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Ist Liebe möglich?

P
Hallo,

ich frage mich gerade, ob so etwas wie wahre Liebe möglich ist. Ich habe mal gelesen , dass es so etwas wie ein romantisches Verständnis von Liebe nicht gibt, sondern alles auf eine (mehr oder weniger geeignete) Bedürfnisbefriedigung hinausläuft.

Dh. wenn ich jemand liebe projiziere ich zwangsläufig meine Bedürfnisse in ihn hinein und wünsche mir, dass durch diese Partnerschaft diese gestillt werden. Sollte es zum überwiegenden Teil nicht mehr möglich sein, dass die Partnerschaft meine Bedürfnisse befriedigt, dann folgt die Trennung.

Was denkt ihr darüber? Was kann man realistisch von einem Partner erwarten? Und was muss von einem selbst kommen, wenn man zB an die Maslow'sche Bedürfnispyramide denkt.

Oder gibt es soetwas wie eine Liebe, die über diese Grenze hinausgeht - und wenn ja - ist dies nicht einfach ein Zeichen, das mit einem selbst etwas nicht stimmt? Wenn man zB seine Bedürfnissbefriedigung in die Verantwortung des Partners legt und sich nicht mehr selbst darum bemüht, zufrieden zu sein?

Wo liegen die Anteile bei einem selbst, wo die des Partners? Oder ist das so individuell wie der Mensch an sich.

Vielen Dank für alle eure Ideen und Meinungen zum Thema

14.07.2014 14:48 • x 1 #1


H
Also wenn ich an Beispiele wie Loki und Helmut Schmidt denke, so scheint es die wahre Liebe doch zu geben bzw. gegeben zu haben.

Klar, gibt es ein Bedürfnis. Sonst würde man erst gar keine Liebesbeziehung eingehen. Die Frage - und davon hängt viel ab - ist die, welche Bedürfnisse befriedigt werden sollen. Wenn der Partner beispielsweise von seinem Gegenüber fordert, dass es ihm die Liebe und das Selbstwertgefühl geben soll, dass es selbst nicht in sich trägt, wird die Liebe scheitern. Mach mich glücklich!, ist das absolut falsche Konzept, finde ich. Diese Sehnsucht legt dem Partner so viel Verantwortung auf die Schultern, dass sie ihn irgendwann erdrücken und in die Flucht schlagen wird. Zumindest habe ich das so erlebt. Keiner kann die inneren Kämpfe für den anderen führen, denn so wird er zu einer Art Therapeut, der sich selbst verliert und keine tiefere Bindung aufbauen kann. Er wird zum väterlichen Freund oder zur mütterlichen Freundin. Für Liebe taugt das nicht wirklich. Denn der Partner hat nur die Chance zu reagieren und nicht mehr die, zu agieren. Bevor er überhaupt zu Letzterem kommt, steht schon eine Forderung des anderen im Raum, der wieder ein Bedürfnis befriedigt wissen will oder Liebe einfordert.

Wirkliche Liebe kann entstehen, wenn beide Partner offen zueinander und bereit sind, die eigenen Selbstschutzmechanismen zu hinterfragen und teilweise aufzulösen, ohne sich angreifbar und schwach zu fühlen. Das setzt natürlich eine gewisse Reife und Fähigkeit zur Selbstreflexion voraus. Erst dann kann man nämlich mit den eigenen Emotionen, egal ob positiv oder negativ, umgehen. Das ist das, was viele und ich hier mit mit sich im Reinen sein meinen. Bringt einer Altlasten aus der Biographie oder vergangenen Beziehungen mit in die Partnerschaft, wird es unglaublich anstrengend, wenn die Angst vor gemeinsamer Aufarbeitung im Raum steht. Das meine ich mit Selbstschutzmechanismen. Nicht falsch verstehen, man soll nicht alle seine Geheimnisse offenbaren, aber grundlegende Dinge, die einen geprägt haben und an denen man eventuell noch zu knabbern hat. Die kommen in einer Beziehung nämlich so oder so irgendwann ans Licht.

Was ich auch für wichtig halte ist, dass beide Seiten mit Konflikten umgehen können und den Mut zu offener Kommunikation haben. Natürlich müssen auch die grundlegenden Vorstellung zu Treue und Verbindlichkeit passen. Ein Blatt im Wind wird nicht mit einem soliden Menschen zusammenleben können. Und Freiräume muss man erkennen und zulassen können.
Empathie ist für mich der grundlegende Pfeiler für eine dauerhafte Beziehung. Wer nicht wahrnehmen kann, dass es dem Gegenüber gut oder schlecht geht, wird niemals auf ihn eingehen können. Das gleiche gilt, wenn der Partner die Empathie des anderen ablehnt.

Wenn die positiven Dinge zu 50:50 bei beiden Parteien vorhanden sind, kann es klappen, glaube ich. Sobald ein Missverhältnis vorhanden ist, besteht die Gefahr, dass einer zum Geber und der andere zum Nehmer wird. Aber auch da kann ein Balancierung stattfinden, wenn die Sache gemeinsam angegangen werden kann. Es mag zwar auch Fälle geben, bei denen sich der eine mit seiner Rolle des Gebers zufrieden gibt, aber ich halte davon nichts. Irgendwann wird das zur unaushaltbaren Belastung.

Das ist meine Meinung, die natürlich nicht stimmen muss.

14.07.2014 15:23 • #2


A


Ist Liebe möglich?

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H
Kompromissfähigkeit habe ich noch vergessen. Ohne die gerät die Beziehung sehr schnell in Schieflage und der zurücksteckende Partner fühlt sich nicht mehr wahrgenommen und geht auf emotionale und später auf räumliche Distanz. Ich habe das so erlebt mit meinem kleinen Hausdrachen.
Was auch tödlich für die Beziehung ist, sind Rechthaberei, Bloßstellung vor Anderen, Resistenz gegenüber Tipps vom Gegenüber und der Versuch, den Partner, dessen Umgebung oder Erscheinungsbild verändern zu wollen. Damit schlägt man jeden in die Flucht. Leben und leben lassen!
Diese Dinge sind für mich Ausdruck eines tiefergehenden Konfliktes beim Aggressor, der sich dann in solchen Spielarten der Unterdrückung äußert.

14.07.2014 15:44 • #3


M
Hinrich !

Großartiger Beitrag ! Für mich zusammenhängend, schlüssig und zweifelsfrei Verstanden ! Auch wenn ich nicht der TE bin, Danke ich dir sehr für deinen Beitrag !

Viele Grüße !

14.07.2014 16:06 • x 2 #4


MelissaGirl
Zitat von Hinrich:
Keiner kann die inneren Kämpfe für den anderen führen, denn so wird er zu einer Art Therapeut, der sich selbst verliert und keine tiefere Bindung aufbauen kann.

Weshalb verliert sich der Therapeut und kann keine tiefere Bindung eingehen?

Zitat von Hinrich:
Er wird zum väterlichen Freund oder zur mütterlichen Freundin. Für Liebe taugt das nicht wirklich. Denn der Partner hat nur die Chance zu reagieren und nicht mehr die, zu agieren. Bevor er überhaupt zu Letzterem kommt, steht schon eine Forderung des anderen im Raum, der wieder ein Bedürfnis befriedigt wissen will oder Liebe einfordert.

Der Klient meinst du kann nur reagieren?
Wer will wieder ein Bedürfnis befriedigt wissen und warum?

Verstehe deinen Text zwar nicht ganz, aber kann ihm dennoch hilfreich Tipps entnehmen. Danke,
Hinrich

14.07.2014 16:53 • #5


MelissaGirl
Verzeihung :/

14.07.2014 16:55 • #6


H
In der Rolle des Therapeuten verliert er sich, weil er eben nur noch mit dem Gegenüber beschäftigt ist und sich hinten anstellt, also seine Bedürfnisse aus den Augen verliert. Er setzt alles daran, dass es dem Partner gut geht, obwohl er objektiv nichts ausrichten kann.

Nein, der Therapeut reagiert auf die Forderungen des Klienten, der eben nur einfordert und die Kraft des Therapeuten nutzt. Letzterer kommt nicht mehr dazu, eigene Forderungen zu stellen; ergo zu agieren. Eben dadurch, dass er immer nur auf die Forderungen des Klienten reagieren kann.

Ist das jetzt halbwegs verständlich?

Zitat von MelissaGirl:
Verzeihung :/

Wofür denn?

14.07.2014 17:01 • #7


H
Ich habe das gerade für mich so zusammengefasst:

Wir sollten uns Menschen suchen, die ein Bedürfnis nach Liebe haben, aber keine Bedürftigen sind.

15.07.2014 06:02 • x 1 #8


D
Hinrich, Du sprichst mir aus der Seele!

Liebe Grüße
Dolasila

16.07.2014 13:57 • #9


H
Zitat von dolasila:
Hinrich, Du sprichst mir aus der Seele!

Liebe Grüße
Dolasila


Vielen, lieben Dank und liebe Grüße zurück!

16.07.2014 14:00 • #10


A
Zitat von persephone:
ich frage mich gerade, ob so etwas wie wahre Liebe möglich ist. Ich habe mal gelesen , dass es so etwas wie ein romantisches Verständnis von Liebe nicht gibt, sondern alles auf eine (mehr oder weniger geeignete) Bedürfnisbefriedigung hinausläuft.

Oder gibt es soetwas wie eine Liebe, die über diese Grenze hinausgeht - und wenn ja - ist dies nicht einfach ein Zeichen, das mit einem selbst etwas nicht stimmt?
das, was du beschriebst ist die meist gelebte ego-liebe, kaum jemand von uns hat bisher wirklich bedingungslose liebe erfahren dürfen. liebe wurde mit erwartungen verknüpft, wurden sie nicht erfüllt, lasten wir es dem partner an und machen stress.

wahre liebe hat alles in sich selbst - deshalb braucht sie nichts von aussen, sie erfüllt sich durch sich selbst und will nur geben.
je mehr sie geben kann je mehr erfüllt sie sich selbst.

ich glaube, das kaum jemand von uns diese bedingungslose liebe, die ich für MÖGLICH halte, dauerhaft erreichen kann, denn die menschheit ist immer liebloser und immer kälter geworden weil das ego der menschheit noch an der macht ist. wir müssten den mut haben uns vom kollektiv zu trennen.

aber jeder einzelne von uns kann versuchen sein ego schmäler zu halten um annähernd in den zustand DER liebe zu kommen, diesen zustand finden wir nur in uns selbst wieder. wir müssen dazu ablegen, was uns mal auferlegt wurde.

wie Goethe, in 'wilhelms meisters lehrjahre' schon schrieb :
und wenn ich dich lieb hab, was geht es dich an

ich verstehe es so, dass er die verantwortung für seine liebe übernimmt und einfach nur geben will, ohne erwartungen, dass diese liebe erwidert wird. er fühlt sich im inneren zustand der liebe total wohl und ist natürlich auch voller freude und dankbarkeit , wenn seine zuneigung auch an- und zurückkommt.

diese liebe ist für mich ein innerer zustand, anders als die romantische ego-liebe, die von ewig blühenden sommerwiesen und sternenhimmeln träumt und schnell im alltag auf den boden der tatsachen fällt, dass ist eine nach aussen gerichtete liebe, blüht die sommerwiese nicht mehr und naht der herbst, kann diese zuneigung bald zerfallen. sie wurde nur durch unsere gedanken und romantik-vorstellungen = illusionen erschafft und damit haben wir in uns biochemische reaktionen erzeugt, die uns glauben lassen, das das wahre liebe ist.

das ein anderer uns glücklich machen kann oder soll ist eine illusion, deshalb gibt es immer wieder diese enttäuschungen in beziehungen.

16.07.2014 17:03 • x 1 #11


J
Zitat von Alena-52:

ich verstehe es so, dass er die verantwortung für seine liebe übernimmt und einfach nur geben will, ohne erwartungen, dass diese liebe erwidert wird. er fühlt sich im inneren zustand der liebe total wohl und ist natürlich auch voller freude und dankbarkeit , wenn seine zuneigung auch an- und zurückkommt.



...und es ist - zumindest am Anfang - eine bewusste Entscheidung, so zu lieben.

Jay

16.07.2014 17:13 • #12


A
stimmt Jay - alles ist meine entscheidung - ich habe die wahl !

16.07.2014 17:20 • #13


H
Schön geschrieben, Alena-52. Danke!

16.07.2014 17:27 • x 1 #14


A
Hallo zusammen :)

Hinrich, wir kennen uns aus dem Thread Sie hat sich getrennt: ich will mich verabschieden Ich antworte Dir hier weil ich sonst Tobias Thread sprenge.

Ich habe Deine Beiträge gelesen und um ehrlich zu sein, empfinde ich sie als ein wenig abstrakt (wahrscheinlich weil sie aus Deinen Erfahrungen rühren und die teile ich nicht mit Dir). Du schreibst, was es Deiner Meinung nach für eine Beziehung braucht und ich stimme Dir in allen Punkten zu. Aber wenn diese Dinge, von denen Du schreibst, erfüllt sind, so ist noch nicht unbedingt die Liebe da :wink: oder?

Dieser Satz von Dir hat es mir angetan :)

Zitat:
Wir sollten uns Menschen suchen, die ein Bedürfnis nach Liebe haben, aber keine Bedürftigen sind.


wunderschön!

Und ich frage mich, wie bedürftig ich bin. Aufjedenfall sehr viel weniger bedürftig als ich es einmal war. Wie sieht es bei Dir aus? Und was sagt es über einen Menschen aus, wenn er einen Bedürftigen liebt?

Ob Helmut und Loki sich geliebt haben? Ich weiß es nicht. Wie kommst Du darauf? Weil sie sehr lang zusammen waren? Ich kenne ihre Liebesgeschichte nicht. Kennst Du sie?

Liebe ist für mich zu allererst, das Wesen des anderen zutiefst zu lieben (ob man mit diesem Menschen zusammen ist oder nicht). Wenn ein anderer Mensch uns schon allein aufgrund seiner Art zu sein, so viel gibt, dann stellen wir meiner Meinung nach auch nicht so viele Forderungen; wir sind glücklich, weil es den anderen gibt :) So habe ich es jedenfalls erlebt. Ja und dann passiert das, was Alena-52 schreibt- dann wollen wir (Liebe) geben und fühlen uns glücklich in diesem Geben.

Über Alena-52 Liebesbild habe ich schon oft nachgedacht...Hallo Alena übrigens :D

Es steckt viel Wahres drin aber für mich stecken in diesem Liebesbild genau so Illusionen wie in diesem romantischen Liebesbild von dem Du Alena schreibst. Denn wenn es uns einzig darum ginge, zu geben und auf der anderen Seite nichts zu erwarten, ja dann gäbe es keine Eifersucht, keinen Exklusivitätsanspruch (Treue etc.). Tatsächlich aber gibt es beises zur genüge 8) Aber ich denke, im Idealfall, ist man einander eifach einzig und dann braucht es auch keine Liebskontrollen :D

Alena Du hast an anderer Stelle mal geschrieben, Du kennst das Gefühl der Eifersucht nicht. Das mag sein aber ich persönlich halte Eifersucht (bis zu einem gewissen Grad) für absolut normal und auch nicht gesundheitsschädigend :wink: . Ich glaube wie Alena, dass man in jeder Beziehung wachsen kann, sich selbst kennenlernen kann und ja, lernen kann, richtig zu lieben, heißt, immer weniger sein Ego ins Zentrum zu stellen etc. Man kann sich selbst so nah kommen, so zufrieden mit sich selbst sein, dass beispielsweise die Verlustängste verschwindend gering werden...Aber um ehrlich zu sein....m.E. kann ein Mensch so reif sein, wie er will, er kann so intensiv lieben wie er will...., nie wird es eine Liebe geben, die völlig schmerzfrei ist. Seit Jahrhunderten und Jahrtausenden suchen wir Menschen nach einer Lösung für die Probleme, die uns die Liebe auferlegt und ich denke, man kann dem sehr nahe kommen aber nie ganz denn es gibt keine Lösung. Zur menschlichen Existenz gehören auch Schmerzen, auch Eifersucht, Zweifel usw.

Was denkt ihr darüber?

Ich kenne einige Menschen, die ähnlich wie Alena über die Liebe denken...und auch wenn in dieser Art zu Denken viele kleine verstreute :wink: Wahrheiten stecken, so meine ich darin immer den Wunsch nach dieser völligen Schmerzfreiheit zu sehen. Und daran glaube ich nicht.

Steckt darin nicht auch die Annahme, dass der Mensch ausschließlich ein gutes, wohlwollendes, liebendes Wesen ist? Ja, das sind wir meiner Meinung nach...auch :wink: aber nicht nur.

Wie wäre (unter Alena-Prämissen :D ) dann ein gemeinsamer Alltag möglich? Ein Zusammenleben (mit Kindern) ohne Erwartungen, ohne Verlässlichkeit...? Oder verstehe ich etwas falsch? :D

Ich las einen Text über die Liebe, der mir sehr missfiel weil er meinem Liebesbild widerspricht aber ich vergaß ihn nie vielleicht weil für mich ein Fünkchen (hoffentlich keine Flamme :D ) Wahrheit drin steckt. Ich zitiere hier bewusst so einen desillusionierenden Text, habe auch viele illusionierende auf Lager :mrgreen: aber mich interessiert, was ihr darüber denkt.

Ein Professor der Philosophie schreibt über die Liebe:

Machen wir uns nichts vor: Wer liebt, will Macht. Liebe bedeutet keineswegs, wie manche Leute gutgläubig meinen, einen bewussten Verzicht auf Macht. Ganz im Gegenteil! Schauen wir auf unsere Ideen und Projekte. Wenn sie uns am Herzen liegen, wenn wir sie lieben, wollen wir sie verwirklichen und durchsetzen. Natürlich spricht man euphemistisch davon, dass man Verantwortung übernehmen oder gestalten will. Im Kern aber geht es um Macht. Und die braucht man, sonst bleiben Ideen und Projekte Hirngespinste.

Auch wer einen Menschen liebt, will Macht über ihn. Dass man diesen Zusammenhang nicht wahrnehmen möchte, liegt daran, dass Macht in der öffentlichen Diskussion negativ besetzt ist. Ist von Macht die Rede, dann stets im Kontext von Konkurrenz, Gewalt, Zwang und Willkür. Am Ende gibt es Gewinner und Verlierer. Und weil es wenig schmeichelhaft ist, sich eingestehen zu müssen, dass man Herrschaft ausüben möchte, verdrängt man den Willen zur Machtausübung gerne. Der Liebende gaukelt sich vor, keine Macht über den oder die geliebten Menschen haben zu wollen. Welch ein Irrtum! Mit problematischen Konsequenzen: man nimmt die Aufgabe, Vorbild für andere zu sein, nicht an, bestreitet die Verantwortung für den Partner oder die anvertrauten Mitarbeiter. Man akzeptiert, wenn man Kinder hat, die Elternrolle nicht, will ihr bester Freund oder ihre beste Freundin sein. Alles zum schaden der Kinder, Mitarbeiter, Partner.

Dabei muss Macht nicht Gewaltherrschaft sein. Ob Macht gut oder schlecht ist, hängt davon ab, wofür und mit welchen Mitteln sie eingesetzt wird. Die effektivste Art der Machtausübung besteht darin, den anderen Menschen dazu zu bringen, zu denken und für richtig zu halten, was ich selbst denke und für richtig halte. Und wer wünscht sich das nicht.
Wem es gelingt, Weltbild und Grundorientierung eines anderen zu beeinflussen, übt maximale Macht aus. Selbst- oder gerade- unsere tiefsten menschlichen Beziehungen sind deshalb durch den Willen zur Macht bestimmt. Am deutlichsten wird die Machtausübung wohl in der Beziehung von Eltern zu ihren Kindern. Sie führt zu gewaltigen und existenziellen Machtkämpfen im Privaten, gegen die alle Machtspiele in der Öffentlichkeit harmlos sind: Auf welche Schule gehen meine Kinder? Wen heiratet der Sohn? Welchen Beruf ergreift die Tochter? Wo und wie leben die eigenen Kinder? Wie erziehen sie die Enkel? Die Liebe zwingt den Menschen geradezu dazu, ihren Kindern den eigenen Blick auf die Welt und das Leben mitgeben zu wollen. Sie sollen sich die Überzeugungen und Werte der Eltern zu eigen machen. Ebenso in tiefen persönlichen Freundschaften und Liebesbeziehungen: Wenn ich jemanden liebe, will ich, dass er oder sie die Welt sieht wie ich. Lieben bedeutet, der andere soll den Blick, mit dem ich ihn betrachte, zu seinem eigenen Blick machen, meine Interpretation des Lebens akzeptieren. Wenn er vor Schwierigkeiten steht, soll er den Weg gehen, den ich für richtig halte. So etwas ist nie einfach nur gut gemeint. So etwas ist Machtausübung.
Was wäre Liebe ohne Macht? Die völlige Freiheit des anderen zu wollen?
Ich kenne nur wenige Menschen, die das wirklich können. Und ganz ehrlich: Gehören Sie dazu?

Diskussion eröffnet :mrgreen:

p.s. ich halte Liebe für möglich. Ich glaube sogar an die tiefe Liebe. :herz:

20.07.2014 11:52 • #15


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