Ist mein Misstrauen berechtigt?

Hallo Zusammen,

Ich bin seit etwa ein halbes Jahr mit meinem Freund zusammen. Seit ich ihn kenne habe ich ein starkes Misstrauen, welches sich irgendwie nicht abgelegt hat und ich bin mir nicht sicher, ob es an meinen vielen vergangenen Enttäuschungen liegt, doch an ihn oder an mir selbst.
Ich habe mich schon selber mehrmals Fremdverliebt, tendiere auch sehr dazu, musste mein Leben lang in einer Lüge leben (bin sehr gut darin Dinge zu verheimlichen und vertuschen) und würde mir selber irgendwie nicht vertrauen.
Nun zu meinem Freund; er ist (leider und zum glück) mir ziemlich ähnlich. Er hat einen ähnlichen kulturellen Hintergrund, hat ähnlich viel Schei** erlebt in seiner Kindheit und trägt dadurch viele Narben (sogar mehr als ich). Durch unsere ähnliche Vergangenheit und Art, wie wir das Leben sehen, fühlen wir uns seit dem ersten Tag des Kennens sehr verbunden. Wir sind ziemlich schnell zusammen gekommen und zusammengezogen. Ich durfte auch schon nach einigen Wochen seine ganze Familie kennenlernen und sein engster Freundeskreis. Wir wohnen schon einige Monate zusammen und besser kann es nicht sein. Wir harmonieren extrem und haben einen sehr ähnlichen Lebensstil.
ABER ich habe grosse Zweifel, weil ich ihm nicht vertrauen kann. Und ich weiss nicht warum. Ich weiss, dass er extrem stark ist und sich sehr gut abgrenzen kann. Ich weiss, dass er sehr egoistisch sein kann, wenn er muss und niemals das Wohl eines anderen über seines stellen wird (genau so wie ich). Ich weiss, dass er Mühe damit hat, sich zu öffnen und sich verletzlich zu machen, weil das ein grosses Risiko ist und von den Engsten oft hintergangen wurde (genau so wie ich).
Ich sehe kein Grund, warum er mir Treu sein sollte. Ich traue ihm zu, dass er in der Lage wäre, eine Affäre zu führen, wenn er weiss, dass es kein Einfluss auf unsere Partnerschaft hat und mir einfach keine Umstände machen möchte (er hat kein schlechtes Gewissen, ich schon).
Es kam schon vor, dass er mich Missverstanden hatte und dachte es würde mich nicht stören, wenn er mit XY solche Dinge macht und hat somit mein Vertrauen gebrochen. Er hat mir gesagt, er hört damit auf, aber ich vertraue ihm da nicht, weil ich weiss, dass er selber nicht überzeugt ist, dass es falsch war und es nur mir zuliebe macht. Ich habe aber das Gefühl, dass mir zu liebe nicht lange hält, wenn er nicht selber überzeugt ist. Die Eigenschaft ich tue etwas für den, den ich liebe gibt es für ihn irgendwie nicht oder ich bin unfähig es zu bemerken. Ich denke, dass er das verloren hat (ich hab auch total Mühe damit und handle oft egoistisch, vielleicht unterstelle ich ihm das deswegen?).
ABER Ich weiss auch, dass er mir niemals schaden würde, wenn er sicher ist, dass es mir schaden wird. Ich weiss, dass ihm mein Wohl (wenn auch nicht über seines) sehr am Herzen liegt. Ich weiss, dass er sehr Loyal ist (wenn er überzeugt ist, dass es ein wichtiger Punkt ist). Er hat aber ein sehr eigenes Verständnis davon was für den anderen gut ist und hält sich nicht am anderen seine Aussage (oder vielleicht denke ich das nur).
Und das macht mir Angst - dass er einfach über mich entscheidet, was mich verletzen sollte und was nicht.
Ich möchte gerne daran arbeiten und mit ihm vertrauen aufbauen (es ist irgendwie auch nicht fair, wenn ich ihm mit misstrauen entgegen komme, aber ich will auch nicht naiv sein).
Da wir beide ziemlich kaputt sind, liegt mir viel daran, dass wir uns gegenseitig dabei unterstützen und einen Weg finden, eine Liebe aufzubauen, die wir beide (leider) nicht wirklich kennen (kennenlernen durften).
Ich habe nur manchmal das Gefühl, dass er sich damit abgefunden hat und gar nicht mehr versucht etwas zu retten, sondern einfach die Tatsachen akzeptiert und damit lebt. Wir reden viel und er weiss das alles, aber er kann mir nicht wirklich dabei helfen. Er vertraut mir auch sehr, sagt er zumindest. Er ist auch sogut wie nicht eifersüchtig auf mich und würde mir so ziemlich alles erlauben. Er meint, es sei nur bei mir so, da er diese Bindung über alles andere stellt und weiss, dass uns nichts trennen wird.
Doch manchmal frage ich mich einfach, ob diese Eifersuchtfreiheit eher an mangelnder Liebe zu mir ist. Mangelnde Verlustangst.
Vielleicht spinnt einfach mein Kopf umher, wegen alle Selbstzweifel, Ängste etc. Oder mein Misstrauen ist total berechtigt. Zudem traue ich keinem Bauchgefühl von mir.

Keine Ahnung. Was meint ihr? Was kann ich tun?
P.S war jahrelang in Therapie, wäre auch eine Option wieder hinzugehen.

Zitat:

Kaputt + Kaputt = wieder heile - diese Gleichung wird nicht funktionieren.

Ich weiss... aber gegenseitiges Verständnis kann helfen.

Zitat:

Er ist nicht Dein Therapeut, und Du nicht seine Therapeutin.

Wie kann ich lernen eine Beziehung zu führen ohne Beziehung?

Zitat:

Ihr seid ca. sechs Monate zusammen und wohnt seit wann zusammen? Und bei Dir oder bei ihm?

Wir wohnen seit 3 Monaten zusammen und haben etwas Neues gesucht.

Zitat:

Was reizt Dich daran? Ist es die stete Suche nach dem Prinzen, der Dich errettet?

Wenn ich das wüsste... Einerseits die vielen Optionen (Unabhängig, Intelligenz und gute Optik wirkt sehr attraktiv, wenn auch danach alles scheitert..) und irgendwie dieses Gefühl, geliebt und begehrt zu werden.

Zitat von Kummerkasten007:

Wie sahen Deine Beziehungen bisher aus? Und die jetzige Beziehung ist nicht der Typ vom letzen Jahr hier, oder?

Nein, ist ein anderer. Das vom letzten Jahr hat einiges in mir gebrochen, wahrscheinlich Hauptproblem des Vertrauens...
Meine Beziehungen waren meistens sehr kurz (Flucht des anderen) oder zu langweilig (eigene Flucht). Hatte keine lange richtige Beziehung auf Augenhöhe. Die einzige längere Beziehung war mit jemanden, der ALLES für mich getan hat...

Zitat von Kummerkasten007:

Und kannst Du überhaupt ohne Beziehung leben?

Ich denke die ehrliche Antwort darauf ist:
Nein. Denn in der Beziehung sehe ich meine Zukunft, die Möglichkeit eine Familie zu gründen... Was mir sehr wichtig ist.

Zitat von Lyone:

Denn in der Beziehung sehe ich meine Zukunft, die Möglichkeit eine Familie zu gründen... Was mir sehr wichtig ist.

Und dann? Da kommt ein optisch attraktiver Mann daher und Du verliebst Dich wieder fremd?
Du bist meiner Meinung nach auf der Suche nach Dir selbst. Deshalb Dein gesteigertes Geltungsbedürfnis und Deine ständige Suche nach Bestätigung.
So lange Du Dich selbst nicht aushalten kannst, wirst Du auch niemanden finden, der das kann.

Zitat von Lyone:

Denn in der Beziehung sehe ich meine Zukunft, die Möglichkeit eine Familie zu gründen... Was mir sehr wichtig ist.

Zitat von Lyone:

(bin sehr gut darin Dinge zu verheimlichen und vertuschen) und würde mir selber irgendwie nicht vertrauen.

Sehe da keine große Basis, wenn du dir selbst schon nicht traust. Was würden deine Kinder von dir lernen? Das es erstrebenswert ist, alle drei Monate Männer aus zu tauschen, wie nasses Hemd?

Finde dich zuerst selbst, ohne wechsel Männer, dann könnte es unter Umständen vielleicht auch solange halten, bis die Kinder gezeugt, geboren und erwachsen sind

Ich danke euch für eure Meinungen...
Bin da eurer Meinung, mir sind meine Baustellen durchaus bewusst. Mal bin ich stabiler, mal weniger. Ich war auch schon über ein 1 Jahr allein lebend und hatte nur so kleine Affären (nichts wirklich grosses). Ich kann sehr gut allein sein und bin dann zufrieden mit mir.
Ich verfalle einfach in einem Muster, sobald ich in einer Beziehung bin (und ich will eine Beziehung führen können). Ich verliere mich irgendwann selbst und schütze mich durch Fremdverlieben oder durch Klammern... Und ich möchte diese Muster aufbrechen und ich möchte dafür nicht mein Freund verlieren, weil ich weiss, dass das etwas einzigartiges ist und dass wir in vielen Bereichen schon sehr weit sind. Ich möchte an mir arbeiten und diese Muster lösen. Ich möchte aber nicht um jeden Preis in einer destruktiven Beziehung verharren. Daher ist es mein Wunsch, ebenfalls Meinungen von aussen zu hören, um mal aus meiner Subjektiven Perspektive rauszuschauen. Dafür Danke ich euch.
Ich möchte mich selbst finden... es ist nur wirklich nicht so einfach.

Dein Partner bzw. generell Männer sind nicht dafür verantwortlich was in deinem Leben schief gelaufen ist. Wenn man viele Negativerlebnisse hatte ist es nachvollziehbar, dass du misstrauisch wirst aber du wirst auch verstehen müssen das sich ein Partner nicht vor dir zu jedem Wimpernzucken rechtfertigen muss und will. Ich würde das auch nicht wollen sondern, das muss ich ganz klar sagen, ich würde mich trennen wenn ich mit jemandem eine Liebesbeziehung führe, ein Vertrauensverhältnis erster Güte und mir gleichzeitig nur das Schlechteste zugetraut wird.
Du schreibst: (bin sehr gut darin Dinge zu verheimlichen und vertuschen). Ich nehme an, dass du diese Eigenheiten auch anderen auf den Leib schneiderst und ua auch deswegen kein Vertrauen hast.

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen wie extrem gut eine Beziehung harmoniert wenn beide sehr egoistisch sind, du Vertrauen mit Naivität gleichstellst, man sich dem anderen emotional nicht öffnen kann und niemals das Wohl eines anderen über sein eigenes gestellt wird. Was sind die Grundpfeiler eurer Beziehung? Was hält euch zusammen außer die Dämonen der Vergangenheit? Ihr passt vllt. in euren schlechtesten Eigenschaften zusammen aber das alleine ist kein Kit für eine Beziehung die lange halten soll und das ist auch keine gute Voraussetzung für ein achtsames, feines Miteinander. Wer will denn so ein Schlachtfeld in den eigenen vier Wänden?

Zitat:

Da wir beide ziemlich kaputt sind, liegt mir viel daran, dass wir uns gegenseitig dabei unterstützen und einen Weg finden, eine Liebe aufzubauen

Minus + Minus ergibt in dem Fall nicht gleich Plus sondern bleibt Minus.

sich selbst finden - was genau soll das sein? hast du ein paar mal zu viel dawsons creek gesehen? sich selbst finden klingt nach finalem ich. so etwas existiert aber nicht. wir verändern uns permanent, jede sekunde.

das soll nicht böse oder gemein klingen, aber für mich klingt das so als müsstest du erwachsen werden und verstehen, dass das leben nicht dafür da ist, um dich zu bespaßen. es ist einfach da. versuch darauf klar zu kommen.

Den Satz (bin sehr gut darin Dinge zu verheimlichen und vertuschen) finde ich gruselig. Wenn man selbst zu amoralischem Handeln bereit ist und keine Scheu davor hat - wie soll man denn dann anderen vertrauen können? vielleicht solltest du auch an deiner integrität oder deinem moralischem kompass im allgemeinen arbeiten. wer selbst hohe standards lebt zieht zum einen ähnliche menschen an und ist zum anderen nicht so leicht ins wanken zu bringen.

alles gute für dich!

@monchichi_82:
Ich habe viel mit ihm geredet, woher mein Misstrauen kommt (Ähnlichkeit, Erfahrungen etc.) und er hat es immer verstanden und ging auf meine Gespräche immer ein. Und als der Vertrauensbruch passierte, haben wir 3-4 Tage lang fast ununterbrochen geredet und auch hier hat er immer zugehört und seine Perspektive geäussert.
Die Beziehung hat starke Pfeiler, es ist stets ein Gefühl da, dass wir Zusammengehören. Wir können sehr gut zusammen reden, Probleme lösen und Kompromisse eingehen (aufeinander zugehen). Wir sind beide ziemlich Dominant und egoistisch manchmal, aber für die kleinen Dinge im Leben sehr kompromissfähig und bemüht, denn andern nicht zu verletzen und es dem anderen möglichst angenehm zu machen.
Zudem haben wir beide eine sehr ähnliche Vorstellung vom Leben und seeeeeeehr viele gemeinsame Hobbies, sowie Vorhaben. Wir wollen so viele Dinge zusammen machen und planen auch sehr viel.
Dieses Misstrauen ist ein fundamentales Gefühl in mir, was mich begleitet. Dem muss ich wohl selber nachgehen.
Ich erwarte das Gefühl Ich will alles mit dir machen, egal was, weil du es bist und es Freude bereitet mit dir (und ich denke, manchmal gibt er mir das Gefühl auch). Aber meistens erhalte ich das Gefühl Ich mache alles mit dir, weil du es auch willst, sonst würde ich auch allein machen, dann kommt es mir egoistisch vor. Mal so, mal so.

Zitat von Lyone:

Ich erwarte das Gefühl Ich will alles mit dir machen, egal was, weil du es bist und es Freude bereitet mit dir

Das kannst Du auf Dauer doch nicht ernsthaft erwarten. Bist Du Cinderella? Du erwartest ja, dass Mann den Boden, auf dem Du gehst, anbetet.
Manche Sachen kann man gemeinsam tun, wenn sich beide dafür interessieren oder ein Kompromiss gefunden wird. Aber Deine Erwartungen sind schlicht unerfüllbar.

Zitat von Lyone:

Probleme lösen und Kompromisse eingehen

Wenn ihr beide gut Probleme lösen- und Kompromisse eingehen könnt dann kann deine Darstellung nicht stimmen das ihr beide sehr egoistisch seid und nie das Wohl des anderen über das eigene stellt. Das ist ein Widerspruch in sich.

Zitat von Lyone:

Ich erwarte das Gefühl Ich will alles mit dir machen, egal was, weil du es bist und es Freude bereitet mit dir

Ich kann mich dazu nur der Antwort von regenbogen anschließen.
So eine Erwartungshaltung ist unrealistisch. Du lebst nicht in einem Märchenbuch. Eine Partnerschaft ist ein ausgeglichenes Geben und Nehmen. Du erwartest viel aber ich frage mich was du eigentlich zu geben hast, außer, Misstrauen, Dinge verheimlichen und vertuschen. Das passt doch alles nicht zusammen.

Zitat von monchichi_82:

Wenn ihr beide gut Probleme lösen- und Kompromisse eingehen könnt dann kann deine Darstellung nicht stimmen das ihr beide sehr egoistisch seid und nie das Wohl des anderen über das eigene stellt. Das ist ein Widerspruch in sich.

@monchichi_82 , Du hast eine Kleinigkeit übersehen:

Zitat von Lyone:

aber für die kleinen Dinge im Leben sehr kompromissfähig und bemüht,

In kleinen Dingen werden Kompromisse scheinbar gefunden; bei größeren Dingen will jeder mit dem Kopf durch die Wand.
Egal, wie auch immer. Sie ist keine Prinzessin, der jeder Wunsch von den Augen abgelesen werden muss.