Liebe Hobbit2,
Ich gebe zu, ich fand ja schon diesen Kugelschreiber recht amüsant und wollte ursprünglich darauf antworten, habe ich aber scheinbar nicht.
Die Wogen gehen ja schon wieder recht hoch, aber das ist wohl einfach so bei sehr vielen persönlich Betroffenen. Für die einen bist Du Teufel und für die anderen, die Parallelen in Deiner Situation entdecken (wollen) eine der Ihren. Der Aufschrei von Empörung respektive MITgefühl wird begleitend frei Haus geliefert.
Den Vertretern des „Trenn Dich sofort; Dein Mann hat etwas Besseres verdient“ lässt sich entgegnen, daß es für jeden dieser verwirrten „huch, meine Affaire verwandelt sich in Schmerz“ Beiträge ein passendes Äquivalent „das, was wir hatten, wurde einfach weggeworfen; warum will er/sie nicht wenigstens kämpfen?“ gibt.
Den schlaumeierischen Richtern, die sich ebenfalls zu Wort melden mit „eine Affäre ist eben kein Kampf um die Erstbeziehung“ darf dann auch mal vor Augen geführt werden, daß das unter Umständen auch ein Totschlag- zumindest jedenfalls kein hilfreiches Argument ist.
Natürlich ist es richtig, daß es grundsätzlich zu bevorzugen wäre, wenn derjenige, dem etwas fehlt in einer Beziehung dieses kommunizieren würde und sich gemeinschaftlich mit dem jeweiligen Partner an die Bearbeitung macht.
Nur, was ist denn bitte, wenn es einem erst durch die Affäre auffällt?
Nee, is klar, so etwas DARF ja nicht passieren und deshalb passiert es auch nicht. Versteh schon, ich bin die einzige, die ab und zu im Stress vergisst ordentlich zu essen und dann bei nächstbester Gelegenheit erst bei Schokoladenvorrat der Kollegin draufkommt, wie hungrig ich bin; NACHDEM ich bereits drei Riegel verdrückt habe.
Ja eh, Schokoriegel sind keine Menschen, der Vergleich hinkt. Natürlich hinkt der Vergleich.
Trotzdem bleibt, daß man hinterher eben sprichwörtlich immer schlauer ist.
Und nur weil etwas nicht passieren sollte, heißt das leider nicht, daß es eben nicht passiert.
Nun aber mal zurück zum Kugelschreiber: Liebe Hobbit, bei allem Verständnis kommst Du jetzt aber auch nicht ganz ungeschoren davon.
Schätzelein, meinst Du nicht, es ist an der Zeit, die Wahl Deines Arbeitsweges zu überdenken? Es wird ja jetzt nicht nur, diesen einen Zug geben, oder? Schau, so kommen wir doch nicht weiter. Du lauerst auf RE-Aktion, von der Du Dir wünschen würdest, daß es endlich wieder Aktion wäre und versteigst Dich immer weiter in ein „ich liebe meine Familie“ und er ist „die Leben des Lebens“.
Daß dem Herrn Kugelschreiber so ein bißchen die Tinte ausgegangen ist, ist Dir ja aufgefallen. Die Idee, daß man da jetzt unbedingt ein Abschlussgespräch erzwingen müßte, ist nur auf den ersten Blick plausibel. Abschließen geht auch in der Abwesenheit (manchmal sogar besser, siehe die Befürworter der Kontaktsperre) des jeweils anderen. Oder wie meinst Du kommen Menschen über den plötzlichen Tod eines geliebten Menschen hinweg? Die können jetzt auch nicht einfach immer wieder in den gleichen Zug steigen oder Textnachrichten schreiben in der Hoffnung, daß da jetzt noch etwas Brauchbares kommt.
Dein Vorsatz, Dich auf Deine Ehe zu konzentrieren, ist löblich. Es möge Dir gelingen.
Dennoch habe ich da so leichte Bedenken.
Weil wenn das so leicht gelingen würde, wäre der Herr Kugelschreiber ja wohl kaum die „Liebe Deines Lebens“. Das moralische Dilemma daran ist ja aber schon so ein bißchen, daß er eben genau das sein muß, weil nur (!) das würde rechtfertigen, daß Du es über einen längeren Zeitraum in Kauf genommen hast, demjenigen, den Du zumindest mal geliebt hast, dem Du die Treue versprochen hast und mit dem Du ein Kind groß gezogen hast, diesem Menschen, der Dich sehr liebt, die lange Nase gezogen zu haben (um es mal ganz höflich auszudrücken).
Um mal auf den Titel des Beitrages zurückzukommen, natürlich kannst Du die Affäre nicht vergessen, denn wenn Du Dir selbst das erlauben könntest, dann müßtest Du ja auch der unangenehmen Wahrheit ins Gesicht schauen, daß Du Deinen Mann hinter gegangen hast und zwar nicht aus dem einen über allem stehenden, alles rechtfertigenden Grund der ganz, ganz großen Liebe sondern aus geringfügigeren, kleinlicheren Gründen.
Ich kann sehr gut verstehen, daß man dieser Wahrheit aus dem Weg gehen mag. Niemand gesteht sich gern ein, daß man sich in einer Situation ziemlich mies und gemein verhalten hat. Das ist schwer. Das macht leider überhaupt kein Spaß.
Nur, das bedeutet doch auch nicht zwangsläufig, daß Du ein durch und durch schlechter Mensch bist.
Wir sind Menschen, wir machen Fehler. Manchmal verlaufen wir uns, manchmal tun wir anderen weh und noch sehr viel häufiger tun wir uns selbst weh.
Also der Weg aus dem Zauberwald heraus, heißt Ehrlichkeit sich selbst gegenüber und der Weg wird auch ein bissl Zeit in Anspruch nehmen.
Vielleicht ist der Herr Kugelschreiber ja wirklich Deine ganz große Liebe (ist jetzt nicht so wahnsinnig wahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen), dann heißt das ja nicht, daß Du den nicht weiter lieben darfst, für Dich still und mit Dankbarkeit, daß Dir eine solche Liebe widerfahren ist. Dann könnte man auch wieder so ein bißchen selbstloser und netter mit den Menschen umgehen, die um einen herum Gutes für einen tun (siehe Deinen Mann).
Vielleicht wird Dir die Ehrlichkeit andererseits aber eben Dinge aufzeigen, die weniger etwas mit Liebe sondern mehr mit Deinen (!) Bedürfnissen zu tun haben. Bedürfnisse, die halt so stark waren, daß Du deswegen gegen mögliche moralische (und vermutlich vor allem eigene) Grundsätze verstoßen hast.
Ich wünsch Dir alles Gute!
und wenn ich das noch anmerken darf bitte hör doch auf dem Herrn Kugelschreiber weiterhin einen Jahresvorrat an Post-its hinterhertragen, damit er Dir mal wieder schreibt.