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Jugendliebe - auch 39 Jahre nach Trennung präsent

P
Hallo, schön, sich an dieser Stelle etwas von der Seele schreiben zu können. Über die Situation geredet habe ich seit vielen Jahren mit niemandem. Hat nie jemand verstanden.
Zu mir: Ich bin 59, verheiratet, zweifacher Vater und vierfacher Opa. Beruflich auf der Zielgeraden. Von außen eigentlich alles tiptop. Meine Frau und ich haben 1988 geheiratet und wir führen eine gute Beziehung. Eine Affäre war nie ein Thema in meinem Leben. Tja, mit einer Ausnahme.
Es geht um sie. Meine Exfreundin aus Jugendtagen. Ich schwärmte schon für sie, als ich 13 war. Und es war unglaublich für mich, als wir tatsächlich zusammen kamen, als wir beide 18 waren. Es war für uns beide die erste richtige Beziehung. Wir erlebten gemeinsam das erste Mal. Aber es waren 2,5 schwierige Jahre - geprägt v.a. vom Chaos rund um unsere Ausbildungen. Aber auch davon, dass ihre Eltern Alk. waren - was ich damals nie wirklich begriff. Im Rückblick war ich unreif. Ich suchte eine problemlosere Partnerschaft und fand sie mit meiner heutigen Frau.
Meine Ex blieb zurück. Es warf sie total aus der Bahn, was ich wiederum nicht begriff, denn Wochen zuvor hatte sie noch für einige Tage Schluss gemacht. Sie tröstete sich aber dann doch bald und wurde schwanger. Sie zog mit ihm zusammen, trennte sich aber bald darauf. Als sie später von meiner Verlobung und der anstehenden Hochzeit erfuhr, trafen wir uns einige Male. Schon damals vermisste ich bei meiner heutigen Frau etwas - letztlich Tiefe.
Meine Ex schrieb mir vor der Hochzeit einen eindeutigen Brief. Sie wollte mich zurück. Und ich überlegte intensiv - und entschied mich gegen sie. Und in den Folgejahren war sie auch deutlich weniger präsent in meinem Leben. Ich zog 250 km weg, wir sahen uns nicht mehr. Sie lebte bald in einer neuen, langjährigen Beziehung.
Das Internet brachte uns 2005 wieder in Kontakt. Wir tauschten E-Mails aus. Erst oberflächlich, dann intensiver. Sie bekannte, dass ihre Beziehung nicht passt. Und ich fragte mich, ob mein scheinbar perfektes Leben nicht eine große Lüge war. Wir trafen uns. Da passierte nichts. Freundschaftlicher Austausch. Aber in den Folgetagen wurde alles viel intensiver: E-Mails, Telefonate - und schließlich das Eingeständnis gegenseitiger Gefühle.
Wir kämpften beide gegen diese Gefühle - mit Blick auf unsere Familien. Wir trafen uns einige Male, wobei bis auf Umarmungen und wenige Küsse nichts passierte. Wir brauchten Pausen, oft monatelang. Aber letztlich zog sich das alles bis 2009. Da hatten wir uns wieder einmal getroffen. Bei mir gab es damals einen beruflichen Schnitt und ich nahm mir eine Auszeit. Dass ich meine Frau mitnahm, war für meine Ex der Anlass, den Kontakt abzubrechen. Ein kurzes Aufflackern gab es dann noch, seit 2012 ist aber endgültig Schluss. Sie trennte sich dann wohl wirklich von ihrem langjährigen Partner und lebt nun mit einem neuen Partner zusammen.
Tja, und eigentlich ist ja alles perfekt und gut. Meine Ehe funktioniert. Auch wenn mir immer noch die Tiefe fehlt. Wir unternehmen lange, gemeinsame Reisen.
Aber dennoch vergeht kein Tag, an dem ich nicht an meine Ex denke. Kein Tag. Mal ganz oberflächlich. Mal aber könnte ich heulen, dass wir keinen Kontakt haben. Die Erinnerungen halten alte Fotos, Tagebucheinträge, Briefe und E-Mails wach. Klar, das könnte ich alles vernichten. Wahrscheinlich würde es mir besser gehen. Aber das kann ich nicht. Und wenn ich dann alte Mails mit der Lebenserfahrung von heute lese, verstehe ich nicht, dass es nicht doch geklappt hat. Entweder vor 39 Jahren - oder eben irgendwann vor 15 Jahren, als wir beide immer kurz davor waren, unsere Beziehungen zu beenden.
Ich habe keine Ahnung, was sie heute denkt. Aber es gibt so kleine Zeichen meinerseits und ihrerseits. Wobei sie mehr reagiert auf meine Zeichen. Als ich 2023 ins Krankenhaus musste und ein Foto vom Krankenbett postete, da schrieb sie mir einen Tag später unter einem Vorwand und fragte etwas. Ewig hatte ich von ihr nichts gehört. Wollte sie rausfinden, ob es mir besser geht? War es Zufall? Als ich am 40. Jahrestag unseres Zusammenkommens eine Hausnummer 40 postete, da antwortete sie mit einem Smiley. Und wenn ich irgendwelche Naturbilder poste, dann tut sie das oft auch. Ein einziger Social-Media-Kontakt besteht noch. Da sehen wir gegenseitig, wenn wir uns die Bilder des anderen ansehen. Einen direkten, persönlichen Austausch gibt es seit zwölf Jahren aber nicht mehr. Von außen sieht es so aus, als wäre sie angekommen in ihrem Leben. Aber das kann täuschen.
Ich weiß: Ich tue nichts, um die Ex aus meinen Gedanken zu kriegen, im Gegenteil. Und mit Blick auf mein Alter beginne ich zu akzeptieren, dass das wohl bis zum Lebensende so sein wird. Keine Ahnung, warum das so ist. Ich habe schon darüber nachgedacht, ob ich ihr zum 60. Geburtstag schreiben soll. Ein einmaliger Brief. Und dann verwerfe ich diesen Gedanken gleich wieder, denn ich denke, ihr Schlussstrich 2012 war gut und richtig.
Danke fürs Lesen! Und vielleicht mag ja jemand etwas dazu schreiben.

29.12.2024 20:17 • x 6 #1


W
Zitat von Pinguinlover:
Hallo, schön, sich an dieser Stelle etwas von der Seele schreiben zu können. Über die Situation geredet habe ich seit vielen Jahren mit niemandem. ...

Die Frage wäre halt ob Du Deine stabile Ehe tatsächlich für eine Frau aufgeben solltest die etliche Abstürze hinter sich hat?

29.12.2024 20:41 • x 3 #2


A


Jugendliebe - auch 39 Jahre nach Trennung präsent

x 3


Heavydreamy
Hallo Pinguinlover,

schade, dass Menschen ihren Träumen nicht hinterher sind, sondern sie in ihrem Leben verweilen, obwohl sie eine gewisse Tiefe vermissen.

Tu nichts, was du später bereust, sagt man immer.

Aber die Angst hindert leider viele Menschen, ihre Träume wahr werden zu lassen.

Was würde deine Frau denken oder sagen, wenn sie diese Zeilen von dir lesen würde?
Hast du deiner Frau Mal gesagt, dass du eine gewisse Tiefe vermisst bei ihr?

Zitat von Worrior:
Die Frage wäre halt ob Du Deine stabile Ehe tatsächlich für eine Frau aufgeben solltest die etliche Abstürze hinter sich hat?

Gute Frage, aber stabile Ehe ist nicht immer die Erfüllung fürs Leben, finde ich.

29.12.2024 20:44 • x 9 #3


PizzaPeperoni
Irgendwie berührt mich das. Schon mit 13 für sie geschwärmt, mit fast 60 immer noch in deinem Herzen. So tragisch das alles ist, so schön finde ich das auch zur selben Zeit, keine Ahnung warum. Da meldet sich wohl kurz der Romantiker in mir, der sich gern mal versteckt.

Ich kann dir leider keinen guten Rat geben. Andere hier aber bestimmt schon

Wünsche dir alles Gute!

29.12.2024 20:46 • x 11 #4


T
@Pinguinlover dir fehlt offensichtlich ein bisschen Drama, das du bei dieser Jugendfreundin hattest und auch sicherlich gut wieder bekommen könntest.

Am sinnvollsten wäre es, du würdest mit deiner Ehefrau sprechen, ihr erklären dass dir in der Beziehung etwas fehlt und ihr würdet einen Paartherapeuten zu Rate ziehen.
Da könnte evtl. etwas Gutes draus werden.
Dass du mit der unsteten Jugendliebe von damals glücklicher wärst, glaube ich nicht eine Sekunde lang. Eher glaube ich, dass du es bitter bereuen würdest, die Liebe zu deiner Frau aufgegeben zu haben.
Sollte der Paartherapeut zu einem anderen Schluss kommen - go for it!

Aber das wäre die Reihenfolge, die ich dir empfehlen würde...
Denn du scheinst mit deiner Ehefrau sehr viel zu haben - vermutlich ließe sich an dem, was dir fehlt, gemeinsam arbeiten.
Wer weiß, vielleicht geht es ihr am Ende sogar ähnlich wie dir? Und sie weiß nicht wie sie es ansprechen soll..?

29.12.2024 21:18 • x 11 #5


P
Ich war in der Zeit zwischen 2006 und 2009 beim Therapeuten, u.a. wegen der Ex... Und da ging auch meine Frau einige Male mit. Keine klassische Paartherapie. Aber da kam schon auf den Tisch, was mir fehlt an Tiefe. Geändert hat das nichts. Und letztlich kann ich ja auch irgendwie damit leben - sonst kommen keine 36 Jahre Ehe dabei raus...
Ich hatte mal gelesen, dass man bei einer Person außerhalb der eigenen Beziehung das sucht, was in der eigenen Beziehung fehlt. Das ist bei mir zweifellos diese Tiefe, dieses blinde Verstehen über Jahrzehnte hinweg... Aber wenn man dann dieser Person zusammenkommt, dann begreift man erst, was beim anderen Partner perfekt war. Wir suchen also jene 10 oder 20 Prozent, die beim Partner fehlen, anderswo... Das ist mir schon klar.
Ändert aber nichts daran, dass ich die Ex in meinem Kopf habe...

29.12.2024 21:27 • x 4 #6


T
@Pinguinlover eine normale Therapie wo der Partner ein paarmal mitgeht ist wie du selbst sagst nicht annähernd mit einer Paartherapie zu vergleichen.

Zitat von Pinguinlover:
Aber wenn man dann dieser Person zusammenkommt, dann begreift man erst, was beim anderen Partner perfekt war. Wir suchen also jene 10 oder 20 Prozent, die beim Partner fehlen, anderswo... Das ist mir schon klar.

Sehr gut, dass dir das bewusst ist.

Aber schade, dass du nicht aktiv etwas verändern möchtest. Oder denkst du, deine Frau hätte kein Interesse daran..?


Zitat von Pinguinlover:
Ändert aber nichts daran, dass ich die Ex in meinem Kopf habe...

Wie kann man dir helfen..?

29.12.2024 21:30 • x 2 #7


Heavydreamy
Zitat von Pinguinlover:
Ändert aber nichts daran, dass ich die Ex in meinem Kopf habe...

Was dich wohl weiterhin sehr belastet, nach all den Jahren, sonst wärste nicht hier. Auch wenns eben nur die 20% sind.

Ich finde tiefgehende Gespräche und sich auch verstehen ohne Worte, genauso schön. Und solche Menschen gibt es auch wirklich nicht oft!

Tja, was macht ein Mann in deinem Alter jetzt, damits ihm besser geht?

Neue Schritte wagen?

29.12.2024 21:31 • x 2 #8


Wirdschon
@Pinguinlover , erstmal willkommen hier.

Darf ich Dich fragen, ob dein Leben immer schon ein ruhiger Fluss war und nur wenn die Ex mitmischte, der Fluss sich nach reißendem Strom angefühlt hat?

29.12.2024 21:47 • x 5 #9


Heavydreamy
Zitat von Wirdschon:
Darf ich Dich fragen, ob dein Leben immer schon ein ruhiger Fluss war und nur wenn die Ex mitmischte, der Fluss sich nach reißendem Strom angefühlt hat?

Eine tolle, tiefsinnige Frage

29.12.2024 21:47 • x 1 #10


W
Ich habe hier glaube ich noch keinen Thread gelesen wo kein Therapeut empfohlen wurde.
Leute macht mal halblang.

29.12.2024 21:52 • x 6 #11


Heavydreamy
Zitat von Worrior:
Ich habe hier glaube ich noch keinen Thread gelesen wo kein Therapeut empfohlen wurde.
Leute macht mal halblang.

Das gleiche dachte ich vorhin auch.

29.12.2024 21:53 • x 1 #12


P
@Wirdschon Ein schönes Bild. Ja, zweifellos war das so. Aber mir gefällt beides: Die Ruhe, die ein sanft dahinfließender Fluss ausstrahlt, und auch wilde Gewässer, Wasserfälle…

Letztlich sehe ich mich in keiner Weise vor einer Entscheidung. Die hat meine Ex 2012 für mich getroffen.

29.12.2024 21:57 • x 1 #13


S
Erst kürzlich hörte ich eine ganz ähnliche Geschichte von einem Bekannten. 30 Jahre verheiratet, die Jugendliebe nie vergessen. Immer mal wieder Kontakt. Dann jahrelang Stille. Und immer diese Zweifel bei ihm, damals das Richtige getan zu haben. Nicht der Romantik gefolgt, sondern der Vernunft. Die Ehefrau ein guter Kumpel. Die Liebe von damals ein Idealbild immerwährender Liebe.
Dann vor drei Jahren ein erneutes Wiedersehen. Wie elektrisiert bei der ersten Berührung. Kurz und gut - beide ließen sich scheiden, um endlich die wahre Liebe leben zu können. Jetzt sind sie getrennt. In der Realität war die Märchenliebe doch nicht so prickelnd. Der andere nur ein stinknormaler Mensch. Noch dazu einer mit allerhand Macken und Inkompatibilitäten.
Bleib bei deiner Frau, mein Lieber. Irgendwas fehlt immer. Und lass die andere ein bittersüßer Traum bleiben. Manchmal ist das viel schöner und besser als wenn man versucht, einen Traum zu realisieren.

29.12.2024 22:08 • x 11 #14


Heavydreamy
Zitat von SchmerzHoch10:
Wie elektrisiert bei der ersten Berührung. Kurz und gut - beide ließen sich scheiden, um endlich die wahre Liebe leben zu können. Jetzt sind sie getrennt. In der Realität war die Märchenliebe doch nicht so prickelnd. Der andere nur ein stinknormaler Mensch. Noch dazu einer mit allerhand Macken und Inkompatibilitäten.
Bleib bei deiner Frau, mein Lieber. Irgendwas fehlt immer. Und lass die andere ein bittersüßer Traum bleiben


Auch wenn es schief ging, es kam eine gewisse Reife an Erfahrungen dazu, die jeder von den Beiden wohl vermisst hätte.

Ich könnte mir vorstellen, dass so jemand dann, wenn das Leben zu Ende geht, denkt: ach hätte ich doch nur!

Aus jeder Erfahrung kann man was lernen. So sehe ich das.

29.12.2024 22:11 • x 1 #15


A


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