Hallo Littlesnail,
fühle dich einmal fest in den Arm genommen und gedrückt.
Die Diagnose PTBS ist ein Hammerschlag, aber letztendlich auch Erklärung für tiefgreifende Veränderungen.
Ich glaube, dass viele Soldaten unterschätzen, was Auslandseinsätze für Spuren hinterlassen können und viele reden sich sicher ein: Das wird mir nicht passieren! Aber sie geraten dort in lebensbedrohliche Situationen, haben Angst um ihr (Über)Leben, müssen sich Gefahren aussetzen und nach deren Überstehen auch noch verarbeiten, was da geschehen ist. Wenn sie die Augen schließen, befinden sie sich wieder mitten im Feuer, in der Kampfhandlung und sehen die Auswirkungen.
Ich kenne eine junge Frau, deren Freund auch als Soldat bei einem Auslandseinsatz war. Als er wieder nach Hause kehrte, war er ein völlig anderer Mensch. Er war abweisend, kalt, gefühllos seiner Freundin und dem gemeinsamen Kind gegenüber. Er schlief nicht im Bett, sondern auf dem Sofa, in voller Montur. Er hielt seinen Rucksack im Arm, starrte nur vor sich hin und zuckte zusammen, wenn er draußen laute Geräusche wahrnahm. Am Familienleben nahm er nicht teil. Er war körperlich anwesend, aber sein Geist schwirrte woanders umher. Er konnte nicht ab- und nicht umschalten auf Familienmodus und ruhiges, friedliches Leben.
Genau wie dein Freund steht er unter Schock, hat ein Trauma erlitten. Dieses Trauma ist nicht durch eine Kur zu heilen und schon gar nicht innerhalb weniger Wochen. Ein Trauma ist nicht so einfach zu verarzten wie eine Wunde auf der Haut- durch eine Salbe, ein Pflaster, einen Verband, eine OP..., sondern ist eine Wunde auf der Seele, die man weder sehen noch anfassen kann und daher auch nur schwer zu verarzten.
Durch eine traumatische Erfahrung verändert sich der ganze Mensch. Sein Körper ist in ständiger Alarmbereitschaft, die viel Energie verbraucht. Energie, die er an anderen Stellen gern einsetzen würde, aber nicht kann.
Er fühlte sich von dir verstanden, weil du mit seinen Erfahrungen umgehen konntest, da du selbst im Einsatz warst und hautnah erleben durftest, was dort abgeht. Das hat euch zusammengeschweißt. Von seiner Familie fühlte er sich unverstanden. Sie konnten schließlich auch nicht wissen und sich nicht vorstellen, was ihn plagt. (Viele Soldaten können auch nicht darüber mit ihren Familien reden.)
Seine ganze Gefühlswelt ist aus den Angeln gehoben und völlig durcheinander geraten. Er weiß nicht, was er tun soll und wie. Noch nie zuvor befand er sich in solch einer dramatischen, chaotischen, belastenden Situation und muss nun einen Weg für sich da raus finden. Er ist durcheinander, weiß nicht, was er will, wen er will...
Er würde am liebsten vergessen, aber er kann es nicht.
Und mittendrin DU.
Er ist so sehr mit seiner eigenen Gefühlswelt beschäftigt, dass er nicht merkt, wie sehr er andere mit seinem Verhalten kränkt und verletzt. Das kannst du ihm aber auch nicht anlasten.
Du hast ihm vielleicht den Weg geebnet und er sieht sich nun in der Pflicht, seinen Scherbenhaufen zusammenzukehren und das beste daraus zu machen.
Er muss sich sammeln, einen Weg finden, mit den Erfahrungen umgehen zu können.
Das muss er allein tun und du kannst ihm nun nicht mehr helfen.
Er hat sich seiner Familie besonnen, das musst du nun akzeptieren.
Ob das gut gehen wird oder nur Wunschdenken ist, wird sich zeigen.
Mach dir keine Vorwürfe!
Es liegt nicht an dir!
Wenn er klar sehen könnte...
Aber das kann er nicht.
Versuche seine Entscheidung zu respektieren. Besinn dich auf dich! Widme deine Liebe, deine Zeit, deine Kraft...deinem Kind, denn es braucht dich.
Hasse ihn nicht, denn Hass frisst dich von innen auf!
Suche neue Lebensinhalte!
Stelle dich deinen Gefühlen und lass ihnen freien Lauf! Unterdrücke sie nicht.
Es hilft dir beim Loslassen.
Ich drück dich feste.
21.09.2015 18:03 •
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