Vielen Dank für die Antworten. Es hilft unwahrscheinlich, hier zu schreiben, die Gedanken zu ordnen, Hilfe von anderen zu bekommen.
Wie geschrieben, habe ich letzten Donnerstag realisiert, daß diese Affäre wirklich über ein Jahr gedauert hat, nicht 6 Monate, wie sie immer gesagt hat. Ich glaube nicht, daß sie mich absichtlich belogen hat. Nachdem sie damals realisiert hatte, was sie eigentlich getan hat, traf es sie selber wie ein Schock. Sie konnte nicht mehr damit leben, wollte diese Sache aus ihrem Leben herausschneiden. Sie hat es so gründlich verdrängt, daß sie heute nicht mehr weiß, was wann war.
Aber es ist grausam, immer wieder scheibchenweise neue Einzelheiten zu erfahren, immer wieder von neuem zurückgeworfen zu werden. Und es stimmt, eigentlich ist es egal wie lange eine Affäre gedauert hat. Aber „über ein Jahr“ ist eine symbolische Zahl. Es bedeutet, daß bei all den Ritualen, die man als Paar, als Familie zusammen feiert – Geburtstage, Weihnachten, Feste, Urlaub – immer ein anderer dabei war. Und man selber hat nichts bemerkt, es wurde einem heile Welt vorgespielt.
Als ich glaubte, es hätte ein halbes Jahr gedauert, nahm ich an, daß die Probleme, die wir hatten – der Streit, die Sprachlosigkeit – sie in diese Affäre getrieben hätten. Aber jetzt ist mir klar, daß sie da schon in der Affäre war. Ich habe Ursache und Wirkung verwechselt. Nicht unsere Probleme haben die Affäre verursacht, sondern umgekehrt. Sie hat sich von mir abgewandt, nur noch das schlechte in mir gesehen und mir keine Chance mehr gelassen.
Freitag und Samstag waren ziemlich schlimm. Wir haben dann viel miteinander geredet, versucht, die Gründe herauszufinden. Es fällt ihr schwer, über negative Dinge – besonders über diese – zu reden. Von selber tut sie es nicht. Wenn ich sie frage, kommt irgendwann die Antwort „Unter Druck kann ich nichts sagen“. Aber sie hat sich ein großes Stück weit geöffnet, viele Dinge kamen zur Sprache.
Samstag abend habe ich mich – und sie – gefragt, welches Leben ich führen will. Das eines frustrierten Mittfünfzigers – jetzt bin ich 51 – der deprimiert und übergewichtig in seiner Zwei-Zimmer-Wohnung sitzt, ab und zu seine Kinder sieht, zuviel trinkt, ißt und raucht und am Wochenende ins Bord. geht, seine Urlaube in Pattaya verbringt? Bitte erschießt mich gleich.
Oder ein Leben mit einer anderen Frau? Noch bin ich sportlich, habe noch Haare, bin über einsneunzig, kann noch kommunizieren, kann noch flirten. Aber bin ich wirklich bereit, mich nach 30 Jahren auf eine andere Frau einzulassen? Oder ende ich dann nicht wie oben beschrieben, wenn ich mich trenne?
Oder will ich mein Leben mit einer attraktiven, intelligenten, sportlichen, tollen Frau leben, die mich liebt und die zutiefst bereut, was sie getan hat? Die Antwort war dann ziemlich einfach. Ich habe sie in den Arm genommen und ihr gesagt, daß ich sie liebe.
Aber warum sitze ich dann hier und versuche, mein Gefühlschaos in den Griff zu kriegen? Der Sonntag war wunderbar. Wir haben zusammen gefrühstückt, sind dann 10 Km gelaufen. Nach einem (Nach-) Mittagsschlaf hatten wir tollen S.. (Wobei ich sagen muß, daß wir in den letzten Monaten den besten S. ever hatten. Eigentlich komisch. Man ist so erschüttert, aber es ist besser als je zuvor.) Warum habe ich dann in der Nacht so etwas wie eine Panikattacke, Angst vor ihr, Angst vor der Zukunft?
Kann ich wirklich nicht verzeihen? Ich habe immer geglaubt, daß ich kein nachtragender Mensch wäre. Meine Zündschnur ist ziemlich kurz, aber dann kann ich mich auch schnell wieder entschuldigen, die Entschuldigung des anderen annehmen. Aber vielleicht überfordert mich diese Sache. Ich kann mir für mich selber vorstellen, mit jemand anderes zu schlafen. Das kann jedem passieren. Aber über so lange Zeit ein Doppelleben zu führen? Irgendwann alles zu tun, um die Beziehung zu zerstören? Kalt zu sein, abweisend zu sein, aggressiv zu sein, in dem anderen nur noch das schlechte sehen? Das alles sicherlich unbewußt, aber nicht zu sehen, wie um einem herum alles kaputt geht, und trotzdem seine Affäre leben? Das überfordert mich.
Was trennt mich von ihr, was hält mich bei ihr? Da ist natürlich diese Affäre, diese lange, schmerzvolle Affäre, durch die unsere Beziehung so kaputt ging, durch die ich, durch die sie so zerstört wurden. Aber darüber habe ich schon genug geschrieben. Was hält mich bei ihr?
Vielleicht, daß auch sie so kaputt ging. Sie hatte zwar nicht die Kraft, das von alleine zu beenden, aber als es dann herauskam, hat sie alles sofort und konsequent beendet. Sie hat ihn nie wieder getroffen. Und auch keinen anderen. Wir haben jetzt seit über 6 Jahren wieder eine andere Beziehung. Wir sind viel offener geworden, unternehmen viel, sind viel zusammen, haben aber trotzdem Raum zum Atmen. Wir reden mehr, fliehen nicht mehr voneinander.
Wir sind seit fast 30 Jahren zusammen. Wir kommen beide aus dysfunktionalen Elternhäusern, haben es aber gemeinsam geschafft, uns zu Menschen zu entwickeln, die sich selbst mögen. Wir haben zwei Töchter zu prächtigen Menschen erzogen, die bald auf eigenen Füßen stehen können und daß ohne ihnen die Verletzungen zuzufügen, die wir selbst hatten. Wir haben es gemeinsam geschafft, über unsere Verletzungen hinwegzukommen und glücklich zu sein. Sicherlich nicht immer, aber doch sehr oft.
Sie schafft es, mich aus meiner Lethargie herauszureißen, die wohl mein Familienerbe ist. Wenn ich nur faul herumliege, nichts auf die Reihe bringen will, dann treibt sie mich zum Laufen, zum Radfahren, zum Ausgehen, zum etwas tun. Sie läßt mich nicht einfach in Selbstgenügsamkeit zurück.
Und sie liebt mich. Bedingungslos (zur Zeit. Das wird sich wieder ändern). Und es ist schön, so geliebt zu werden und diese Liebe auch anzunehmen. Und ich liebe sie. Jetzt wohl mehr als jemals zuvor. Und es ist schön, so lieben zu dürfen.
Eigentlich spricht viel mehr dafür, zusammenzubleiben als sich zu trennen. Wenn da nur diese Angst nicht wäre – die Angst, daß ich wirklich nie verzeihen kann, daß es immer in mir brennen wird, solange wir zusammen sind. Aber das glaube ich nicht. Ich glaube, daß ich es hinter mich bringen kann. Daß wir wieder glücklich zusammen leben können. Daß wir wieder einen neue, bessere Beziehung haben werden. Für die es sich lohnt, zu kämpfen.
29.04.2013 22:35 •
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