Hallo Enni,
dein Handeln war konsequent. Du hast eine gute und liebevolle Beziehung aufgegeben, weil du deinen Partner nicht (weiter) hintergehen wolltest. Wie gehst du denn damit um, dass es eben auch die Monate gab, in denen du heimlich handeln, dich heimlich treffen und deinen Partner belügen musstest? Hast du das verarbeitet? Hast du darüber mit deinem Expartner gesprochen? Viele leiden darunter, ohne das zu wissen. Weil sie nämlich bisher glaubten, so etwas nie tun zu wollen und es dann doch getan haben.
Ich war acht Jahre in einer Beziehung mit einem Mann der wirklich wunderbar war, mir alles möglich gemacht und mich nie enttäuscht hat.
…aber bei dem du auch nie die besagten Schmetterlinge hast erleben dürfen. Dazu sollte man wissen, dass die Natur das mit der „Verliebtheit“ so eingerichtet hat, damit man eine Zeit lang den Verstand beiseite lassen und die Gefühle feiern kann. Man toleriert ungewollt beim anderen Eigenschaften, die man nüchtern betrachtet nicht gut finden würde. Man wertet sich gegenseitig auf und das manchmal außerhalb jeglicher Realität. Und am Ende der Hormonphase sehen sich dann beide ohne rosa Schleier, so wie sie nun mal sind. Mit allen Anteilen, auch den unangenehmen. Dann wird entweder eine Liebe daraus oder man geht wieder eigene Wege.
Du hast mit deinem Expartner diese Rosa-Schleier-Phase also nicht erlebt und ihn sozusagen offenen Auges an deine Seite geholt. Das macht die Beziehung keineswegs schlechter, im Gegenteil.
Was mir von Anfang an aufgefallen ist war, dass ich nie wirklich diese Schmetterlinge im Bauch hatte und nie so richtig verliebt in ihn war. So wie ich es aus vorangegangenen Beziehungen kannte, die alle kläglich gescheitert sind. Ich habe mich irgendwann damit abgefunden und mir gesagt, dass dieses übertriebene Verliebtsein vielleicht auch gar nicht nötig ist für eine erwachsene, stabile Beziehung, da einfach alles drum herum hervorragend lief und ich irgendwann auch Liebe empfunden habe. Wir haben uns viel aufgebaut und waren ein gutes Team!
Du hast alles genauso beschrieben, wie ich das auch sehe. Man braucht die Kribbelphase nicht, aber sie ist schön und hilfreich. Für die spätere Beziehung ist sie eher unwichtig.
Vor einem Jahr ist mein „Kartenhaus“ (wie ich es heute nennen würde) plötzlich zusammen gefallen, als ich auf einer Veranstaltung einem anderen Mann begegnet bin, der mich nur mit seiner Anwesenheit unglaublich beeindruck und umgehauen hat.
Das war kein Kartenhaus, nur weil du es hast zusammenbrechen lassen. Du hast nur halt das gesamte – und vermutlich lange vermisste – Programm erlebt und das fühlte sich leider besser an als die solide Liebesbeziehung, die du bis dahin gelebt hast.
Wir haben beide oft gesagt, dass wir glücklich sind mit unserem aktuellen Leben und doch hat es sich irgendwann dahingehend entwickelt, dass wir uns ineinander verliebt haben.
Diese Phase der gegenteiligen Beteuerung erlebe ich immer wieder. Sie ist eigentlich bedeutungslos und dient nur vorübergehend dazu, die Schuldgefühle unter den Deckel zu halten. Sie reicht meiner Erfahrung nach nie aus, um die gerade erst aufkommende Verliebtheit zu beenden.
Nach ein paar Monaten hat er mir gesagt, dass er mich lieben würde, eine gemeinsame Zukunft mit mir haben möchte und dafür bereit ist alle Höllenritte auf sich zu nehmen. Ich habe ihn immer wieder gebremst und gesagt, dass wir erst alles abwägen sollten, bevor wir diesen Schritt gehen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt auch sehr starke Gefühle für ihn, hatte aber Angst vor etwas Neuem und davor welche Konsequenzen es mit sich bringt, wenn man diesen Schritt gemeinsam geht und wie viele Menschen man damit verletzten würde.
Das war noch eine kleine Sollbruchstelle. Mit sehr viel Glück und noch mehr Energie kann da ein Rückzug gelingen. Aber eine einfache Rückkehr in die „Stammbeziehung“ ist ja meistens auch nicht mit den moralischen Gesichtspunkten zu vereinbaren, die man bis dahin hatte. Die Phase des Lügens hat dich ja auch selber belastet und die meisten können nicht einfach so in die Beziehung zurück, ohne dass sie die Affäre offen legen. Hat das bei dir eine Rolle gespielt?
Du hast dich dann getrennt, der Geliebte wollte das zwar auch, aber konnte es nicht. Das ist nicht ungewöhnlich. Allerdings ist seine Beziehung Zuhause jetzt auch alles andere als normal. Dort herrscht Chaos, es gibt Versprechungen, Beschuldigungen, Entschuldigungen und die ganze Familie ist im Aufruhr. Und der Mann weiß, dass er es war, der das verursacht hat. Das ist keine stabile Situation, aber er scheint alles dafür tun zu wollen, um diese stabile Situation wieder herzustellen. Hat er das so mit dir besprochen?
Dabei hat er oft geweint, war verzweifelt, weil er Angst davor habe, die Trennung zu Hause durchzuziehen und damit die Kinder in den Abgrund zu stürzen. Nachdem ich ihn oft so verzweifelt erlebt habe, bin ich immer wieder auf Abstand gegangen, weil ich auch gemerkt habe, dass mir dieses „rumeiern“ nicht gut tut. Allerdings kann ich nicht wirklich nachvollziehen wie schwierig so ein Schritt ist, wenn man Kinder hat. Ich habe nämlich keine.
Nein, das kann man nur nachvollziehen, wenn man es selber erlebt hat. Kinder stürzen zwar nicht in einen Abgrund, aber sie haben plötzlich zwei zutiefst verunsicherte Elternteile neben sich. Und das zu einer Zeit, wo sie Stabilität bräuchten. Es erscheint eine Zeit lang allen Beteiligten so, als wäre es das Beste, einfach wieder weiter zu machen und die Familie zusammenzuhalten. Leider geht das nicht. Es muss sehr viel mehr geschehen als „einfach zusammenzubleiben“
Ich habe aber auch immer wieder versucht ihn dabei zu unterstützen, nicht zu drängen und ihm Kraft zu geben. Seit diesem Zeitpunkt sind nun einige Monate vergangen, er ist immer noch zu Hause, nach seinen Aussagen besteht kein „Eheleben“ mehr mit seiner Frau.
Diese Aussage ist unwichtig, sie kann stimmen oder nicht. Denn er hat ja gewaltige Loyalitätsprobleme. Er weiß nicht, auf wessen Seite er stehen soll.
Mich hat diese ganze Situation mittlerweile in eine depressive Phase geführt, weil ich ihn sehr liebe und nicht verstehen kann, warum er nicht einfach zu Hause die Reißleine zieht.
Ich hoffe, ich konnte dir mit meinen Zeilen bisher schon einen Eindruck davon vermitteln, war man nicht „einfach“ eine Reißleine ziehen kann.
Seit einigen Tagen haben wir keinen Kontakt, weil ich ihn darum gebeten habe. Es tut einfach zu weh… nun stehe ich hier und weiß nicht was ich tun soll. Hoffnung haben und warten… oder meinen Weg einfach alleine weitergehen…
Zunächst kann dir eine Zeitlinie helfen, auch unpassenderweise „Deadline“ genannt. Wenn er sich bis dahin nicht klar für dich ausspricht, versuchst du dich mit aller Kraft von ihm zu lösen und darüber nachzudenken, wie du ohne ihn deine Zukunft gestaltest. Dabei bedenke auch du bitte, dass du nicht „einfach“ in deine Beziehung zurück kehren kannst. Das geht natürlich, aber es ist alles andere als einfach.
Ich versuche mein Bestes um immer wieder neue Kraft zu schöpfen, damit ich nicht den Kopf in den Sand stecke.
Wenn du dir mit Rücksicht auf deine schwindenden Kräfte eine echte Zeitlinie setzt, fühlt sich das zunächst wie eine Erleichterung an. Das wird schwieriger, wenn sie näher rückt. Aber es hindert dich ja niemand daran, die dann noch mal zu verschieben, wenn du noch Kraft dazu hast. Du spürst ganz sicher, wenn der Zug abgefahren ist und du nicht mehr auf ihn warten willst. Dafür wäre es auch hilfreich, wenn du dich als alleinlebend sehen kannst und auch deine Rahmenbedingungen danach gestaltest
Nichtsdestotrotz geht es mir insgesamt „besser“, wenn wir keinen Kontakt haben. Noch besser würde es mir gehen, wenn ich diese Hoffnung loslassen könnte.
Genau! Die Möglichkeit, diese Hoffnung loszulassen gibt dir sehr viel Freiheit. Die andere Möglichkeit – das Leben mit ihm – ist ungleich schwieriger zu bewältigen. Einen Mann an deiner Seite zu haben, der so vielen Menschen weh getan hat, der die emotionalen Folgen zu verarbeiten versucht und die finanziellen noch gar nicht überschauen kann - - - das ist kein Ponyhof, das wird hart. Dennoch ist es natürlich zu schaffen
Ich hoffe es gelingt mir, wieder nach vorne zu schauen und dass mein emotionaler Zustand nicht mehr von dieser Beziehung abhängig ist…
Das wäre erstrebenswert und vielleicht schaffst du es ja auch schon, ein paar Schritte in diese Richtung zu gehen. Es kommt da aber der Punkt, an dem du ihm sagen musst, dass du nicht mehr auf ihn warten wirst. Das wird noch mal sehr hart.
Ich hoffe, ich konnte dir ein paar hilfreiche Gedanken schicken.