Hallo Sinatheo,
du haderst aus meiner Sicht nachvollziehbar mit der Situation, denn du beschreibst eine deutliche und massive Schieflage der Bedürfnisse in eurer Beziehung. Darin schilderst du dich als diejenige, die mehr liebt - mehr Zuwendung (Kuscheln) ersehnt, mehr Verbindlichkeit (Heiraten, Zukunftspläne) wünscht und mehr Ressourcen aufzuwenden bereit ist.
Das ist ansich schon unschön, denn eigentlich sollen all diese Dinge in einer funktionierenden und erfüllenden Beziehung sich die Waage halten.
Wenn man so ein Ungleichgewicht bemerkt, wäre der richtige nächste Schritt, inne zu halten, Bilanz zu ziehen und sich zu überlegen, inwiefern man ein Gleichgewicht durch die Reduktion des eigenen Einsatzes erreichen könnte (was nur erfolgversprechend ist, wenn es sich um eine kleine Verschiebung des Gleichgewichtes handelt) oder aber sich zu hinterfragen, ob die eigenen Bedürfnisse überhaupt dauerhaft und grundsätzlich im Rahmen dieser Beziehung erfüllt werden können.
Bisher versuchst du diese Schieflage zwischen euch dadurch auszugleichen, dass du (noch) MEHR investierst, durch Anpassung, Verzicht oder sogar Übernahme seiner Verpflichtungen. Wahrscheinlich in der Hoffnung, es irgendwann, irgendwie von ihm zurück zu bekommen. Dein Bemühen bestätigt ihn aber eigentlich nur darin, sein Verhalten fortzuführen - es kommt ihm zupass, und du tolerierst es oder belohnst es sogar noch durch größere Anstrengungen deinerseits.
Hier sehe ich eine große Gefahr für dich, langfristig bitter enttäuscht zu werden - von dir selbst, denn du stellst ja hier die Weichen für deinen Lebenslauf. Vor allem angesichts deiner Bereitschaft, sogar etwas so Elementares wie deinen Kinderwunsch einer Beziehung unter zu ordnen, die dich nicht erfüllt. Das kann dir noch übel ins Kreuz kommen in späteren Jahren, viel Zeit hast du mit Anfang 30 ja leider nicht mehr.
Besonders kritisch sehe ich übrigens diesen Punkt:
Zitat von Sinatheo: Die Mutter hat es vom Gericht verbieten lassen, dass er Kontakt zum Kind halten darf.
Zitat von thegirlnextdoor: Ich kenne keinen einzigen Fall, in dem ein Elternteil einem anderen grundlos das Sorgerecht entziehen konnte. Nicht einmal Fälle, in denen es fürs Kind vielleicht wirklich besser gewesen wäre.
Ich auch nicht, und ich kenne echt viele Fälle. Und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven, nicht nur aus der Schilderung einer der Beteiligten.
Zumal es eine Sache ist, jemandem das Sorgerecht zu entziehen, und ein ganz anderes Kaliber, jemandem das Umgangsrecht zu entziehen. Ein solcher Fall ist mir tatsächlich noch nie untergekommen, nicht mal bei schlimmsten Misshandlungen, Missbrauch usw.
des Kindes (nicht: des anderen Elternteils, sowas spielt für Sorgerecht oder gar Umgang überhaupt keine Rolle). Schlimmstenfalls gibt es zeitlich eng begrenzte, professionell begleitete Umgangskontakte.
Dazu kommt noch, dass das Kind inzwischen jugendlich ist. Spätestens mit Beginn der Pubertät wird die Frage nach der eigenen Herkunft, damit auch dem Vater, immer lauter in den Kindern und mit der entwicklungsbedingte Unabhängigkeit kommen auch mehr Möglichkeiten, selbst gegen den Willen der Mutter miteinander in Kontakt zu treten und zu bleiben - WENN man das als entfremdeter Vater denn auch will.
Bei deiner Schilderung sehe ich da eben genau das nicht bei deinem Freund: den Willen, Vater (seines existierenden Kindes, und eines potentiellen mit dir) zu sein. Er lehnt sich zurück, indem der die Bringschuld für den Kontakt seinem Kind zuschiebt. Finde ich persönlich sehr schlimm für ein Kind. Leider prallen alle Hinweise der User, dass dein Freund mit hoher Wahrscheinlichkeit ein sich eben
nicht kümmernder Vater und kein durch widrige Umstände leider verhinderter Vater ist, an deiner rosa Brille ab.
Zitat von Sinatheo: Auch wäre es ihm egal wenn er in privatinsolvenz gehen würde, sagt er
Auch diesen Satz finde ich ganz schlimm im Hinblick auf eure Partnerschaft.
Er sagt damit nämlich auch, dass es ihm egal ist welche Auswirkungen das auf dich hat.
Weißt du, ich kann mir absolut vorstellen, dass du noch ein paar Jahre mit ihm zusammen bist, zu seinen Bedingungen. Du die Faust in der Tasche ballst, die fehlende Nähe hinnimmst, dein geringeres Gehalt zu seinen Lebenshaltungskosten reinbutterst, du auf Kinder, Urlaub und schönes Wohnen verzichtest. Du über diese Verzichtsjahre immer kleiner, unzufriedener und damit auch unattraktiver für ihn wirst. Es würde mich gar nicht wundern, wenn er dann irgendwann diese Beziehung beendet und du in ein richtig tiefes Loch abstürzt, weil du so viel für ihn geopfert hast und dann auch noch ohne das bisschen, was du mit ihm hattest, da stehst.
Dein Freund scheint jemand zu sein, der ein lieber und liebenswerter Kerl ist, aber das macht ihn noch nicht zu einem Menschen mit echten partnerschaftlichen Qualitäten. Hier scheinst du für dich noch nicht gut erkennen zu können, was letztere eigentlich sind, und wie wichtig sie für eine gelingende Partnerschaft sind.
Liebe Sinatheo, zusammenfassend möchte ich dir auf den Weg geben dir Gedanken zu der Frage zu machen, ob euer Ungleichgewicht in der Beziehung wirklich tragbar für dich ist. Ob ein Leben ohne Kind, ohne solide Finanzlage, ohne gemeinsame Urlaube und ohne alltägliche Zärtlichkeiten das ist, was du für dich wünschst - jetzt, in zwei Jahren, in fünf Jahren, in zehn Jahren, als Fazit und Lebensrückblick eines Tages im Alterswohnsitz.
Ebenfalls möchte ich dir anraten, dich mit den Aspekten eines dependenten Persönlichkeitsstils zu befassen, denn da könnte das ein oder andere auf dich zutreffen. Mir hat es sehr geholfen im Hinblick auf Lebensqualität, Selbstliebe und in meinem eigenen Beziehungsverhalten, selbstschädigende Verhaltensweisen bei mir selbst zu identifizieren und damit dann auch zumindest in Teilen zu durchbrechen.
Ich verstehe den Effekt, dass du jetzt, nach den teils sehr unschönen Spiegelungen deiner Beschreibungen durch die User, deine Beziehung und deinen Freund verteidigen möchtest. Daher mein Tip, es einfach eine Weile sacken und in dir arbeiten zu lassen, den Thread in ein paar Tagen oder Wochen nochmal zu lesen, manche Überlegungen und Erweiterung der eigenen Sichtweise benötigen Ruhe und Zeit.