Hallo,
ich fürchte, dies wird ein längerer Text.
Ich bin (w.) bin 48 Jahre alt, seit 17 Jahren verheiratet.
Unsere Ehe war nie leicht, weil wir beide ziemlich komplizierte Menschen sind. Wir waren aber in vielen Bereichen auf einer Wellenlänge, intellektuell, beim Humor, konnten gut miteinander reden. Nach der Geburt unserer Tochter wurde alles noch komplizierter. Sie ist Asperger-Autistin, hat viele Schwierigkeiten. Wir beide, sieund ich, haben über die Jahre eine Art Symbiose gebildet, weil wir uns so ähnlich sind. Inzwischen habe ich auch die Diagnose Asperger bekommen.
Zwischen meinem Mann und mir war S. immer ein Problem, wir haben einfach unterschiedliche Einstellungen zu dem Thema. Als meine Tochter größer wurde (sie ist jetzt 14) habe ich wieder angefangen, stundenweise zu arbeiten. Durch meine größere Selbständigkeit entfernte ich mich von meinem Mann, merkte, dass ich innerlich auf der Suche war.
Und dann tauchte er auf: Er war der Therapeut (Psychologe) meiner Tochter. Er hatte von Anfang an einen guten Draht zu ihr, und auch ich habe mich supergut mit ihm verstanden. Er ist 14 Jahre jünger als ich, verheiratet mit einer Frau in meinem Alter. Wir verliebten uns ineinander - es war wie ein Traum. Wir konnten uns nur selten sehen, haben uns täglich viele Mails geschrieben. Er war sehr überschwänglich, sagte, er liebe mich, wir seien Seelenverwandte, es sei die ganz große Liebe. Seine Ehe sei am Ende, weil seine Frau ihn so sehr bevormunde (die Beispiele, die er nannte, waren auch wirklich krass, sie verbot ihm sogar Freundschaften). Wir wollten ein gemeinsames Leben beginnen, mussten aber wegen seiner Rolle als Therapeut vorsichtig sein. Und er wolle sich auch schonend von seiner Frau trennen, weil sie in ihrer ersten Ehe schon einmal wegen einer anderen verlassen worden sei.
In den folgenden Wochen begann eine Art Doppelleben. Ich dachte nur noch an ihn, wir schrieben uns ständig. Er versicherte mir, dass er noch nie jemanden so geliebt habe wie mich und dass er alle, alle Schwierigkeiten mit mir durchstehen wolle, damit wir gemeinsam leben könnten. Er war unglaublich zärtlich, es war wie im siebten Himmel. S. wollte er erst, wenn er sich getrennt hätte. Ich freute mich in jeder Sekunde auf diesen Moment. Ich ging wie auf Wolken.
Allerdings hatte ich Skrupel, meinen Mann zu belügen. Und es fiel mir auch nicht leicht, ihn einfach so zu verlassen. Mein Freund war verständnisvoll, meinte ich solle mir Zeit lassen. Er werde seine Frau aber auf jeden Fall verlassen, er sei sich sicher. Und er sei sich auch absolut sicher, dass er mich und nur mich wolle. Im Endeffekt habe ich meinem Mann gesagt, dass es einen anderen gibt, verriet aber nicht, dass es der Therapeut war, um ihn nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Er sprach eher halbherzig mit seiner Frau, sagte, dass die Ehe nicht mehr so gut sei. Er hatte gehofft, sie werde ihm zustimmen und gehen, aber das Gegenteil war der Fall - sie bemühte sich um ihn.
Wahrscheinlich war das bereits der Punkt, an dem ich verloren hatte. Er erzählte seinen Eltern und seinem Bruder und sogar einem Kollegen, dass er sich trennen wolle, nur seiner Frau sagte er nichts.
Dann fuhr er mit seiner Frau in einen Wochenendurlaub, der schon lange gebucht war. Das tat mir ganz schön weh, aber er versicherte mir noch einen Tag vorher, dass nichts passieren werde, dass er sich danach trennen würde. Nach dem Wochenende war er verändert, ich spürte seine Zweifel, er sagte, wenn es mich nicht gäbe, würde er sich niemals trennen. Er hätte sich wohl nur vorgemacht, dass seine Ehe am Ende sei. Ich glaube, dass sie ihn an diesem Wochenende zum S. überredet hat und dass ihn das wohl aus der Fassung gebracht hat.
Dann kam der Knall: Mein Mann entdeckte eine Mail und wusste nun, wer hinter allem steckte. Er rastete total aus, drohte, alles der Frau und der Chefin meines Freundes zu sagen. Und mein Freund klappte in sich zusammen, bestand nur noch aus Angst. Nun musste er selbst seiner Frau und seiner Chefin von unserer Beziehung erzählen. Beide waren entsetzt. Ich bekam dann noch eine Mail von ihm, in der stand, er dürfe mich nicht mehr sehen, sonst würde er seinen Job verlieren. Und es sei sehr wichtig, dass ich sage, dass ich ihn zuerst geküsst hätte und nicht umgekehrt (was so nicht stimmt). Er müsse nun erst einmal nachdenken. Und ich saß zuhause, mit einem tobenden Mann, und dachte, ich müsse sterben. Es war das Pfingstwochenende, ich habe jede Sekunde gelitten wie ein Hund. Auf Mails antwortete er nicht mehr.
Nach einer Woche kam dann eine Mail. Es täte ihm unglaublich leid. Er sei ein Mensch, der zu stark darauf reagiere, wenn man ihm Liebe entgegen bringen würde. Er hätte mich toll gefunden, hätte mich auch nicht belogen, aber er hätte sich selbst wohl etwas vorgemacht. Und er habe das Gefühl so genossen, von mir geliebt zu werden. Und dann habe er Angst gehabt, mir die Wahrheit zu sagen, weil er mich nicht verletzen wollte. Er wolle nun seinen Job und seine Ehe retten. Ich dürfe ihm weiter schreiben, aber er wisse nicht, ob er antworten könne und wolle.
Ich wäre am liebsten tot gewesen. Mein Traummann, der alles für mich tun und alles mit mir durchstehen wollte, ließ mich einfach fallen, obwohl er wusste, in welcher Situation ich stecke. Er weiß auch genau, dass ich durch das Ende meiner Ehe Haus und materielle Absicherung verlieren und kaum Unterhalt bekommen würde, das hatte ich schon in Erfahrung gebracht. Und meine Tochter braucht ihn doch auch, er hatte geschworen, sich immer um sie kümmern. Ich habe keine Verwandten und kaum Freunde.
Ich war am Ende. Ich schrieb ihm weiter Mails, auf die er zögernd oder gar nicht reagierte. Ich erklärte ihm, dass es mir sehr weh täte, dass er wieder zu seiner Frau zurück gegangen sei und dass er uns doch noch eine Chance geben sollte. Er schrieb zurück, dass er sich sicher sei, dass er das nicht wolle, und dass wir uns erst wieder schreiben sollten, wenn es für mich auch funktioniere, keine Beziehung mehr herbeizusehnen. Das war keine zwei Wochen nach seiner letzten Liebeserklärung. Das war zu viel. Ich schrieb ihm, wie sehr er mir und meiner Tochter geschadet hätte und dass ich es nicht glauben könne, dass er uns nun, in dieser Situation, einfach fallen lasse. Dass sein Verhalten unreif sei und er mir unglaublich weh getan habe.
Ich saß in der Hölle. Mein Mann war verständlicherweise total wütend, stoppte die Therapie meiner Tochter. Und ich saß da und konnte es nicht fassen. Dann schrieb seine Frau mir eine Mail, ob ich S. mit ihrem Mann gehabt hätte. Ich antwortete ihr, dass das nicht der Fall sei, weil ich ihm helfen wollte. An seine Adresse schrieb ich ihm eine Warnung, dass sie sich bei mir gemeldet habe. Und es antwortete - seine Frau! Sie muss die geheime Adresse herausgefunden haben oder vielleicht hat er sie ihr sogar gegeben. Ich war fassungslos, wollte wissen, ob sie nun alle Mails von mir gelesen habe. Weil die Adresse ja nicht mehr sicher war, schrieb ich ihm über seinen Account bei einem Kunstforum. Seine Reaktion: Er löschte den Account. Ich machte noch eine andere Adresse ausfindig, schrieb ihm, er antwortete nicht. Ich schrieb an seinen Kollegen, der auch sein Freund ist, dass ich trotz allem zu ihm halte und versuchen wolle, beruflich Schaden von ihm abzuwenden - keine Antwort.
Mein letzter Versuch war eine Nachricht über What's App. Ich kann machen, was ich will, ich liebe ihn einfach und wollte nur noch wissen, ob er böse auf mich ist wegen meiner Vorwürfe und des Ärgers mit seiner Frau und wir nicht wenigstens in Gedanken Freunde bleiben könnten. Er las die Nachricht - und blockierte mich kommentarlos.
Ich kann nicht mehr. Ich habe vier Kilo abgenommen, rauche wieder, bin verzweifelt. Es ist, als hätte man mir die Sonne ausgeknipst. Ich habe nie eine schönere Zeit erlebt als mit ihm. Der große Traum vom Seelenverwandten, von der einen und einzigen Liebe - so hässlich zuende gegangen. Ich kann ihn nicht vergessen, denke an jede Sekunde mit ihm, an jede Mail, frage mich, ob er wenigstens lieb an mich denkt oder mich jetzt verflucht, weil er durch mich seine Ehe und seinen Job gefährdet hat.
Meine Tochter hat keine therapeutische Unterstützung mehr, mein Mann schwankt zwischen Hass und dem Willen, unsere Ehe zu retten und will meinen Ex-Freund vielleicht sogar verklagen. Als Therapeut hätte er niemals etwas mit mir anfangen dürfen.
Ich tue mein Bestes, mich wieder aufzurappeln, schreibe viel, rede mit den wenigen Freunden, die ich habe. Ich liebe den anderen und glaube nicht, dass meine Ehe noch zu retten ist. Ich habe fast alles verloren. Und ich bin nicht mehr jung. Ich glaube nicht, dass ich noch einmal eine neue Existenz aufbauen kann. Und ich glaube, dass mir nie wieder ein Mann begegnen wird, den ich so lieben kann. Und ich habe große Angst vor dem Alleinsein.
Das Gedankenkarussell dreht sich unaufhörlich. Selten Wut, meist Selbstvorwürfe und tiefe Trauer und das Gefühl absoluter Minderwertigkeit, weil ich es nicht geschafft habe, ihn zu halten, weil er mich gar nicht wirklich liebt. Er hätte doch wenigstens sagen können,. dass er mich noch mag, das hätte doch so vieles leichter gemacht. Der Gedanke, dass er mich nun wahrscheinlich hasst, steigert den Schmerz noch weiter. Meine große Liebe war für ihn nur ein Irrtum, den er sicher bitter bereut. Wie demütigend.
Weiß nicht weiter. Habe nie eine solche Leere gespürt und solchen Schmerz. Und ich bin ihm trotzdem nicht böse. Das alles klingt, als wäre er ein echtes Schwein, aber das ist er nicht. Er ist so liebevoll und nett. Wohl leider nur auch sehr schwach. Meine Therapeutin meint, seine psychosoziale Entwicklung sei gestört, er würde kindlich reagieren. Er ist total unsicher, wurde als Kind viel gemobbt. Und dass er eine so dermaßen dominante Frau habe, sei wohl auch kein Zufall. Er hatte wohl auch in mir eine starke Frau vermutet, hatte auch im Abschiedsbrief geschrieben, ich würde das sicher überwinden können - haha.
Ja, ich weiß, wenn man das alles so liest, klingt es jämmerlich und erbärmlich. Aber für mich ist es einfach tragisch. Und ich frage mich die ganze Zeit, wie man so wundervolle Dinge sagen und immer wieder beteuern und dann hinterher alles als Verblendung darstellen kann. Fühle mich unendlich wertlos und verlassen. Und während ich hier sitze und fast an meinem Kummer zugrunde gehe, sieht er in mir nur ein Ärgernis und hat seiner Frau sicher erklärt, wie unwichtig die Sache für ihn war. Hätte nie gedacht, dass man so leiden kann.
Danke fürs Lesen.
04.07.2014 12:17 •
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