Man meint ja wahrscheinlich immer man wäre besonders. All die Dinge, die man über andere Geliebte und deren Männer hört, würden nicht auf einen selbst zutreffen. Und trotzdem sitze ich da und heule mir im Monatstakt die Augen aus der Seele. Weil ich gefangen bin in einer Beziehung, die gleichzeitig das schönste und das schlimmste auf der Welt für mich ist. Selbst die Krebserkrankung meiner Mutter hat sich weniger schlimm angefühlt als das hier, so übel es auch klingen mag.
Ich fang mal ganz von vorne an.
Wir haben uns klischeehaft in der Arbeit kennengelernt. Er war mir als mein Mentor zugeordnet. Ich fand ihn direkt sympathisch und entdeckte einige Parallelen. Er war aber sehr viel im Homeoffice und schwer beschäftigt und wir sahen uns kaum. Irgendwann haben wir das erste Mal ein Projekt zusammen gehabt und saßen dabei drei Wochen lang im gleichen Zimmer. Es war vollkommen um uns geschehen. Wir lachten und grinsten wie kleine Kinder. Ich hab in meinem Leben noch nie so viel gelacht. Wir saßen bis spät in die Nacht, obwohl nichts zu tun war. Holten uns Pizza und Drinks um im Büro noch länger zusammenzusitzen. Einen Abend knallte es dann. Ich lehnte am Fenster und er küsste mich einfach. Ich war erst überrumpelt, dann bin ich darauf eingegangen. Nach einigem hin und her bin ich mit zu ihm gefahren. Mit zu ihm in die Wohnung seiner Familie. Er hat eine Frau und zwei Kinder. Seine Frau ist seine Jugendliebe, mit der er seit 16 Jahren zusammen ist. Seine Kinder damals noch 5 und 7. Alle in der Heimat gewesen. Wir hatten S. in ihrem Ehebett. Beim Verlassen der Wohnung wechselten sich meine Gedanken ab zwischen "Was hab ich getan, er ist mein Vorgesetzter", "Was für eine billige *** bin ich eigentlich?" und "hat er denn überhaupt kein Gewissen?". Danach hab ich erstmal Kurze Funkstille gewollt, die aber nicht lang hielt weil er mir schrieb und schrieb und schrieb. Dann sahen wir uns natürlich ständig in der Arbeit. Ich habs geschehen lassen.
Und so haben viele viele wunderschöne Monate mit größter Verliebtheit begonnen. Wirklich wunderschön, ich konnte mein Glück kaum fassen. Blöderweise hatte er genau bevor wir uns kennengelernt haben auch noch mit dem Hausbau in der Heimat begonnen. Ein halbes Jahr nachdem wir uns verliebten war das Haus fertig und der Einzug stand an. Die Sommerferien brachten mich fast um, weil er so lange bei ihr und den Kindern war. Die verzweifelten Momente wurden immer häufiger, weil ich wusste, dieser Mann soll mein Leben sein. Niemals hätte ich gedacht, dass sowas aus uns wird und mich vor so ein Problem stellt. Er versicherte mir irgendwann er will sie nur nicht mit dem Projekt Haus alleine lassen und das noch fertig bauen, sie bekäme das nicht hin. Okay dachte ich mir, ein Grund mehr warum ich ihn so schätze, er ist unfassbar fürsorglich. Gleichzeitig suchte er sich noch eine Zweitwohnung für sich alleine in dem Ort in dem wir beide arbeiten. Jackpot, ab da an konnten wir einander viel häufiger sehen. Er zog noch in das neugebaute Haus, wo schon die ersten Alarmglocken bei mir schellten. Warum geht er nicht direkt? Warum zieht er da noch mit ein? Ich weiß gar nicht mehr, mit was er sein verhalten erklärte, da es schon recht lange her ist, aber es war plausibel. Ich räumte ihm noch mehr Zeit ein. Ich verstand, dass es ein enormes Opfer war, das alles für mich aufzugeben, da kann es doch nur mehr als in Ordnung sein, wenn er mich besser kennt und weiß was auf ihn wartet. Vielleicht würde die Verliebtheit ja auch verfliegen.
Aber das tat sie nicht. Sie erfuhr circa 2 Monate nach dem Umzug von der Affäre, weil sie in seiner neuen Wohnung zu Besuch war und ich dort versehentlich was liegen ließ. Ich hatte panische Angst und irgendwie auch erleichtert. Jetzt muss alles ein Ende haben dachte ich. Aber nichts. Sie klammerte sich an die zerrüttete Vorstellung einer heilen Familie und wollte dass er bleibt. Er blieb.
Es folgten viele Monate, in denen wir unheimlich viel Zeit miteinander verbrachten. Wir arbeiten kaum und himmelten uns im Büro nur an und verbrachten viele Abende in euphorischen Gefühlen. Der Alltag störte uns null. Alles war harmonisch und wir hatten die Zeit unseres Lebens. Wir wussten das ist es. Mehr kann man in einer Beziehung nicht finden, es gibt einfach nichts, das nicht passt wie die Faust aufs Auge. Nach zwei Jahren Beziehung mit 1,5 Jahren zusammenwohnen weiß ich, dass er der Deckel für mich ist.So viel schöner alles wurde, so schlimmer die Zeiten, in denen er am Wochenende in der Heimat war bei ihr. Silvester, Weihnachten verbrachte ich mit ganz vielen Tränen. Er versprach mir immer wieder an Tag x oder y würde er sich entscheiden, aber er tat es nicht. Sie wusste weiterhin, dass er Gefühle für mich hatte, aber dass er ein Doppelleben führte nicht. Seine Gründe waren immer nachvollziehbar. Seine Kinder liegen ihm sehr am Herzen. Sie wäre alleine keine so gute Mutter und braucht ihn immer wieder um ein bisschen auf den Boden zu kommen. Das neue Haus. Er schob immer wieder kurzfristige Gründe vor "hier wird X eingeschult, ich will nicht dass er den Tag so in Erinnerung behält" oder "ihre Oma ist gestorben". Er fand viele viele Gründe und am Ende war er sich einfach nicht sicher, ob er das aufgeben will. Er meinte zu mir, wenn es die Kinder nicht gäbe wäre alles eine Sache von Minuten und das glaube ich ihm. Das neue Haus das viele viele Hundert Tausende gekostet hat erschwert natürlich auch einiges. Und ja, seine Kinder… seine Tochter ist ein Papakind und vergöttert ihn.
Trotzdem hat er sich getrennt von ihr. Und ich dachte mir jetzt ist es bald geschafft. Aber er bekommt den letzten und wichtigsten Schritt einfach nicht hin. Er zieht nicht aus (bzw. bittet sie nicht auszuziehen). Er redet angeblich immer mit ihr darüber, wie es weitergehen soll und dass es so nicht weitergeht aber richtig passieren tut nichts. So hat er eben jetzt noch alles. Schön bequem. Seine Familie, seine Kinder, Haus und Freunde dort und mich.
Nun. Warum ich hier schreibe? Ich hasse mich selbst mittlerweile für das was aus mir geworden ist. Ich habe schon einmal eine Beziehung geführt, in der ich betrogen und nur gelitten habe. Und jetzt ramme ich mir zu allen möglichen Gelegenheiten ein Messer ins Herz, weil er sich jeden Tag, den er sich nicht trennt, gegen uns entscheidet. Wir streiten mittlerweile sehr häufig über das Thema. Ich versuche mich ständig halbherzig zu trennen und eine normale Beziehung zu führen, aber schaffe es nicht. Ich liebe ihn viel zu sehr. Aber endlich mal ein langes Wochenende mit dem Partner oder zwei Wochen Urlaub, kommt mir vor wie eine Utopie. Ich will endlich seine Kinder und Familie in der Heimat kennenlernen. Habe eh schon das Gefühl, die Kinder zu kennen, weil er mir so viel erzählt und ich sie bei seinen abendlichen Telefonaten auf Lautsprecher höre. Mittlerweile vertröstet er mich nicht mal mehr mit Zeitpunkten, bis zu denen er etwas getan haben will. Das letzte Mal sagte er mir, er weiß dass er gehen will, aber nur nicht wie. Naja, mehr lösen als die vorhandenen (irgendjemand zieht aus), fallen nicht vom Himmel und er muss einfach mit ihr reden. Oft arten unsere "Trennungsgespräche" in Panikattacken meiner- oder seinerseits aus. Am Ende liegen wir uns wieder in den Armen und lassen uns doch nicht gehen. Zwischenzeitlich war ein Lichtblick zu sehen. Er ist nicht mit ihr und den Kindern in den zweiwöchigen Urlaub gefahren (vom dem er mir nur wenige Wochen vorher erzählt hat). Ich habe ihm klar gemacht, dass es das mit uns war, wenn er fährt und er tat es nicht. Er kam sogar über ein langes Wochenende zu mir nach Spanien. Danach wieder nichts. Jetzt war er wieder drei Wochen am Stück in der Heimat, weil die Kinder Ferien hatten. Ich hatte mir dies als persönliche Grenze gesetzt. Ich wusste nach dem ersten Jahr mit den ersten Sommerferien dass ich das nicht wieder ertragen kann und will. Und dennoch fuhr er. Ich bat ihn, die Kinder mit in seine Zweiwohnung zu nehmen, wenigstens für einige Zeit, aber das tat er nicht. Mittlerweile verliebte er sich in der Haus, in dem er sich anfangs so fremd fühlte. Ich entfernte mich immer weiter von ihm. Wir haben viel von uns verloren durch die ständigen Tiefs und meinen Trennungswunsch bzw. sein Nichthandeln.
Nun bin ich absolut ratlos. Sitze hier und merke wie alles den Bach runtergeht. Denke mir, wenn ich noch ein bisschen warte, vielleicht tut er es dann? Er will jetzt nachdenken, ob er es kann. Wir stehen gefühlt ganz am Anfang obwohl ich weiß dass schon viel passiert ist. Der Gedanke, dass ich nur noch ein bisschen warten müsste macht mich fertig. Wenn er mir doch nur sagen könnte, ob er es jemals kann. Ich weiß dass ich eigentlich nicht mehr weiter gehen kann, wenn ich mich nicht gänzlich selbst aufgeben will. Tut er vielleicht etwas wenn ich weg bin? Ich denke eher nicht. Er wird tiefen Liebeskummer haben und dann seine Zeit fristen. Wenn die Kinder groß sind, werden sich beide trennen und er wird an mich zurückdenken und vieles bereuen. Das hat er mir selbst am Anfang mal so gesagt. Tut unglaublich weh. Was mache ich nun?
Naja, mal wieder zurück in die Realität. Immer wenn ich mich ihm spreche, mich zu trennen, klappt es nicht. Nächstes Wochenende komme ich aus einer beruflichen Fortbildung anderorts wieder. Er ist noch weg. Ich werde meine Sachen packen ohne mit ihm zu reden. So der Plan. Der Gedanke allein stürzt mich fast in einen Heulkrampf, weil ich Angst habe, ihn für immer verloren haben. Aber fast zwei Jahre sollten nun langsam genug sein. Er wird nicht gehen.
24.09.2022 22:51 •
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