Ich habe in letzter Zeit viel hier gelesen, das hat mir geholfen. Darum möchte auch ich meine Geschichte erzählen. Vielleicht bekomme ich noch mehr Hilfe.
Meine Frau und ich sind seit 28 Jahren zusammen. Wir haben uns kennengelernt, da waren wir knapp über zwanzig, ich etwas älter als sie. Wir sind zwanzig Jahren verheiratet und haben zwei Kinder. Meine Frau ist das, was ich mir wünsche – eine Partnerin, die neben mir steht. Sie ist groß, attraktiv, schlank, sportlich. Sie läuft regelmäßig, fährt Rad, ist eine begeisterte Schwimmerin, trainiert im Verein. Auch ich laufe, fahre Rad, gehe ins Fitnesstraining.
Ein Sprung zurück ins Jahr 2006. Die Jahre vorher waren schwierig. Die Arbeit fraß einen auf. Dazu kam, dass wir zusammengearbeitet haben. Da war das Zuhause kein Rückzugsgebiet, sondern eher eine Fortführung der Arbeit mit riesigem Konfliktpotential. Die Kinder wurden grösser und schwieriger. Im Jahr zuvor hatten wir unser Haus gebaut. Auch das kostete viel Kraft. Eine Situation, wie sie wohl auch andere kennen – viel Pflicht, wenig Lust.
Frühling und Sommer 2006 war unsere Beziehung dann kaputt. Wir waren emotional getrennt, haben nicht mehr miteinander gesprochen, nur noch gestritten. Wenn wir überhaupt noch miteinander geschlafen haben, war es reine Routine. Es war grauenhaft. Ich habe den Sport vernachlässigt, zu viel gegessen und getrunken, das Rauchen wieder angefangen. Entsprechend sah ich auch aus. Die ersten Gedanken an Trennung kamen auf. Einmal habe ich meine Frau gefragt, ob sie überhaupt mit mir zusammenbleiben wolle. Es kam keine Antwort.
Ende August sind wir für zwei Wochen in den Urlaub gefahren. Kaum in unserem Ferienhaus angekommen, hat ihr Handy vor mir auf dem Tisch gepiepst. Ich habe ganz automatisch danach gegriffen und die SMS gelesen - das erste Mal, dass ich eine SMS von ihr gelesen habe. Ich hatte keinerlei Misstrauen.
Diese SMS war sehr seltsam. Sie war nicht unterschrieben, aber dem Stil nach war deutlich erkennbar, dass ein Mann sie geschrieben hatte. Und es war deutlich erkennbar, dass es keine einfache Freundschafts-SMS war. Es waren zwar keine direkten Liebkosungen drin, aber viele Anspielungen. Ich habe sie auf diese SMS angesprochen und sie meinte, diese wäre von einer Freundin. Misstrauisch geworden, habe ich mir alle SMS in ihrem Handy angesehen und fand von derselben Nummer eine ähnliche SMS, einige Monate älter. Ich habe mir die Nummer notiert und beschloss abzuwarten.
Der Urlaub war schlimm. Das einzige, was meiner Frau wichtig erschien, außer mit mir zu streiten, war unsere rechtzeitige Rückkehr am Samstag, da am Sonntag ein Marathon stattfinden würde, zu dem sie unbedingt gehen müsste. Sie nahm zwar nicht teil, aber viele Freunde von ihr, besonders eine Freundin aus dem Schwimmverein würde teilnehmen.
Nachdem ich mir sicher war, dass der Marathon vorbei war, habe ich die Handynummer von einer Telefonzelle angerufen. Natürlich meldete sich ein Mann. Obwohl ich das erwartet hatte, bin ich fast zusammengebrochen. Ich schlich nach Hause und wartete auf meine Frau.
Sie traf einige Stunden später ein und ich konfrontierte sie mit dem ganzen. Zuerst leugnete sie alles, dann gab sie zu, dass sie einen Mann getroffen hätte. Aber es wäre überhaupt nichts passiert, sie wären nur gute Freunde. Ich bat sie dringend, die Wahrheit zu sagen, damit wir unsere Beziehung retten könnten, aber sie leugnete weiter. Ich sagte ihr, dass ich mit einem Seitensprung leben könnte, wenn es passiert wäre, aber von ihr kam nichts. Sie verhielt sich die ganze Zeit wie ein Politiker - nur das zugeben, was man nun wirklich nicht mehr leugnen konnte. Am Anfang behauptete sie sogar, nicht mal seinen Namen zu kennen. Absurd. Irgendwann war aber klar, dass es sich um einen Sportler aus dem Verein handelte, 10 Jahre jünger als ich.
Danach kamen ihre Vorwürfe - ich würde ihr nichts glauben, wäre maßlos eifersüchtig und so weiter. Gleichzeitig beteuerte sie, dass sie mich lieben würde und alles tun würde, um unsere Beziehung zu retten und weiterzuführen. Ich wusste nicht mehr weiter. Aber mir wurde klar, dass meine Frau mir nicht die Wahrheit sagen würde. Ich stand also vor der Entscheidung, mich zu trennen oder die Lüge zu schlucken und bei meiner Frau zu bleiben. Nun liebe ich meine Frau. Außerdem kamen wir uns wieder näher, die Beziehung lebte wieder. Also blieb ich und versuchte, das Ganze zu verdrängen. Aber das ist nicht so einfach, wie es klingt.
Die Jahre danach waren gute Jahre. Wir haben viel zusammen unternommen - Urlaub, Radtouren, ausgehen, mit Freunden feiern. Meine Frau hat ihre Freiheiten - Schwimmverein, Hobbys, Freunde und auch ich habe meinen Sport und meine Freunde. Trotzdem sind wir viel zusammen und aktiv. Auch s.uell läuft es gut. Wir schlafen oft und gerne miteinander und es macht Spaß. Mir jedenfalls. Wir waren glücklich - aber diese Lüge lag wie ein Schatten über uns. Immer wieder sprang mich das Ganze an - was war damals? Im Sommer letzten Jahres hatten wir einen furchtbaren Streit, dessen Bitterkeit von mir ausging. Da hat die Verdrängung nicht mehr geklappt.
Es wurde immer schwieriger, das Misstrauen wurde immer grösser. Vor einigen Wochen griff ich zum IPad. Meine Frau hatte gerade ihre Mails abgerufen, die Seite war noch offen. Die letzte Mail war von einem jungen Sportler, der sie anhimmelte.
Ich dachte, mich trifft der Schlag. Deja-Vu. Wieder mit einem jüngeren Sportler. Wieder geheime Nachrichten hinter meinem Rücken. Jetzt kam die ganze Bitterkeit der letzten Jahre hoch. Am nächsten Tag habe ich sie darauf angesprochen. Natürlich hat sie mir versichert, dass nichts dran wäre, dass alles ganz harmlos wäre. Und das war es auch. Es war die Mail eines Kindes, das Freundlichkeit mit einer Einladung verwechselte.
Zwei Tage später habe ich sie abends nochmals angesprochen. Ich habe ihr erzählt, dass mich dieses Geheimnis langsam zerreißen würde. Nach einiger Zeit fing sie an zu reden. Sie erzählte mir, dass sie damals 10 Monate eine Affäre gehabt hat, den anderen ein- bis zweimal die Woche getroffen und mit ihm geschlafen hätte. Sonst nichts. Sie hat nicht mit ihm gesprochen, etwas unternommen oder sonst etwas – nur mit ihm geschlafen. Einmal sogar in unserem Haus. Da gleich zweimal hintereinander.
Die nächste Woche war die schlimmste meines Lebens. Aber dann begannen wir zu kämpfen. Wir haben eine Paartherapie begonnen. Und wir haben viel miteinander geredet, viele Dinge aus unserer Beziehung kamen hoch, nicht nur die Affäre. Es war ein Auf und Ab. Manche Tage waren sehr glücklich, ich wollte sie nicht mehr loslassen. Andere Tage waren verzweifelt, ich habe geheult wie ein Schlosshund, wollte nur davonrennen und nicht mehr zurückkommen.
Und jetzt – drei Monate später – weiß ich nicht mehr, was ich tun soll. Ich habe realisiert, dass es hier nicht nur einen Schuldigen gibt. Ich bin auch verantwortlich. Ich habe das verweigert, was jeder Mensch braucht – Nähe, Wärme, Anerkennung, Zuneigung, Liebe. Ich hätte es geben können, ja müssen, aber ich habe es nicht gegeben. Sie hat sich das, was gefehlt hat, woanders gesucht.
Ich weiß, dass sie mich liebt. Sie ist zurückgekommen, hat um mich gekämpft. Und ich liebe sie. Aber ich weiß nicht, wie ich die ganze Sache verarbeiten soll. Am schlimmsten ist es, wenn wir, wie dieses Wochenende, glücklich miteinander sind. Dann holt mich die Verzweiflung ein. Dann realisiere ich, was sie alles riskiert hat, was sie alles weggeworfen hat. Was auch damals möglich gewesen wäre, wenn sie mir eine Chance gelassen hätte. Dann frage ich mich, ob der Betrug nicht zu groß, die Lüge zu ungeheuerlich war.
Wie kann man 10 Monate Woche für Woche aus dem Haus gehen, so tun, als ob alles normal wäre, und sich auf den anderen Mann freuen? Zurückkommen, die Kinder küssen, mich küssen und schnell duschen gehen, ohne einen Gedanken an den anderen zu verschwenden, ohne ein schlechtes Gewissen? Wie kann man zusehen, wie die Beziehung immer schlechter wird, die Probleme immer grösser, die Sprachlosigkeit immer weiter wächst? Und wie kann man mit einem solchen Menschen zusammenbleiben? Ich kann es nicht verstehen. Und ich weiß nicht, ob ich weiter kämpfen oder fliehen soll.
22.04.2013 21:13 •
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