Hallo zusammen,
ich stelle den Thread mal hier ein, sollte es nicht von der Thematik passen, @Forenleitung dann bitte verschieben.
Zur Zeit bin ich mit folgender Situation konfrontiert:
Meine Eltern und ich hatten nie ein besonders herzliches Verhältnis. Seit meinen frühesten Erinnerungen nahm und nehme ich meinen Vater als herrsch- und kontrollsüchtigen und manipulativen Menschen war. Meine Mutter hatte ich bis vor kurzem eher als unterwürfig ihm gegenüber wahrgenommen.
Da meine Mutter stets nur um meinen Vater und dieser um sich selbst kreiste, wuchs ich mehr oder weniger bei meinen Großeltern auf. Dies war aufgrund der räumlichen Nähe gegeben, da wir gemeinsam in einem Haus wohnten.
Nachdem ich meinen späteren Ehemann kennenlernte, verließ ich ganz schnell mein Elternhaus. Damit richtete sich der Zorn meines Vaters nun endgültig auf mich, da ich ihn nicht um Erlaubnis dazu gebeten hatte, so damals seine Worte. Mein damaliger Ehemann hatte nie ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern, Besuche beschränkten sich das absolute Pflichtprogramm. Nach unserer Trennung sagte er mir, dass ihm mein Vater mehrfach beleidigt hatte.
Ich ging eine neue Beziehung ein, aus einem Bauchgefühl heraus erzählte ich meinen Eltern nichts davon. Wir hatten eh nurmehr telefonischen Kontakt, Besuche hatten sie sich verbeten. Irgendwann hatte ich zufälligerweise Kontakt mit einer gemeinsamen Bekannten. Diese erzählte mir zu meinem absoluten Erstaunen, dass mein Vater im Ort herum erzählte, dass meine Eltern mir nach meiner Scheidung Unterhalt und die Scheidungskosten bezahlen müssten. Daraufhin kontaktierte ich meine Eltern und bekam zu hören, dass das ja gesetzlich so sei und sie deshalb auch nicht wollten, dass ich sie besuche. Sie hätten Angst, dass ich mich bei ihnen einniste.
Ich muss hier vielleicht noch einfügen, dass ich zu jeder Zeit wirtschaftlich selbstständig war und niemals auch nur im Entferntesten auf den Gedanken gekommen wäre, mich bei ihnen einzunisten.
Es blieb also bei telefonischen Kontakten, mittlerweile nur noch zu Geburtstagen und zu Feiertagen. Im Jahr 2019 musste sich mein Vater in stationäre Behandlung begeben, an die sich eine Reha anschloss. In diesem Zusammenhang ergaben sich bei meinen Eltern einige Umstürze, infolge derer ich in der Folgezeit wieder mehr Kontakt zu meiner Mutter hatte. Mein Vater befand sich in der Zwischenzeit im betreuten Wohnen, jetzt lehnte er den Kontakt zu meiner Mutter ab, mein Verhältnis zu meiner Mutter verbesserte sich dagegen. Zu der Zeit sagte sie einmal zu mir, dass sie es sehr bereue, sich an sein Kontaktverbot mir gegenüber gehalten zu haben. Auch das hörte ich damals zum ersten Mal.
2021 verschlechterte sich der Gesundheitszustand meiner Mutter, sodass sie nicht mehr allein für sich sorgen konnte. Es stellte sich die Frage Pflegeheim oder aber sie zieht in meine Nähe. Sie entschied sich für zweiteres, wir hatten, so dachte ich zumindest, seitdem eine entspannte Zeit. Kontakt fand sie an ihrem neuen Wohnort schnell, ich erlebte meine Mutter als plötzlich sehr aufgeschlossen und unternehmungslustig. Gesundheitlich ging es stetig bergauf, sie konnte sich überwiegend wieder allein versorgen.
Zu meinem Vater hatte ich in der ganzen Zeit keinerlei Kontakt, dies war ähnlich wie bei meiner Mutter von ihm nicht gewünscht. Im Januar meldete er sich telefonisch bei mir. Körperlich gehe es ihm wieder so gut, dass er eine eigene Wohnung bezogen habe. Psychisch sei er angeschlagen, was seine behandelnden Ärzte auch darauf zurückführten, dass er keinen Kontakt zu mir habe. Er forderte mich auf, wieder mit ihm in Kontakt zu treten. Ich bin seine Tochter, das sei ich ihm schuldig. Ich fand dieses Ansinnen recht befremdlich, das sagte ich ihm auch. Nein, auch die, wer das ist, darauf blieb er die Antwort schuldig, hätten ihm darin bestätigt.
Ich erzählte das meiner Mutter und sie erwiderte damals, dass er, nach allem, was über die Jahre geschehen ist, wohl gar nichts zu fordern habe. Hier sei noch angemerkt, dass er ihr verboten hatte, ihre Mutter (meine Oma) im Pflegeheim zu besuchen. Auch an ihrer Beisetzung durfte sie nicht teilnehmen.
Pflichtschuldig, wenn auch ohne große Lust, habe ich ihn dann im Laufe des Jahres immer mal angerufen. Angenommen hat er keinen meiner Anrufe. Nun gut, sagte ich mir im Sommer, dann habe ich (mal wieder) Klarheit. Außer großen Sprüchen ist von ihm nichts zu erwarten.
Irgendwann im Frühsommer bemerkte ich, dass meine Mutter verschlossen und unruhig wurde. Auf meine Frage hin sagte sie mir, das alles in bester Ordnung sei. Ihr mache das Wetter zu schaffen und diverse Zipperlein. Alles ok, das kommunizierte auch gegenüber ihrem Bekanntenkreis und ihrer Schwägerin, zu der sie ein sehr gutes Verhältnis hatte.
Anfang September meldete sich mein Vater plötzlich telefonisch bei mir. Eine mir unbekannte Telefonnummer, er eröffnete das Telefonat mit den Worten: Na, hab ich Dir jetzt einen schönen Schreck eingejagt!? Das hättest Du nicht gedacht, das ich das bin?! Inhalt des Gespräches war, dass nun von seinen behandelnden Ärzten eine gesetzliche Betreuung für ihn angeregt worden sei. Das wolle er nicht, dazu hätte er schon schlimme Dinge gehört. Ich solle das übernehmen. Mit Verweis auf unser eigentlich nicht vorhandenes Verhältnis fragte ich ihn, wie er sich das vorstelle, darauf bekam ich nur eine ausweichende Antwort. Eigentlich wolle er sich ja nur mit mir aussprechen. An der Stelle sagte ich mir, dass ich mir seine Sicht der Dinge ja ruhig mal anhören kann. Wir vereinbarten ein Treffen in einem Café, wogegen er sich aufs heftigste sträubte, dann aber doch zusagte. Diesmal erzählte ich meiner Mutter nichts davon, einen Grund hätte ich nicht nennen können.
Es kam zu dem Treffen, er trat von Beginn sehr herrisch mir gegenüber auf. Sein Plan stand fest, ich sollte zu ihm ziehen, gegenüber seiner Wohnung sei eine 3-Zimmer-Wohnung frei. Dort könnte ich dann ein Zimmer beziehen, die Miete und die Nebenkosten würden wir natürlich teilen. Er teilte mir mit, wie er sich den Tagesablauf vorstellt, die Details spare ich mir. Nur so viel, bislang kommt zweimal am Tag ein Pflegedienst, das wären immer andere Leute und das will er nicht. Die Pflegeleistungen kann ich ja dann übernehmen.
Ich war völlig überrumpelt und sprachlos, wenn auch innerlich etwas amüsiert. Das verging mir schnell, als plötzlich meine Mutter auftauchte. Ob sie auf der Toilette war oder auf ein Stichwort hin erschien, weiß ich nicht. Plötzlich nahmen mich beide in die Zange, was ich ihnen alles schuldig sei. Meine Mutter sah mich so hasserfüllt an, dass ich völlig geschockt war. Alles seit 2019, also seit der Zeit, in der wir uns wieder angenähert hatten, war plötzlich schlecht und schlimm. Kurz und gut, sie ziehe wieder zu ihm, dass ich ihr den Kontakt zu ihm verboten habe, verzeihe sie mir nie (das habe ich zu keinem Zeitpunkt) und ich wäre es beiden schuldig, mich jetzt um sie zu kümmern. Ich war wie vor den Kopf geschlagen, in meinen Ohren rauschte es, mir war speiübel. Vor mir saßen zwei Menschen, mit denen ich nichts anfangen konnte und sie mit mir wahrscheinlich auch nicht. Nun in der Oberhand, knallte mir meine Mutter an den Kopf, dass ich schon immer schwierig gewesen sei, noch nie das gemacht habe, was man mir sagte und ich ein von meinen Großeltern völlig verzogenes Gör sei, dem sie früher eigentlich jeden Tag ordentlich das Fell hätte gerben müssen.
An diesem Punkt schaltete sich etwas in mir aus oder um und ich hörte mich selbst brüllen. Aus heutiger Sicht war das einerseits die Überforderung mit der Situation, andererseits brachen sich über vier Jahrzehnte Wut und Enttäuschung Bahn.
Ich verließ das Café, zu meinem Erstaunen wartete eine Freundin draußen auf mich und brachte mich nach Hause. Ich war völlig außer mir, habe hier in meiner Wohnung wohl eine Weile abwechselnd geheult, gebrüllt und bin irgendwann vor lauter Erschöpfung eingeschlafen. Als ich wieder wach wurde, war sie immer noch da und klärte mich auf, dass ich sie aus dem Café angerufen hatte und sie gebeten hatte, mich schnellstmöglich abzuholen. Zumindest das Rätsel war erstmal gelöst. Ich stand für den Rest des Tages und die darauffolgenden Tage neben mir, mich hatte das alles sehr mitgenommen.
Jetzt sind vier Wochen vergangen. Zwischenzeitlich habe ich mich über das Ereignis mit einigen Menschen aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis ausgetauscht.
Am Anfang hatte ich diffuse Schuldgefühle und aus diesen heraus das Bedürfnis, mich mit meinen Eltern in Verbindung zu setzen und mich zu entschuldigen. Jetzt, nachdem einige Zeit vergangen ist, schwindet dieses Gefühl bzw. ist nicht mehr da. Mittlerweile ziehen immer wieder Erinnerungen herauf, die ich längst vergessen glaubte. Für mich als Fazit bleibt derzeit über, dass ich jetzt keinen Kontakt zu meinen Eltern aufnehmen werde. Ob sich das eines Tages wieder ändert, weiß ich nicht.
Eine gute Bekannte meinte, dass meine Eltern in mir wohl eher ein nützliches Ding sehen, dass jetzt seine Bestimmung aus ihrer Sicht, also ihre Pflege zu erfüllen hat. Diesen Gedanken hatte ich auch schon, ausgesprochen fühlte er sich doch brutal an. Im Nachgang ist mir klar geworden, dass von beiden nie eine Nachfrage kam, wie es mir geht. Eigentlich wissen beide nichts über mich, ich auch nichts von ihnen.
Meine Frage an Euch ist, hat jemand ähnliche Erfahrungen und wie geht Ihr damit um? Hat die Zeit Verletzungen geheilt und ist perspektivisch wieder eine Annäherung möglich?
Vielen Dank für Eure Gedanken!
21.10.2023 17:12 •
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