Affärenpartner, wie von einem Heiligen, mindestens aber von einem Seelenverwandten. Wird man von diesem aber verlassen, dann ist die narzisstische Kränkung immens.
Das ging auch mir damals so. Mein AM war Witwer. Parallel zur langjährigen Pflege seiner schwerst kranken Frau hatte er bereits eine mindestens emotionale Affäre mit ihrer besten Freundin. Davon wusste ich leider nichts. Die beiden entschieden sich aber aus nachvollziehbaren Gründen, dies geheim zu halten. Sie wollten Rücksicht auf die Kinder nehmen und das Trauerjahr abwarten. Dann aber kam ich dazwischen.
Ich war die neue Kollegin, die dem späteren AM wohl sofort sympathisch war, die sich voll in ihre Arbeit reinhängte und so dem chronisch überforderten Kollegen vieles erleichterte. Deshalb war er auch anfangs so freundlich zu mir. In der Pflege herrscht immer ein sehr großer, fast unmenschlicher Arbeitsdruck. Ich half, wo ich nur konnte und übernahm nach und nach auch Aufgaben, für die ich weder qualifiziert noch befugt war. Ich opferte dafür sogar meine Freizeit. Ich war nach vielen Jahren Hausfrauendasein sehr ausgehungert nach Anerkennung und die gab er mir von Anfang an reichlich.
Aber in mir gab es noch weitere Defizite. Ich war zuvor mein Leben lang ein Mauerblümchen gewesen, hatte wenig bis gar kein Selbstwertgefühl und wenig Erfahrung mit Männern. Mein Mann war mein erster und bis dahin einziger S.. Außerdem war mein Vater gerade gestorben, mit dem ich zeitlebens eine sehr schwierige Beziehung gehabt hatte. Ich fühlte mich von ihm nie anerkannt oder geliebt. Entsprechend traumatisch war es für mich, als er starb und mich noch nicht einmal an seinem Sterbebett duldete. Ich war also auch auf der Suche nach einer Vaterfigur, oder mindestens einer Schulter zum Anlehnen.
Beides bot mir mein Mann zu dieser Zeit nicht. Er hatte von Anfang an ein sehr schlechtes Verhältnis zu meinen Eltern, verstand daher meine Trauer nicht und bot mir weder Halt noch Mitgefühl. Beides aber fand ich beim AM. Zum einen weil er als Wohnbereichsleiter eine natürliche und fast schon väterliche Autorität darstellte, zum anderen weil er aufgrund seines Berufs sehr geübt im Umgang mit Tod und Sterben war.
Es kam also viel zusammen. Von ihm bekam ich Lob und Anerkennung und gleichzeitig endlich auch Halt und Trost in der Trauer um meinen Vater. Als ich zum Beispiel nach der für mich ersten Sterbebegleitung eines Bewohners in Tränen ausbrach, war er zur Stelle, tröstete mich und bot mir Gelegenheit, die Trauer zu leben, die ich viel zu lange runtergeschluckt hatte.
Von da bis zur Affäre war es dann nicht mehr weit. Da ihn ja seine potentielle Freundin noch auf Abstand hielt, hatte er gewisse körperliche Bedürfnisse lange nicht ausleben können. Auch schmeichelte ihm meine Unterwürfigkeit und fast schon Anbetung seiner Person wahrscheinlich so sehr, dass er darüber hinweg sehen konnte, dass ich eigentlich gar nicht sein Typ war. Als er dann erkannte, dass ich ihm nicht nur beruflich den Rücken frei halten würde, sondern ihm auch auf andere Weise nützlich sein könnte, nahm er mein Angebot an. Allerdings machte er mir von vorneherein klar, dass es für ihn nur eine Affäre sein würde.
Als ich mich dann von meinem Mann trennte, nahm er Abstand, da er dafür nicht verantwortlich sein wollte. Als ich dann zusammenbrach, mein Mann mich zurück holte und ich nach meinem Krankenschein wieder auf der Arbeit erschien, sagte er mir, dass er sehr erleichtert sei, dass meine Ehe wieder funktioniert. Aber schon wenige Tage später fielen wir uns wieder in die Arme. Auch bei ihm hatten die Bindungshormone wohl ihre Wirkung entfaltet. Er liebte mich zwar nicht, dass wurde er nie müde, mir zu sagen aber ich gefiel ihm irgendwie dann doch und bot ihm etwas, das er zu diesem Zeitpunkt nur bei mir fand: Nähe und Körperlichkeit.
Somit war ich gezwungen, zu kündigen, wollte ich meine Ehe, die für mich aus verschiedenen Gründen existentiell wichtig war, erhalten. Doch die Schreiberei ging noch lange weiter und es kam leider noch zu zwei weiteren Treffen.
Lange Rede kurzer Sinn, Bindungshormone sind leider die lästigen Begleiter einer solchen Affäre und lassen sich nicht von jetzt auf gleich ausschalten. Weder bei dir, noch bei deiner AF. Da ihr beide auf eure Arbeit angewiesen seid, wird es um so schwerer, euch wirklich emotional von einander zu lösen. Du solltest daher rational bleiben, jedenfalls so rational wie möglich und sie bewusst loslassen. Euer Affärenkonstrukt war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Jetzt ist einfach nur die Stunde der Wahrheit gekommen. Dass sie sich getrennt hat ist die logische Konsequenz. Wenn du sie wirklich liebst, lass sie los. Versau ihr nicht ihre Zukunft.
Geh ihr aus dem Weg, so gut du kannst. Sorge gut für dich und lass deinen Liebeskummer zu. Du kannst sicher sein, dass auch sie noch Gefühle für dich hat. Du musst aber respektieren, dass sie versucht, diese loszuwerden. Tue du das gleiche. Analysiere genau, warum diese Affäre so wichtig für dich war. Welche Defizite gibt es in dir und in deiner Ehe, die dazu geführt haben? Genau die solltest du bearbeiten. Entweder mit dir selbst im stillen Kämmerlein oder mit professioneller Hilfe. Es muss ja nicht gleich ein Psychotherapeut sein. Vielleicht helfen dir schon ein paar Stunden bei einem guten Life-Coach.
Vor dir liegt eine sehr schwierige und traurige Zeit. Bitte lass aber so wenig wie möglich davon bei deiner Familie raus. Weder deine Frau noch deine Kinder können etwas dafür, wie es dir jetzt geht. Sie wissen ja noch nicht mal davon. Sollte es aber in deiner Ehe Defizite geben, die deine Frau etwas angehen, dann sei so fair, mit ihr darüber zu reden. Allerdings schonend und nicht vorwurfsvoll. Deine Frau hat sicherlich bemerkt, dass da etwas im Argen liegt und sich möglicherweise emotional von dir entfernt. Diese Affäre, solange sie nicht gebeichtet wird, steht wie eine unsichtbare Wand zwischen euch. Wenn du dieses Geheimnis weiterhin für dich behalten willst, dann musst du die Brücken bauen, über die deine Frau wieder zu dir zurück kommen kann.
Alles das braucht Zeit. Selbstvorwürfe und Schuldgefühle sind dabei eher hinderlich als hilfreich. Lass dir Zeit und sei mitfühlend mit dir selbst, deiner Frau und deiner AF. Im Grunde geht es auch in diesem Dreieck, so toxisch es auch ist, immer nur um die Liebe. Sei deshalb liebevoll und nachsichtig mit allen Beteiligten aber triff deine Entscheidungen mit Verstand!
Alles Gute!