Zitat von Kaetzchen:Liebe @Ema
ich kann Dir gut nachfühlen, weil ich ja recht ähnlich gestrickt bin wie Du (wir ollen Kampfhennen ). Ich habe für mich herausgefunden, was es war, das mich da so getriggert hat. Welche alte Wunde es war, die aufgerissen wurde und die geschlossen werden wollte.
Das mit dem nicht dazu stehen habe ich auch genauso empfunden wie Du. Ich hatte zwar selbst nie ein Problem damit, zu dem zu stehen, was ich getan habe. Ich bin da wie in allen Dingen, die ich mache, sehr offen. Aber mir ist auch klar geworden, dass ich, was auch immer ich mache, nur noch mit jemandem mache, der genauso offen diesbezüglich ist wie ich Sobald ich das Gefühl habe, selber irgendwem was verheimlichen zu müssen, mache ich es nicht. Wenn ich das Gefühl habe, jemand verheimlicht mich und meine Existenz vor irgendwem, mache ich auch nicht weiter, mit was auch immer. I
Ja, Kätzchen, ich denke auch, dass wir uns in manchen Dingen sehr ähnlich sind. Leider weiß ich noch nicht so genau, welche Wunde er in mir aufgerissen hat. Ich ahne es, ich nähere mich dem an. Sehr langsam.
Weißt du, auch da bin ich dir sehr ähnlich. Ich hatte auch nie ein Problem, zu dem zu stehen, was ich getan habe. Weit weniger als andere Menschen. Und wenn mir etwas wirklich nicht gepasst hat, dann habe ich es gesagt und dann bin ich gegangen, wenn alles andere nicht mehr half. Ich bin oft engeeckt damit. Aber letztlich ging es mir damit gut.
Ich dachte gar nicht daran, mich zu verbiegen, zu heucheln, vorzugeben, etwas zu sein, was ich nicht bin. Nur um des lieben Friedens willen.
Mein Leben lang dachte ich auch aus genau diesem Grund, dass eine Affäre sein, das letzte ist, was mir je passieren könnte. Lachhaft! Dazu bin ich viel zu stolz und viel zu anspruchsvoll und viel zu geradlinig - dachte ich.
Wie jeder weiß, ist es mir dennoch passiert. Und ich hatte in dem Moment erst einmal keine Chance, mich da rauszuhalten. Mich zu wehren. Mich abzugrenzen. Ich denke heute noch, ich hätte es nicht verhindern können. Da waren Kräfte am Werk, die stärker waren als ich. Viel stärker. (Und damit meine ich nicht ihn).
Was mir aber jetzt bewusst geworden ist, ist, dass da Dinge in mir liegen, von deren Existenz ich nicht die geringste Ahnung hatte. Du kennst das Kämmerlein im Märchen, das niemand öffnen darf?
Nicht nur, dass ich es nie geöffnet habe, nicht nur, dass ich es gar nicht gekonnt hätte, weil ich den Schlüssel verloren habe - nein, es ging so weit, dass ich die Existenz des Kämmerchens vergessen hatte. Ich hätte Stein und Bein schwören können, dass da gar nichts ist.
Dieses Kämmerchen hat er treffsicher gefunden und geöffnet und jetzt habe ich den Salat.
Und wie will man denn zu etwas stehen, von dem man nicht einmal weiß, dass es da ist? Keine Ahnung, wie man das nennt. Komplette Verdrängung, Abspaltung, weiß der Geier, was es für dieses Phänomen für Fachausdrücke gibt.
Und damit meine ich nicht nur Leichen im Keller. Ich meine Teile meines eigentlichen Wesens. Eigenschaften, die ich nie wahrgenommen habe. Und da ist durchaus nicht nur Schlechtes dabei. Aber anders. Anders als ich dachte.
Nachdem ich mit letzter Kraft die Geschichte mit ihm beendet hatte, fühlte ich erstmal nur überwältigenden Schmerz. Und dann - während ich die Tränen mehrerer Jahrzehnte weinte - kam mir all das hoch, worüber ich jetzt schreibe.
Ich bin komplett auseinandergebrochen. Letztlich war meine gesamte Identität, mein ganzes Selbstbild erst einmal in Frage gestellt. Leicht war das sicher nicht.
Und da zum Beispiel, während ich krankgeschrieben war, wurde mir bewusst, dass ich in meinen Job nie wieder zurückwill. Weil er - so wie ich mich jetzt sehe und wahrnehme - überhaupt nicht zu mir passt. Und das war mir vorher absolut nicht klar. Überhaupt nicht. Ich hätte jeden, der mir so etwas gesagt hätte, mit kugelrunden erstaunten Augen angeschaut.
Ich habe mir - kurz gesagt - in manchen Bereichen so gründlich etwas vorgemacht, dass ich beim Barte des Propheten hätte schwören können, dass ich mir nichts vormache.
Und MItgefühl mit ihm habe ich deshalb, weil ich mir sehr sicher bin, dass es ihm ähnlich geht.
Ich bin überzeugt, dass die Begegnung mit mir in ihm eine sehr ähnliche Büchse der Pandora geöffnet hat.
Nicht so sehr während der Affäre. Da ging es ihm noch verhältnismäßig gut. Da konnte er all seine Lebenslügen noch ganz gut verdrängen - auch dank meiner freundlichen Unterstützung. Aber danach. Der Schmerz hat langsam und leise bei ihm angeklopft, nachdem ich ihn weggeschickt hatte. Und wurde immer stärker.
Er hat sich ja zwischen den Jahren mal wieder bei mir gemeldet. Ich habe lange überlegt, ob ich ihm antworten soll. Ich habe es schließlich getan. Für mich stand und steht fest, dass er mich nie wieder in diese Position bekommt, in der er mich so gerne hätte. Und mit diesem Wissen im Hinterkopf habe ich es gewagt, ihn zu mir kommen zu lassen.
Aber nur, weil ich ihm noch einmal genau das sagen wollte: Dass nichts mich dazu bewegen wird, diese Geschichte mit ihm fortzusetzen. Und dass ich auch keinen wie immer gearteten Kontakt zu ihm will. Keine netten und freundschaftlichen WA und dergleichen.
Aber ich wollte ihm dabei in die Augen sehen.
Und das habe ich schließlich gemacht. Aber erst habe ich ihn ein wenig plaudern lassen. Einfach so. Und habe erfahren, dass mein Gefühl mich nicht getrügt hat. Auch er hat das ganze vergangene Jahr über den Sinn des Lebens und seiner Existenz nachgedacht. Darüber, ob er seinen Job noch machen will und kann zum Beispiel. Auch über andere Dinge. Seine Ehe ist nur ein kleiner Teil davon.
Und dann sagte ich ihm, was ich zu sagen hatte, und noch ein paar Worte mehr. Darüber zum Beispiel, dass ich mich nie wieder dazu hinreißen lasse werde, eine solche Beziehung fortzusetzen. Unter keinen Umständen und um keinen Preis. Ohne Vorwürfe. Ohne Drama. Und erst recht ohne Tränen. Und ich sagte ihm noch ein paar Worte zu meinen Motiven: Nie wieder etwas tun, wozu ich nicht stehen kann. Nie wieder mich selbst verleugnen.
Und es kam ein Punkt in diesem Gespräch, da stürzten ihm die Tränen aus beiden Augen. Man muss ihn kennen, um zu verstehen, was das bei ihm heißt. Genau wie ich ist er absolut nicht der Typ dafür.
Und es war auch nicht manipulativ. Das konnte ich sehen. Es hatte nichts mit: Bitte lass mich hier nicht so ohne dich hängen und überleg es dir nochmal zu tun.
Vielmehr wurde ihm in dem Moment schmerzhaft bewusst, worüber er meines Erachtens genau wie ich schon das ganze letzte Jahr nachdenkt: Dass er sich nämlich seit Jahren selbst verleugnet. Wesentliche Anteile seiner selbst unterdrückt und verdrängt. Und das hat nur sehr am Rande mit seiner Frau oder seiner Ehe zu tun. Und auch nur sehr am Rande mit mir.
Wir haben da aus irgendeinem Grund gegenseitig etwas in uns angestoßen, was schon lange an die Oberfläche wollte. So sehe ich es.
Seitdem respektiert er meinen Wunsch wieder, sich von mir fernzuhalten. Ich habe nichts mehr gehört.
Ich glaube, ich bin ein bisschen ins Schwadronieren geraten. Sorry. Und sorry dafür, dass dies größtenteils OT ist.