Hallo zusammen,
ich habe in den letzten Tagen recht viele Beiträge im Forum gelesen, leider aber nur ansatzweise ähnliche Situationen gefunden - deshalb möchte ich nun doch selbst das Wort ergreifen und ein wenig von meiner Situation berichten. Ich hoffe auf ein paar interessante Inputs, die vielleicht das ewige Gedankenkarussel in meinem Kopf etwas entschleunigen oder in neue Richtungen lenken können.
Seit bald 9 Jahren bin ich in einer Beziehung, seit 3 Jahren sind wir verheiratet und haben eine Tochter, ebenfalls 3. Vor knapp 2 Jahren hat mein Mann das erste Mal geäussert, dass es ihm nicht sonderlich gut geht, er Probleme auf der Arbeit hat und ich habe versucht, viel für ihn dazusein. Mit der Zeit hat er sich mehr und mehr zurückgezogen, hat immer weniger unternehmen oder gemeinsam Zeit verbringen wollen. Ich habe wieder und wieder versucht, mit ihm zu reden. Irgendwann war es so extrem, dass er Panikattacken hatte und zum Arzt ging. Der stellte fest, dass das alles vom Job käme und gab ihm den Rat, sich mir anzuvertrauen. Seitdem hat er sich etwas mehr geöffnet, aber irgendwo doch nur auf der Oberfläche, er versank mit der Zeit trotzdem in seiner eigenen Welt. Anfang des Jahres machte ich wieder einen Versuch, mit ihm zu reden, weil ich merkte, dass meine Kräfte langsam schwinden und meine Bedürfnisse praktisch gar nciht mehr erfüllt werden. Seine Reaktion auf meine Aussage, dass ich leider langsam nicht mehr glücklich mit unserer Beziehung bin war ein Tränenausbruch, in dem er mich anflehte, ihn nicht allein zu lassen und auf ihn aufzupassen. Auch das habe ich noch eine Weile probiert, recht erfolglos - wir redeten immer weniger miteinander.
Im März suchte ich ein wenig Ablenkung und Kontakt zu Menschen, die von meinem Alltag unberührt sind (er bat mich eindringlich, mit niemandem über seine Probleme zu reden). Das tat gut und nach einiger Zeit entstand ein Kontakt, der immer intensiver wurde. Dieser jemand, nennen wir ihn Paul, hat mir auf einmal Kraft gegeben, war für mich da, hat plötzlich eine Seite von mir hervorgeholt, die fast nur noch auf Sparflamme lief. Er ist selbst in einer Beziehung seit 4Jahren, fing aber auch gerade an zu wanken, was Zukunftsplanungen angeht. Die Situation zuhause wurde immer verfahrener und unerträglicher, ich habe mich sehr in den Kontakt mit Paul gestürzt. Wir haben viel telefoniert, auch mit Bild, und sind uns immer näher und vertrauter geworden.
Im April war es dann soweit, dass zuhause eisige Stimmung herrschte, wir gar nicht mehr redeten und als mein Mann ohne Kommentar morgens die Wohnung verliess, nachdem ich am Abend zuvor seit Ewigkeiten mal wieder auf einem Konzert war, konnte ich nicht mehr. Ich habe meine Sachen gepackt und bin mit der Kleinen zu meinen Eltern in der Ferne gefahren. Zunächst sind bei ihm alle Sicherungen durchgebrannt, er hat mir gedroht, mich angefleht, alles versucht, dass ich aus dem Zug steige und gar von Selbstmord gesprochen, wenn ich ihn allein liesse. Ich bin gefahren...
Nach ein paar Tagen hat sich der Sturm gelegt, er kam zur Besinnung und wir konnten reden. Er sah ein, dass er fachkundige Hilfe braucht und versprach, zum Arzt zu gehen. Ich blieb noch ein paar Tage bei meiner Familie, um zu Kräften zu kommen. Der vorletzte Tag bot sich ziemlich spontan für ein Treffen mit Paul an, weil sein Heimatort von meinen Eltern einiges nähre war als von zuhause. Wir haben uns das erste Mal gesehen und die Chemie hat gleichermassen gestimmt, wie über die Entfernung.
Dann bin ich wieder nach Hause, habe gehofft, dass sich was ändert und wir miteinander versuchen,unsere Beziehung in den Griff bekommen. doch nach einigen Besuchen beim Hausarzt passierte nichts weiter ausser Tabletten für meinen Mann und ich resignierte allmählich...und verkroch mich weiter in den Kontakt zu Paul. Ende Mai ging es meiner Oma plötzlich sehr schlecht und ich fuhr allein zu meiner Familie- wo Paul anbot, unterstützend dazuzustossen.
Wir verbrachten 2 intensive Tage, in denen ich wieder auflebte, ihn sogar mit zu meinen Eltern nahm und plötzlich das Gefühl hatte, mich in seiner Gesellschaft bei meiner Familie viel wohler zu fühlen, als ich es jemals mit meinem Mann getan habe...die Gefühle sind seitdem stark und stärker geworden und ich habe die Zukunft meiner Beziehung immer mehr in Frage gestellt - da weiterhin kaum Bewegung in Richtung Veränderung/Besserung einsetzte.
Vor einigen Wochen nun habe ich abends mein Handy auf dem Tisch liegen lassen, es kam eine SMS von Paul, dass er mich vermisse und mein Mann hat sie vor mir gelesen...woraufhin er mich bat, meine Sachen zu packen. Ich war am nächsten Tag dabei, dem Folge zu leisten - da schrieben wir einige giftige Emails, bis er dann plötzlich anrief und fragte, ob wir reden könnten. Ich glaube das war der erste Tag seit langer langer Zeit, an dem wir einander offen gegenüber getreten sind...wir haben vereinbart, dass wir nun ganz aufrichtig miteinander umgehen wollen und versuchen, unsere Beziehung irgendwie zu retten. Bedingung: ich breche den Kontakt zu Paul ab...
ich hab mich darauf eingelassen und versuche, das durchzuhalten. es bewegt sich viel, wir reden das erste Mal gnadenlos offen und klären viel angestautes der letzten Jahre. Er bemüht sich wahnsinnig um mich, wir unternehmen endlich wieder Dinge zusammen, ich kann seine Nähe wieder annehmen. Aber ich suche sie nicht aktiv, vermisse ihn während der 3 Tage praktikumsbedingtem Auswärtsschlafen kaum und es ist bedrückend, auf seine Liebesbekundungen nichts erwidern zu können oder zu wollen, weil das Gefühl einfach nicht da ist.
Paul hingegen fehlt mir unendlich und in mir schreit alles danach, ihm zu schreiben, mit ihm zu sprechen... er hat sich auf Funkstille eingelassen, mir zuliebe und sagt, er wartet auf mich...
Nun nagt die Angst in mir, dass auch alle Bemühungen, die Beziehung wieder in den Griff zu bekommen - so sehr sie auch von Erfolg gekrönt sein mögen - nichts an meinen fehlenden Gefühlen ändern werden. Kann es sein, dass sie aus einem Selbstschutz heraus einfach irgendwo weggesperrt wurden und nur wieder vorgeholt werden müssen? Oder ist einfach über die Dauer der Zeit zuviel passiert, was meine Liebe zu meinem Mann zerstört hat? Und wie lange sollte man derart gegen seine Gefühle handeln? Denn es sind ja durchaus selbige vorhanden - Paul gegenüber.
Ich bin durcheinander, erschöpft, finde kaum Kraft für meine Tochter, das Praktikum, werde von festgebissenen Verspannungen mit Schwindel, Übelkeit und Sehbeeinträchtigungen geplagt...
Kommt irgendjemandem die Situation wenigstens etwas bekannt vor? Wie geht man um mit einem solchen Zustand, wie er bei mir momentan herrscht?!
Für jede Anregung bin ich sehr dankbar!
Liebe Grüsse
27.07.2011 12:11 •
#1