Zitat von WeisseKatze: Ja, so geht es mir auch. Über allem liegt eine dicke, dunkle Decke. Einerseits würde natürlich alles mit ihm mehr Spaß machen - oder überhaupt nur mit ihm Spaß machen. Andererseits ist mein größeres Problem, dass ich nicht weiß, was mir überhaupt Spaß macht, was mich interessiert. Ich würde gerne etwas machen, obwohl er es vielleicht sch. finden würde, nur für mich. Aber mir fällt nichts ein. Es ist ein bißchen so, als würde ich ohne ihn gar nicht mehr existieren.
Beziehungen wie solche sind für jeden der Beteiligten toxisch. Er fühlte sich überfrachtet, vereinnahmt und eingeengt, auch wenn Du ihn bewusst nicht eingeengt hat. Aber der Partner fühlt instinktiv, dass er eben doch vereinnahmt wird, indem die Partnerin ihn zu ihrem Gott, ihrem Heilsbringer hochstilisiert und ihm immer die stille Botschaft mitteilt, dass er dafür da ist, Dich glücklich zu machen.
Das ist weder Dir noch ihm bewusst, aber gerade in engen Beziehungen laufen unbewusst viele Prozesse ab, die keiner bewusst erkennt, die aber wahrgenommen werden. Oftmals kann man sie nicht mal richtig artikulieren, am wenigsten, wenn man drin steckt. Meist erkennt man erst mit einem großen Abstand, was da eigentlich ablief.
Ich hatte mal ein Schlüsselerlebnis. Die Trennung lag lange zurück, ich hatte mein Leben neu eingerichtet, alles lief gut. An ihn dachte ich kaum mehr. Der Kontakt war lange abgebrochen und das war auch gut so.
Ich saß an meinem Tisch - allein und frühstückte. Auf einmal fiel er mir ein und ich fragte mich warum das so ist. Verspürte irgendeine Faser meines Herzens noch Sehnsucht? Nein, da war keine da. Wollte ich vielleicht insgeheim Kontakt aufnehmen und mich wieder bei ihm ins Spiel bringen, denn dass ich so schnell gestrichen war in seinem Leben, machte mir arg zu schaffen. Verletzter Stolz und wieder mal das Gefühl aus der Kindheit: ich bin nicht wichtig, nicht gut genug, nicht liebenswert, ich habe versagt ...
Aber auch danach verspürte ich keinen Wunsch. Ich war eher erleichtert, dass er weg war und in meinem Leben keine Rolle mehr spürte. Warum also dachte ich an ihn?
Und auf einmal geschah etwas Merkwürdiges: ich sah uns beide auf einer Bühne, wie wir ein trauriges Zweipersonenstück aufführten. Ich sah, wie einer den anderen verletzte, ihm weh tat, obwohl er das gar nicht wollte und wie wir uns aneinander abarbeiteten. Er mit seinem Wunsch nach Freiheit, Unabhängigkeit und doch innerlich mit einer großen Sehnsucht nach Akzeptanz und Zuneigung. Die gab ich ihm ja im Überfluss, aber das war für ihn wieder auch Vereinnahmung, denn er hatte das dunkle Wissen: sie will was dafür!
Und es war auch so, ich war nicht so frei von Eigennutz wie ich dachte. Ich erinnerte mich mal an etwas, was er mal gesagt hatte und zwar nach der Trennung. Er meinte, ich hätte ihn ausgenützt und ich war tief betroffen! Ich ihn ausgenützt, nein, das war falsch und es war wieder mal eines der Manöver zur Schuldumkehr. Er hatte mich ausgenützt, so war das doch! Er hatte meine Liebe, meine Zuneigung, meine Bewunderung seiner Person angenommen und dann mit Füßen getreten und mich weggeworfen wie einen nassen Putzlappen, der ausgedient hatte.
Wir einigten uns damals darauf, dass keiner den Anderen nicht ausgenützt hatte, zumindest nicht mit Absicht. Und doch hatte ich diese eine Aussage nie vergessen! Wenn so was kleben bleibt, hat es eine Bedeutung und ein Korn Wahrheit.
Und auf einmal sah ich es und es wurde mir erstmal bewusst: Ja, ich konnte nun verstehen, wie er sich mit mir gefühlt hatte, mit meiner Liebessehnsucht, meinem Wunsch nach Anerkennung und Geltung. Wie das kleine Kind, das nach Aufmerksamkeit sucht. Gell, jetzt hast Du mich lieb! Von wegen!
Und ich verstand, wie er sich wohl fühlte: er war eine Art Gott für mich, ich bestätigte ihn, hielt zu ihm, sah ihm alles Mögliche nach ( er hatte halt eine schwere Kindheit usw.) , rannte ihm gefühlt hinter her, was ich nach Kräften verbergen wollte. Ich hatte ihn auf ein Podest gestellt und auf einem Podest lebt es sich auch nicht so gut. Denn der Andere weist sich damit selbst einen Platz zu seinen Füßen zu. Die Achtung des sich freiwillig Unterordnendem schwindet, man wird als langweilig, reizlos und irgendwann als lästig empfunden.
Und inwiefern hatte ich ihn ausgenützt? Ich hatte ihn zu einer Art Lebensretter gemacht und jede Menge Aufgaben an ihn gehabt.
Bitte mach Du mein ödes Leben bunt, werte es auf und werte damit mich auf. Bitte zeige Du mir, dass ich liebenswert bin, damit ich endlich glauben kann, dass auch ich es wert bin, geliebt zu werden. Bitte achte Du mich, wo ich mich doch selbst nicht achten kann.
Hier, ich gebe Dir mein trauriges Herz! Mach es bitte heil und dann gib es mir wieder zurück.
Erledige Du, was ich selbst nicht für mich tun kann, weil ich einfach nicht an mich glaube.
Und im Gegenzug bekommst Du die beste Frau an Deiner Seite, die Du Dir vorstellen kannst.
Ich merkte auf einmal, dass in meinem Verhalten tatsächlich viel Eigennutz steckte. Natürlich wollte ich ihm auch was dafür geben - meine bedingslose Liebe. Naja, so bedingungslos war sie natürlich doch nicht, denn ich gab sie ihm, damit er mich aufwertete.
Da wurde ich traurig und einige Tränen flossen auch. Ja, er hatte Recht gehabt, ich hatte ihn auch ausgenützt, ihn benützt und hatte es nicht gemerkt. Er sollte mein Heilsbringer sein und mich endlich ganz machen, damit ich mich gut mit mir fühlte.
Es war ein lichter Moment und eine Botschaft aus dem Unterbewusstsein, die lange brauchte, bis sie den Weg auf die bewusste Ebene fand. Ich sah frühere Beziehungen an und erkannte die Wiederholung.
Ich hatte meine Männer immer sehr geliebt, aber dahinter steckte viel Egoismus und wenig Verständnis für den Anderen. Und dann war ich doch nicht gut genug und fühlte mich weggeworfen und wertlos.
Eine Beziehung muss in der Waage sein, Jeder muss etwas geben und darf etwas nehmen, aber ich hatte etwas Sträfliches getan: ihn zu einem Retter gemacht, der mir das Gefühl geben sollte, dass ich seiner Liebe wert war. Denn dann fühlte ich mich endlich ganz. Wichtig, wahrgenommen, geachtet.
In der Beziehung fühlte ich mich alles andere als das: ich war ein Zaungast, der ihm traurig bei seinem tollen Leben zusah und gerne die Hauptrolle hätte spielen wollen. Das verwehrte er mir, denn er blieb autark. Er brauchte mich nicht, aber ich brauchte ihn.
Ich war der Spielball, den er an die Wand knallen konnte oder mit dem er fröhlich spielen konnte - nach Belieben. Denn ich hatte mich selbst aufgegeben und mich in eine emotionale Abhängigkeit begeben, die ich normal fand.
Eigentich kein Wunder, wenn man da als Klotz am Bein empfunden wird. Er war ja nicht bösartig, er wollte mir nicht schaden, aber natürlich war auch er sehr beschädigt. Seine Bindungsängste, sein Streben nach Freiheit verletzten mich, weil sie mir einen Spiegel vorhielten, dass ich genau das Gegenteil war und wollte.
Seine Bindungsänste kollidierten mit seinem Wunsch nach Liebe und Anerkennung, denn auch er hatte ein schwaches Ego, das beständig Futter brauchte. Denn tief in sich war auch er davon überzeugt, dass er der Liebe nicht wert war.
Zwei defizitäre Menschen können sich nicht heilen, nicht helfen, sie leben nur ihre Mechanismen an sich aus und tun weh ohne es zu wollen. Wir beide waren bindungsgestört, lebten es aber unterschiedlich aus. Er vermied aktiv zu feste Bindungen, machte sein Ding, entzog sich und hatte dafür ein nettes Repertoire an Distanz schaffenden Mechanismen. Er stellte mich immer wieder kalt, er sprach verschwurbelt und immer war ich gefühlt die Dumme, Nein, so habe er das nicht gemeint, gesagt ... Ich hatte es falsch aufgefasst.
Naja, vielleicht hatte er ja Recht und ich gab klein bei - wieder Mal. Ich hasste seine verschwurbelten, halbherzigen Antworten auf brennende Fragen. Er war nicht ehrlich, auch wenn er nicht direkt log. Aber er hinterging mich doch und er war charakterlich auch ein Schwein. Ich weiß nicht, ob ich so viel besser bin und war.
Seine Selbstbeweihräucherungen, die ich verachtete: Ich kenne jetzt übrigens Frau X von der Firma Y (scheinbar sehr wichtig) und Herr S hat mir letzthin das Du angeboten, was sehr selten bei ihm ist. Eine Auszeichnung für ihn und ich dachte mir bloß wieder: Meine Güte, was bist Du daran angewiesen! Ich fühlte sein schwaches Selbstwertgefühl, aber auch wenn ich versuchte, es aufzuwerten, so war es doch umsonst. Es wirkte nicht, denn wenn Jemand nicht an seinen Wert glaubt, so kannst Du oben reinschütten, was Du willst und kannst, es läuft doch durch.
Und wieso war ich eigentlich dafür da, ihm seinen Selbstwert aufzumöbeln, wo ich doch selbst keinen hatte!
Und ich? Ja, ich trug meine Liebe zu ihm wie auf einem Tablett. Sieh her, wie liebenswert ich doch bin, ich bringe Dir ein ganz volles Fass voller Liebe und Nachsicht und das gab ich dann einem Mann, der das gar nicht wollte. Was wollte ich denn mit einem Bindungsvermeider? Wo ich doch dringend einen liebenden Mann suchte, der mich aufmöbeln sollte und mir beweisen sollte, dass ich es wert war. Was trug ich das einem Mann hin, von dem ich wusste, dass er keine Beziehung halten konnte, weil sie ihm die Luft abschnürte?
Ich ging den Weg hintenrum. Ich hängte mich an Männer, von denen ich merkte, dass sie bindungsgestört waren. Die wollte ich dann heilen, ihnen beweisen, wie toll ich doch war. Ich suchte da nach Liebe, wo ich sie nicht fand.
Mein Unterbewusstsein ist klüger als ich. Es lehnte sich entspannt zurück und dachte sich: ich bin safe, keine Gefahr, denn es gibt keine Beziehung. Denn auch ich vermied feste Bindungen, indem ich die falschen Männer suchte. Dass ich mich auf der bewussten Ebene aufarbeitete, mich quälte und mein fast nicht vorhandenes Selbstwertgefühl von ihm ganz kaputt machen ließ, ist dem Unterbewusstsein ziemlich egal. Es weiß nur, feste Bindungen tun weh und sollten daher vermieden werden. Wenn meine Mama mich schon nicht genug liebte, wer sollte es denn sonst tun? Ich war es ja doch nicht wert.
So was verfestigt sich natürlich und ist ein innerer Glaubenssatz. Und von nichts verabschiedet sich ein Mensch schwerer als von verinnerlichten Glaubenssätzen. Man muss sie erst mal bemerken, das ist schon mal Voraussetzung. Aber ach, da gibt es ja Gott sei Dank so viele Verdrängungsmechanismen, dass man sich lieber nicht damit abgibt. Darüber breiten wir den Mantel des Vergessens, das wollen wir doch gar nicht wissen. Aber es ist eben doch da und es wirkt in unser Leben, steuert unser Verhalten ohne dass wir es merken.
In Dir steckt ein sehr verletztes kleines Mädchen, das so gar nicht an sich glauben mag. Denn derjenige, der das Mädchen hätte heil machen sollte, hat es nicht getan. Im Gegenteil, er hat Dich eiskalt aus seinem Leben geschmissen und tut es noch.
Es ist eigentlich egal, was er tut oder auch nicht, es ist eh falsch. Schreibt er sachlich, dann ist er ein gefühlskaltes Ar..., schreibt er emotional, denn ist es heuchelerisch und dient nur seinem guten Gewissen. Schreibt er nicht, so ist das ja nur typisch für ihn, denn liebevoll war er ja nur zu seinem Hund. Schriebe er, so würdest Du es auch abwerten.
Ich will Dir nicht sagen, Du bist Schuld an der Misere. Nein, beide haben ihren Teil dazu beigetragen und meist ist die vermeintliche Schuld sogar gleichmäßig verteilt. Ich war nicht der altruistisische Engel, der ihn von einer wundervollen Liebesbeziehung überzeugen wollte. Ich wollte was dafür, ich wollte viel, zu viel. Denn wer sein Wohl und Wehe von einem anderen Menschen abhängig macht und ihm die Verantwortung für das eigene Wohlbefinden aufdrückt, der wird scheitern. Denn das was gewünscht wird, kann der Andere nicht leisten, vor allem, weil er ja selbst unter seinem Unvermögen leidet.
Die eigentlichen Dynamiken erkennt man erst mit viel Abstand. Es war damals eine Botschaft, die mir mein Unterbewusstsein schickte mit der Aufforderung, das mal genauer zu betrachten. War es so einfach? Ich die Gute und er der Schlechte? Die Gute ist auch schlecht und der Schlechte ist nicht nur schlecht, weil er seine Haut retten wollte.
Ich verstehe heute so vieles besser. Und daher habe ich gerade vom Scheitern viel profitiert. Ich habe mich selbst angeschaut und so manches entdeckt, was leider im Argen lag oder noch liegt. Aber es hat mir auch geholfen, irgendwie ein besserer Mensch zu werden, der seine Umwelt nicht aburteilt und abwerten muss, um sich selbst groß zu fühlen. Ich denke, ich bin recht großmütig und man kann mit mir auskommen, denn ich bin freundlich, rücksichtsvoll und gebe mir Mühe, die teils befremdlichen Eigenarten anderer Menschen zu akzeptieren. Ich will ja auch akzeptiert werden und ich habe auch befremdliche Eigenarten.
Ich habe gelernt, dass ich selbst für mich verantworlich bin und dass ich auch gut zu mir sein darf.Wenn ich mich nicht um mich kümmere, tut es keiner. Ich kann keine Liebe erwarten, wenn ich keine Eigenliebe in mir habe. Ich kann keine Achtung erwarten, wenn ich mich selbst nicht achte und alles mit mir machen lassen. Kein anderer Mensch ist so verantwortlich für mich wie ich selbst. Ich glaube, auch daran hapert es bei Dir. Selbstfürsorge, Achtsamkeit gegenüber sich selbst ist zu wenig ausgeprägt. Stattdessen wird die Umwelt betrachtet und sich mit anderen verglichen. Oh je, die nächste Klatsche. Alle haben es geschafft, leben happy family und glückliche Liebe, aber ich ... ich habe es ja nicht geschafft. Ich fühlte mich wohl mit meinem Verheiratetenstatus, weil der zeigt, dass ich der Liebe wert bin.
Ist es so einfach? Sind alle anderen glücklich, weil gebunden? Vielleicht denkt die ein oder andere, die hat es gut, die darf ihr Leben ohne Verantwortlichkeiten leben.
Gib Dir selbst mal eine Chance! Anstatt schon wieder alles abzuwerten, sieh mal das Positive. Eine Arbeit ist keine Kontaktbörse und keine Kuschelkita. Eine Arbeit bedeutet Lebensunterhalt und manchmal stellen sich KollegInnen auf den zweiten Blick als netter heraus als vorher gedacht. Du kennst doch den Spruch: wie man in den Wald hinein schreit, so schallt es zurück.
Er war halt nicht der Traummann, den Du in ihm sehen wolltest. Er fühlt sich doch mit sich selbst nicht wohl und der einzige, der ihm das kalte Herz wärmt, ist sein Hund. Er ist einsam und verlassen und merkt es nicht. Und vermutlich hat er narzistische Züge. Auch er ein Opfer seiner Kindheit.
Mein Goldexemplar war ja immer recht kulturbeflissen, kannte sich aus mit Musik, auch wenn sie nicht meinem Geschmack entsprach und mit Filmen. Ich weniger. Aber ich wusste, ich würde gerne ins Theater gehen. Warum kann ich nicht sagen. Aber ich hatte ja Niemanden. Meine Schwester wohnt ein gutes Stück weg, mein Partner hat kein Interesse, Freundinnen hatte ich auch nicht die dafür geeignet gewesen wären. Man könnte auch alleine gehen, könnte man meinen. Aber ach, nö, da stehst Du blöd in der Gegend rum, allein und alle anderen sind zu zweit oder kennen Jemanden. Und Du? Sieht ja jeder, dass Du keine Begleitung hast.
Da fühlst Du Dich dann unsicher und minderwertig, also kein Theater. Nach der Trennung keimte der Wunsch nach einem Theaterbesuch wieder auf.
Und dann besorgte ich mir eine Karte und ging hin - allein. Und ein Wunder geschah, ich fühlte mich nicht allein, auch wenn ich ohne Begleitung war. Es gefiel mir, es gab mir was und ab da ging ich oft ins Theater und habe teilweise wunderbare Schauspiele gesehen. Komödien interessieren mich nicht, zu banal. Aber Dramen, die mir was sagen die eine Botschaft haben, sagen mir zu. Ich merkte, was mir gefiel und was nicht, aber das muss man ausprobieren. Aber ausprobieren setzt voraus, dass man in die Gänge kommt.
Ich merkte rasch, dass ich lieber allein ins Theater gehe. Ich muss mich nicht austasuchen, ich bin dann ganz bei dem Stück auf der Bühne und will mir hinterher Gedanken machen, ohne dass mich Jemand stört. Es war ein Gewinn für mich und das habe ich erst nach der Trennung angefangen, weil ich es versuchen wollte und mir nicht dauernd selbst im Weg stehen wollte. In der Pause hole ich mir einen Prosecco und stehe allein und schau mir andere Leute an. Aber ich fühle mich nicht mehr minderwertig.
Ich ging viel ins Kino, sah schlechte und gute Filme, auch immer allein.
Und dann kam ein großer Kongress in Berlin. Ausgerechnet Berlin. Er, der Ex. war schon oft dort gewesen, hatte sogar eine Art Freundin dort, bei der er übernachten konnte, natürlich umsonst, denn aufs Geld schaute er immer. Mir war das ein Dorn im Auge, aber was hätte ich dagegen sagen sollen? Du, ich bin eifersüchtig und was ist das mit dieser Frau? Ich schwieg und sagte nichts und fragte nichts. Mein Traum war es, einmal mit ihm gemeinsam nach Berlin zu fahren, von meinem Wohnort sind das schon einige Hundert Kilometer.
Tja, auf dem Kongress würde er wahrscheinlich auch sein. Die Sparte ist nicht so groß. Und ich hatte ihn seit der Trennung nicht mehr gesehen. Was würde das mit mir machen? Ich würde traurig werden, ihn sehen und mein Herz würde schmerzen und ich würde in meinem Hotelzimmer sitzen, traurig und verlassen und allein. Die Einsamkeit würde mich überrollen.
Kein Problem, es war ja freiwillig und wenn ich nicht dorthin fahren würde, wäre es auch egal.
Es nagte in mir. Sollte ich oder lieber nicht? Ich würde mich garantiert verfahren, mich nicht auskennen. Berlin ist riesig, ich lebe in der Provinz. Wie sollte ich das schaffen? Und doch, immer wieder sagte eine Stimme, los, fahr dahin.
Und dann buchte ich mein Zimmer, meine Bahnkarte, meine Teilnahme am Kongress und hatte eine Tasche mit sämtlichen Verbindungen des ÖPNV bei mir. Der Weg vom Bahnhof zum Hotel und umgekehrt, der Weg vom Hotel zum Kongress und umgekehrt usw.
Und dann war alles so einfach. Ich traf Kollegen, hatte Spaß und jeden Abend etwas anderes vor. Lernte neue Kollegen kennen, einfach so. Ich fühlte mich gut, ich fand mich zurecht. Und dann hängte ich noch zwei Tage dran. Vier Tage Kongress und zwei Tage für mich. Ich hatte mir ein Programm gemacht und war begeistert.
Ich fuhr heim und fühlte mich so wohl wie lange nicht mehr. Berlin war mein Freischwimmer gewesen. Er war gar nicht gekommen, was gut war.
Ich ging auch in Berlin ins Konzert und hinterher setzte ich mich in ein Lokal und bestellte mir ein Glas Wein und war glücklich. Glücklich, tatsächlich! War ich in der Beziehung glücklich gesesen? Die meiste Zeit nicht, denn ich war von Verlustängsten und Unsicherheiten geplagt. Und der Ex? Wann hatte ich denn schon mit ihm gelacht? Er lachte ja nicht, er lächelte allenfalls. Richtig lachen konnte er nicht, weinen sicher auch nicht. Denn er war lau, es war kein Feuer in ihm. Und ausgerechnet dort suchte ich Wärme.
Mir wurde bewusst, dass ich in der Beziehung meine Lebensfreude weitgehend verloren hatte. So viel Macht hatte er über mich gehabt, denn ich lebte ja für ihn. Und wenn er nicht liebevoll war, war ich unglücklich und fühlte mich wertlos. Und das war die meiste Zeit der Fall. Ich hatte ihn über mein Wohlbefinden, meine Eigenständigkeit entscheiden lassen.
Ich musste erst lernen, dass ich eigenständig etwas unternehmen konnte und wenn ich allein in einem Lokal saß, freute ich micht, dass ich es nun schaffte, es auch allein zu können. Ich bin gerne mit mir allein, trotz Beziehung, die ich jetzt erst richtig ertagen kann. Ich kann eigenständig entscheiden und dennoch in einer Beziehung sein. Ich darf glücklich sein, was ich mir lange verwehrt habe und das strahlt auch auf den Partner ab. Ich bin nicht mehr abhängig von der Zuwendung eines Menschen und dieser Mensch entscheidet nicht über meine Stimmung, wie es der Ex getan hat. Er ist nicht perfekt. Gut so, ich bin es auch nicht. Seltsamerweise kann ich jetzt eine Beziehung haben, ohne mich abzuarbeiten.
Der Schlüssel dazu ist Eigenliebe und Akzeptanz des eigenen Ichs. Ich darf glücklich sein, mich freuen, ich gestehe es mir zu.
Irgendwann hatte ich genug gelitten. Ich finde, Du hast auch genug gelitten. Du darfst es Dir auch mal gut gehen lassen. Geh halt ins Theater oder ins Kino oder mach sonstwas. Probiere was aus und erwarte nichts. Das Leben zeigt Dir schon, was zu Dir passt. Und irgendwann ist dann der Weg frei für eine neue Beziehung. Jetzt nicht, viel zu früh und zu wem solltest Du auch Vertrauen haben, wo Du Dir selbst nicht vertraust?
Lass ihn nicht über Dein Leben entscheiden. Das hat er lange genug getan. Es reicht irgendwann und Du bist ohne ihn genauso viel wert. Ach ja, wo ist er hin, der Selbstwert, denn über den hat ja er bestimmt? Finde ihn und es wird Dir besser gehen.
Du darfst glücklich werden, aber das musst Du Dir auch zugestehen.