Hallo Florentine,
ich möchte dir noch erzählen, wie das bei meinem Töchterchen (mittlerweile 5, die Trennung liegt 1 1/2 Jahre zurück) lief. Als wir noch zusammen waren, gab es vorrangig eine klassische Rollenaufteilung. Die Mama war zuerst in Karenz, arbeitete dann Teilzeit und ich durchgängig Vollzeit. Ich versuchte zwar Feierabends, bzw. am Wochenende so viel an Zeit / Aufgaben mit meiner Tochter zu übernehmen wie möglich, aber kann natürlich nicht verleugnen, dass vieles diesbezügliche dennoch an der Mama hängenblieb.
Mit der Trennung starteten wir dann mit unterschiedlichsten Modellen. Einerseits um unsere Tochter nicht von heute auf morgen aus der Gewohnheit zu reißen, andererseits aber auch da ich selbst erst berufliches bzw. die Wohnsituation klären musste. Darüber hinaus waren wir sicherlich auch mit allem etwas erschlagen - neben dem Beziehungsende auch noch unsere Tochter aufzuteilen... Anfangs wechselte die Kleine alle paar Tage zwischen Mama und Papa - denke wir waren damals bei einer Aufteilung von 70:30%. Mit der Zeit ging das ganze dann auf 8 Mamatage und 6 Papatage über, mittlerweile sind wir bei 7 Mamatagen und 7 Papatagen - sprich einem wochenweisen Wechsel. Natürlich birgt es viele Herausforderungen bzw. muss man sich darauf einlassen. Ich kürzte u.a. meine Arbeitszeiten, um in der kindesfreien Woche nicht sozusagen durchgehend arbeiten zu müssen (um die Minusstunden in der Kinderwoche einzuarbeiten). Musste dadurch natürlich finanziell einiges in meinem Leben anpassen. Musste viele Dinge erlernen, die zuvor eher die Mama gemacht hat, usw... ABER jeder Vater, der Vater sein will, kann und wird da hineinwachsen und ich bin der festen Überzeugung, dass es nichts gibt was ein Papa nicht kann. Natürlich gab es Zeiten in denen das Töchterchen den anderen Elternteil vermisst, usw... - man entwickelt aber ein Gefühl dafür und Wege / Rituale, etc... wie man das durch bekommt. Mittlerweile kommt sie sehr gut mit allem zu recht - meist war der Zwerg auch scheinbar stärker als unsereins. Ihr ging es um Stabilität, dem Wissen dass weiterhin beide Elternteile da sind (selbst wenn nicht physisch),... sie freut sich über ihre zwei Zuhause, über ihre jeweilige Mama- und Papawoche, die unterschiedlicher nicht laufen könnten von den Aktivitäten her, etc...
Kurzum: Wenn beide Elternteile weiterhin gleichwertige Eltern bleiben wollen, abseits von finanziellen Gedanken und/oder persönlichen Egobefindlichkeiten, dann ist dies definitiv möglich. Ich bin sicher, dass in dieser Situation die Elternteile über sich hinaus wachsen können und definitiv weiterhin die bestmöglichen Eltern für ihr Kind sein werden - selbst wenn einer bis zur Trennung eher eine kleinere Rolle in der Kindererziehung übernommen hatte (da eben für andere Familienbedürfnisse, etc... zuständig.).
Natürlich ist es schwer, gerade anfangs, von seinem Kind getrennt zu sein. Natürlich ist es schwierig zu wissen, dass eventuell ein neuer Partner diese und jene Dinge mit dem eigenen Kind machen kann, welche einem selbst nicht zu dem Zeitpunkt möglich sind, usw... Aber mit der Zeit lernt man die positiven Aspekte darin zu sehen. Ich kann einerseits ein 100% Vater für meine Tochter sein, der sich in der Papawoche intensiv mit ihr auseinandersetzt, weit mehr als je zuvor. Und andererseits kann ich in der Mamawoche einfach Ich sein, die Freiheiten genießen, mich anderen Dingen zuwenden, usw...
Da das Verhältnis, infolge des Trennungsablaufs, zwischen meiner Ex und mir nicht das beste ist, haben wir die Kommunikation auf ein absolutes Mindestmaß reduziert. Mittlerweile rein auf Elternebene verlagert. Mehr oder weniger - wenn es keine großen organisatorischen Dinge gibt - hören und sehen wir einander nicht. Die Übergabe erfolgt immer Montags, somit meist über den Kindergarten. Welche Dinge sie im Detail in der Mamawoche mit unserer Tochter macht, sind für mich nicht zwingend relevant - ich weiß zu akzeptieren, dass es ihr in der Mamawoche genau so gut geht wie in der Papawoche. Ich weiß zu akzeptieren, dass wir einander informieren, wenn etwas mit unserem Töchterchen wäre - unabhängig davon wie wir auf anderen Ebenen zueinander stehen. Somit kann ich die freie Woche auch komplett abschalten und genießen. Natürlich gibt es Ausnahmen, die eine Abstimmung im Hinblick auf Erziehung / Förderung / Entwicklung / Interessen unseres Zwerges auf Elternebene erfordern. Aber das ist bis dato minimal, man muss eben lernen zu vertrauen, dass der ehemalige Partner - unabhängig der Trennung - ein guter Elternteil ist. Schlussendlich habe ich geplant mit ihr damals ein Kind bekommen, weil ich sicher war, dass sie eine gute Mutter ist - und abseits aller Themen auf Beziehungsebene ist sie dies sicherlich noch. Selbst wenn sie manche Dinge - zumindest gefühlt - anders handhabt als wir es zusammen getan hätten. Am Ende muss man es so sehen, dass das eigene Kind immer auch von anderen Personen erzogen/betreut wird, unabhängig davon wie die Mama-/Papabeziehung aussieht - sei es im Kindergarten, in der Schule, der Familie, etc...Das zu akzeptieren und zu erkennen war vielleicht für mich das schwerste, erst ab diesem Zeitpunkt konnte ich das jetzige Modell mit allen Vorteilen genießen und es positiv sehen. Und darüber hinaus: Wer wäre ich, wenn ich nicht darauf vertrauen dürfte, dass sie bei ihrer Mama gut aufgehoben ist (natürlich gibt es Ausnahmen, keine Frage, aber in derartigen Fällen hätte es eventuell auch Probleme mit oder ohne Trennung gegeben. Ich sehe meine Tochter wöchentlich und verbringe dabei eine sehr intensive Zeit mit ihr - und bin mir daher sicher etwaige Probleme besser erkennen zu können, als ich es früher als Feierabendpapi hätte können).
Ansonsten läuft das ganze bei uns in etwa so (wobei ich aus Österreich komme, somit sicherlich Unterschiede vorliegen):
- Wir liegen bei 50:50, wöchentlich wechselnd, im Sommer jeweils 2 Wochen. Feiertage bzw. besondere Tage (Geburtstag, Muttertag, Vatertag, ...) sind gesondert geregelt und werden jährlich abgewechselt... Am Ende erstellt sich der Plan jährlich quasi von selbst, ohne großen erneuten Abstimmungsbedarf. Klar ist, dass es natürlich künftig noch Anpassungen und Abstimmungen - infolge Schule, fortschreitendes Alters, ... - geben wird.
- Ich zahle einen Restunterhalt, der auf unseren unterschiedlichen Gehältern beruht und somit dem Ausgleich des unterschiedlichen Lebensstandards dient. Inwiefern ich darüber denke ist eine andere Sache und will ich im Detail hier nicht anführen. Aber der Restunterhalt lässt einen zumindest weiterhin leben.
- Darüber hinaus teilen wir uns nur größere, haushaltsübergreifende, Kosten wie den Kindergarten, Versicherungen, Vereinsmitgliedschaften, ...
- Tägliche Ausgaben für Kleidung, Spielzeug, Tagesaktivitäten, ... trägt jeder selbst. Natürlich kommt es dadurch zu Doppelaufwänden, etc... - ermöglicht aber auch eine reibungslose Übergabe im Kindergarten ohne große Reisetasche. Unser Töchterchen genießt die unterschiedlichen Spielzeuge, etc... die sie bei Mama und Papa hat.
- Mitgenommen hatte ich damals nichts aus ihrem ursprünglichen Kinderzimmer. Das wollte ich ihr so lassen wie es war. Klarerweise war somit die Erstanschaffung /-ausrüstung ihres neuen Kinderzimmers bei mir extrem aufwändig - aber spätestens ab dem Tag des Einzuges mit den neuen Sachen hatte sie ihr zweites Zuhause lieb gewonnen
Am Ende wird das Wechselmodell funktionieren, insofern beide Seiten es aus sicher heraus wollen und das Kindeswohl dabei in den Vordergrund stellen. Dies nicht nur sagen, sondern auch wirklich in Taten leben.
26.08.2020 14:26 •
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