Zitat von Grätchen: Ich habe viele Jahre gespart, um sie korrigieren zu lassen, habe mich dann aber irgendwann dagegen entschieden. Es war einfach nicht mehr wichtig oder nötig.
Das passt zwar nicht richtig hierher, aber es fällt mir gerade ein. Eine Reportage im TV, vor vielen Jahren. Ein junges Mädchen sieht aus wie ihre Mutter unt hat auch die dominante Nase der Mutter geerbt. Schön im klassischen Sinn waren beide nicht, aber durchaus markant.
Das Mädchen ließ sich die Nase korrigieren zu einer Allerweltsnase und ich dachte mir: eigentlich schade, denn das Besondere des Gesichts ist weg und das Gesicht wirkt irgendwie farblos.
Lass Deine Nase, ich bin sicher sie passt hervorragend zu Dir. Denn es ja Deine Nase.
Ich mochte meine Nase auch nie. Mein Vater hat eine zwar recht große, aber gerade und eher schmale Nase, die auch meine Schwester geerbt hat Und ich? Keine Ahnung, warum ich eine relativ breite Nase habe. Auch von meiner Mutter stammt sie nicht.
Mein Mann sagte zu mir, eine schmale Nase würde doch gar nicht zu Deinem Gesicht passen.
Also, ich lebe damit.
Noch ein paar Worte zu den Eltern-/Kind-Problematiken. Eltern können unheimlich viel bei Kindern kaputt machen und Kinder können sich nicht wehren. schon weil sie abhängig sind. Und weil Eltern eben Eltern und übergeordnet sind. Manche haben Glück mit den Eltern, manche nicht.
Und keiner muss sich für einen anderen aufopfern. Und Kinder sind nicht in der Pflicht ihr Leben den Vorstellungen der Eltern anzupassen. Eltern können aber alle Register ziehen und ein sehr wirksames Mittel ist es dann, an das Gewissen der Kinder zu appellieren und Schuldgefühle zu erzeugen. Und egal, was auch immer ist und war, man ist und bleibt Kind und erfahrenes Unrecht und Verletzungen lassen sich nicht umkehren ... und auch nicht vergessen.
Dennoch, egal was immer ihr entscheidet. Es sind und bleiben die Eltern und ungelöste Konflikte sind wie eine schwärende Wunde, die immer wieder aufbrechen kann. Auch noch oder gerade nach dem Tod der Eltern, eben weil Konflikte nie gelöst werden konnten - aus beidseitigem Unvermögen.
Aber bedenken muss man auch immer eins : Auch die Eltern sind ein Produkt ihrer Erziehung, ihrer Kindheitserfahrungen, die man nicht unbedingt gemacht haben möchte.
Sie können oft nichts dafür dass sie sind wie sie sind. Und sie haben meist noch den Nachteil, dass sie nicht nachdenken, warum sie so wurden.
Aber die Kinder können es und sie können auch Zusammenhänge erkennen, wie sich schlechte Eltern-Kind-Beziehungen in Familien fortsetzen. Was der Vater nicht gelernt hat, kann er nicht leben. Er hatte mit Sicherheit auch keinen liebevollen Vater. Und bei der Mutter ist es nicht besser.
Ich denke, man darf sich nicht instrumentalisieren lassen als kostenlose Pflegekraft, aber man sollte darauf schauen, dass die Eltern im Alter einigermaßen gut versorgt sind. Eine Tochter ist keine Mutter, die ihrem Vater den Hintern auswischt, auch wenn das natürlich oft geschieht. Aber man muss versuchen, einen inneren Frieden mit den Eltern zu finden und sich zu sagen: Ja, es war vieles alles andere als ideal, aber sie wussten es nicht besser.
Ungelöste Konflikte vergehen nicht, sondern setzen sich fest und immer wieder kommen sie auf. Als ich vor Jahren einen heftigen Liebeskummer hatte, wurde ich wütend. Auf ihn und auf mich. Aber zum Ende kam ich immer wieder bei meiner Mutter an. Sie hat es mich auch spüren lassen dass ich nicht gut genug war, dass ich da und dort anders sein sollte, jedenfalls besser. Und sie war selten zufrieden.
Ich fürchte, so ganz gelöst habe ich das Dilemma immer noch nicht. Sie ist seit 30 Jahren tot, aber ich denke oft an sie. Ihre Unausgeglichenheit, ihre Unzufriedenheit vor allem mit sich selbst, die sie die Familie spüren ließ. Ihr Tun-als-ob in Gesellschaft, wo sie immer als fröhliche und furchbar freundliche Frau auftrat, wo sie mich kurz vorher noch geschimpt hatte.
Diese Diskrepanz konnte ich als Kind schon nicht versehen. In der Familie so und in der Aißenwelt anders. Und letzteres nur gespielt der Fassade wegen.
Ich versuche immer noch meinen Frieden damit zu machen und sehe sie auch als das was sie war: ein früh enttäuschtes Mädchen, das viel ertragen musste und was nie geheilt werden konnte.
Mit 9 Jahren aus dem Sudetenland vertrieben worden mit Mutter und Schwester mit ein paar Habseligkeiten und in einen Zug gesetzt, dessen Ziel unbekannt war. Zum Glück fur der Zug nach Westen. Dort ein paar Jahre in einer Barackensiedlung ehe sie in eine winzige Wohnung im Dachgeschoss eines Mehrfamilienhauses aus den 50iger Jahren zogen konnten. Gewaltsamer Heimatverlust und das brutale Verhalten der Tschechen musste sie mit anschauen und war wehrlos und sie sah auch die Wehrlosigkeit ihrer Mutter. Ein Tscheche wollte die Ohrringe der Mutter haben und rieß sie ihr durch die Ohrläppchen und lachte dabei. Was das mit Menschen anstellt kann man sich nicht vorstellen. Das ist traumatisch.
Dann Schule und dann ging sie in Stellung und war bei einer Familie Mädchen für alles für wenig Geld. Kochen., Waschen, Kinderhüten, Putzen usw. Dann zu Siemens, weil man dort Fließbandarbeiterinnen für wenig Geld brauchte. Keine richtige Lehre und die Vorstellung vom Glück war dann die Ehe und eine Familie.
Auch das erwies sich nicht als Friede-Freude-Eierkuchen. und sie war wohl innerlich oft enttäuscht. Sie wollte hier in diesem anderen Landstrich Fuß fassen und ihre Herkunft aus dem Osten überdecken. Sie passte sich an und lernte noch den hiesigen Dialekt Und sie wollte auch wahrgenommen werden und geschätzt werden, was ihr oft fehlte.
Sie hatte tolle Talente, sie nähte schwierigste Kleidungsstücke für sich, für uns Kinder, sie war fleißig, eine gute Köchin und sie hatte eine wunderbare Singstimme. Nichts davon hat sie mir vererb asußer dem Talent zum Kochen. Aber so richtig glücklich war sie selten. Sie scheiterte an ihrem Traum vom Glück. Mit Ende 30 wurde sie krank und es wurde eine schwere Autoimmunkrankheit diagnostiziert, die man nur ein wenig aufhalten konnte, aber nicht heilen. Cortison und Immunsuppressiva und so manches andere schluckt man nicht nebenwirkungsfrei.
Es passte - so schlimm es sich anhört - zu ihr. Eine innere Kampfsituation die sich in der Krankheit zeigte. Sie starb mit Mitt 50, damals dann doch überraschend obwohl klar war dass sie kein hohes Atler erreichen würde, Und was verspürte ich nach einiger Zeit? Erleichterung! Gott sei Dank diese Sorge weg, Gott sei Dank nicht mehr daheim anrufen mit einem Knoten im Bauch und vor Angst, was nun wieder los ist.
Und diese Erleichterung verursacht auch Schuldgefühle. Das darf ich doch nicht empfinden, aber tat es doch.
Versucht Euren Frieden zu machen mit den Eltern, egal was sie auch Schlimmes getan haben. Alles andere geht nicht und fangt an, Euch selbst lieb zu haben. Ihr müsst nicht alles weiterführen, denn irgendwann muss der Bann in einer Familie gebrochen werden. Und am Schluss muss doch so was wie Liebe und Verzeihen stehen, Aussöhnung, denn alles andere schadet den Nachfahren und sich selbst..