Hallo Leute,
ich bin neu hier und habe in der vergangenen Woche still mitgelesen. Es hat mir sehr geholfen zu sehen, dass ich nicht alleine bin. Vielen Dank erst einmal dafür.
Ich wollte nun selber meine Situation schildern, weil ich immer verwirrter geworden bin in letzter Zeit und mich davor fürchte eine Entscheidung zu treffen.
Hier nun also eine Zusammenfassung meiner Lage:
Ich bin 21 und mache einen deutsch-französischen Studiengang. Dafür bin ich letztes Jahr in eine französische Stadt gezogen, um dort das 3. und 4. Semester zu studieren. Dort habe ich im Studentenwohnheim meinen (Ex-)Freund kennengelernt. Wir führten eine schöne Beziehung für ein Jahr lang, es gab viele Probleme, da wir leider beide sehr unsichere Charaktäre sind. Dadurch waren wir beide überempfindlich und es kam öfters zu Streit. Dabei hat er vor allem sehr schnell Wutanfälle bekommen, während ich mehr die passiv-aggressive Person bin. Es war wirklich sehr schlimm für mich, vor allem, da ich ein sehr sensibler und empathischer Mensch bin. Außerdem ist er ein sehr impulsiver und unberechenbarer Charakter. Er hat all dies von seiner (vermutlich) psychisch gestörten Mutter und seiner teilweise recht gewaltvollen Kindheit in Algerien (auch durch Mutter). Ich habe (vor allem nachdem ich seine Familie kennengelernt habe) das immer mehr gesehen und gelernt über vieles hinweg zu sehen. Ich war und bin sehr sehr verliebt. Er ebenfalls. Er hat mir sogar im Sommer nach nicht mal einem Jahr einen (inoffiziellen) Heiratsantrag gemacht. Verliebt und verrückt wie ich war, habe ich sogar ja gesagt.
Wir haben aber nichts weiter in der Richtung geplant, da ich erstens im September für mein fünftes Semester nach Martinique gegangen bin. Das war mein Traum schon seit mehreren Jahren, den ich nicht aufgeben wollte, auch wenn er versucht hat, mich zu überreden, da zu bleiben. Er hatte immer so ein ambivalentes Gefühl was meinen Aufenthalt dort angeht und mir immer latent vorgeworfen, gegangen zu sein. Vor allem, da er seitdem ich ihn kenne und schon davor, Probleme hatte, sein Leben in Frankreich auf die Reihe zu kriegen. Er bekam keinerlei finanzielle noch geistige Unterstützung von seinen Eltern. Er hat es schwer einen Job zu finden, da die Gesetze speziell für Algerier und ihren Aufenthaltstitel in Frankreich ziemlich streng sind. Und dann hatte er auch einfach ein paar Mal Pech (ihm wurde gekündigt bei einem Job, weil die nicht bereit waren, ihm sein Formular zur Arbeitsbescheinigung o.ä. zu unterschreiben - er war am Boden zerstört). Er hatte immer Geldprobleme, sodass ich ihm schon öfters etwas geliehen habe, wodurch er sich noch schlechter und unsicherer mir gegeüber fühlte. Außerdem kriegt er sein Studium nicht auf die Reihe, er wiederholt denselben Mist nun schon zum dritten Mal und wird immer frustrierter, demotivierter und gestresster. Er wartet im Moment auf seine Resultate, die kommen aber erst im Februar. Sein Selbstbewusstsein ist durch dies alles sehr im Keller (vor allem durch seine Familie, weil das einzige was die kann, ist sich gegenseitig runter zu machen). Ich war immer diejenige, die ihn motivierte, die ihm sagt, dass er das hinkriegen würde, dass er durchhalten muss, dass alles nicht so schlimm sei wie er denkt und dass es immer einen Ausweg gibt.
Am Anfang des Semesters war er auch noch motiviert, er versprach mir, dass wenn ich zurückkomme, alles geregelt sein würde. Wir konnten uns vier Monate überhaupt nicht sehen, aber wir hatten jeden Tag intensiv Kontakt. So viel, dass die anderen Erasmusleute sich schon über mich gewundert haben. Aber meine Beziehung geht sie schließlich nichts an und ich brauchte den Kontakt zu ihm eben so wie er den zu mir. Er wurde dennoch immer gestresster (vor allem nach seinem Rauswurf), war vollkommen überfordert mit der Arbeit und dem Studium (was doch recht anspruchsvoll und aufwändig ist) und fing unter anderem an, es an mir auszulassen. Ich besuchte ihn darauf hin nach zwei Monaten für eine Woche in Frankreich, weil ich mir Sorgen machte. Er entschuldigte sich auch. Ab da an lief es besser.
Eine Woche vor meiner Rückkehr, fing er auf einmal an, nicht mehr mit mir zu schreiben und wenn, dann kurz und kalt. Ich stellte ihn einmal kurz am Telefon zur Rede, aber er meinte es läge nicht an mir. Er war trotzdem weiterhin recht kurz und kühl in seinen Nachrichten. Das allein machte mich fertig. Drei Tage vor meiner Rückkehr schrieb ich ihm also eine Nachricht (nachdem er zum 100. Mal nicht ans Telefon gegangen war), dass er mir sagen müsse, was los sei, denn falls ich etwas falsch gemacht hätte, sollte ich wenigstens die Chance erhalten, es wieder gut zu machen. Daraufhin antwortete er mir in einer langen Nachricht, dass ich überhaupt nichts getan hätte, aber dass seine Eltern wollen, dass er nach Algerien zurückkommt (war nicht das erste Mal) und dass die Entscheidung getroffen sei, dass er zurückgeht, sobald er seine Resultate hat. Deswegen wäre es besser, wenn wir unsere Beziehung beenden, da er mich und unsere Liebe sowieso nicht verdienen würde. Er sagte mir auch, dass ich die beste sei und einfach perfekt etc., aber dass er in einer Übergangsphase steckt und sein Leben nun wieder geordneter wird. Ich sagte ihm, daraufhin, dass ich trotzdem direkt nach meinem Flug noch wie geplant in die Stadt kommen würde, damit er mir das nochmal persönlich sagt. Er stimmte zu. Mir ging es natürlich sch., obwohl 30 Grad, Meer und Palmen. Ich hoffte, dass ich in noch einmal umstimmen würde , zumindest dazu, dass er nicht sein Leben in Algerien verschwendet (laut seinen früheren Aussagen gäbe es dort nichts und nach drei Wochen Urlaub bei seinen Eltern, den wir dort verbrachten, hatte er auch genug gehabt). Er kontaktierte mich mehrmals danach, um zu fragen wie es mir ginge etc. und hörte nicht auf, obwohl ich ihn darum bat.
Ich fuhr also direkt mit dem Zug nach einem 8stündigen Flug zu ihm. Er war sehr freundlich zu mir, als er mich beim Bahnhof abholte, umarmte mich lange. Dann erklärte er mir bei einem Kaffee, dass es erstens seiner Mutter gesundheitlich nicht so gut ginge und er als Jüngster von seiner Familie dazu ausgewählt wurde, nach Algerien zu gehen, um sich um sie zu kümmern. Außerdem meinte er, dass er wenn er seinen Bachelor wieder nicht schaffe (was allerdings doch erst im April klar wird, da er ansonsten doch vorhat, das Sommersemester zu absolvieren), sowieso nach Algerien zurückmüsse und ansonsten eben nach seinem Master, da die französischen Gesetze es praktisch unmöglich machen danach noch weiter in Frankreich zu bleiben, wenn man nicht augenblicklich eine Stelle findet. Zudem würde ich ja weiter in Deutschland studieren wollen und er ansonsten in Frankreich und das mit der Fernbeziehung, wo wir uns nur einmal o.ä. pro Monat sehen würden, würde er nicht packen. Außerdem hätte er mich nicht verdient, er sei kein großer Verlust und weiteres sehr besorgniserregendes Zeug. Er müsse nun sein Leben auf die Reihe kriegen und auch wenn seine Zukunft noch nicht feststünde, wolle er nicht länger meine Zeit verschwenden. Er sei immer noch verliebt in mich, aber diese vier Monate Alleinsein hätten ihm zum Nachdenken gebracht, ob unsere Zukunft überhaupt vereinbar ist. Er macht also Schluss, es könnte aber auch eine Beziehungspause sein, da man ja nicht weiß, wie die Sachen sich entwickeln, ich solle aber nicht hoffen, aber er wolle, dass ich weiterhin Teil seines Lebens sei und könne mich ja besuchen, aber er würde dann nicht mit mir schlafen. Grundsätzlich war auch alles so wie immer, außer dass er sich deutlich zurückhielt bei vielen Dingen und mir nicht mehr sagte, dass er mich liebe o.ä. Er schien die Situation schon fast als romantisch anzusehen und sagte mir viel melodramatisches Zeug. Ich gebe zu, dass hat die Situation etwas erträglicher gemacht, war aber auch ein bisschen lächerlich.
Ich fuhr also nach Hause. Mir ging es weiterhin schlecht, vor allem, da wir geplant gehabt hatten, diese ganze Zeit zusammen zu sein und nun schlief ich wieder bei meiner Mutter auf der Couch. Ich fing an, das ganze zu verarbeiten, heulte fast jeden Tag, schrieb Tagebuch, redete und traf mich mit vielen lieben Leuten. Und ich gebe zu, mir geht es bereits nach eineinhalb Wochen bereits deutlich besser als am Anfang. Ich fühlte mich mitunter sogar stark und glücklich wieder zu Hause zu sein, und alle wiederzusehen, auch wenn alles natürlich einen Beigeschmack hatte und vor allem der Morgen und der Abend am schwersten waren.
So, jetzt zu dem eigentlichen Teil, wobei ich Rat bräuchte. Er hat mir bis jetzt nicht aufgehört zu schreiben. Er hat mir die zwei ersten Tage nach meiner Rückkehr von allein geschrieben, wenn auch nur banales. Am ersten Tag hatte ich ihm noch einmal eine lange Nachricht geschrieben, in der ich ihm geschieldert hatte, dass mir vieles über mich klar wurde (vor allem meine Selbstwertprobleme und die Angst vor dem Alleinsein) seitdem er Schluss gemacht hatte (gehört nicht zu 100% zum Thema). Er hat mir super lieb geantwortet. Den dritten und vierten Tag bin ich schwach geworden und habe ihm geschrieben, auch nur banal, aber alles blieb freundlich. Gestern hat er wieder geschrieben von sich aus und hat mich sogar angerufen, wir haben nett gequatscht, so wie immer, nur ohne das ich liebe dich am Ende. Er meinte unter anderem, dass er mich morgen anrufen könne, und auf meine Antwort, wenn er wolle, sagte er, natürlich wolle er. Außerdem solle ich ihn besuchen, wenn er seinen Bachelor kriegt, damit wir uns gemeinsam betrinken können. Außerdem würde er danach sofort irgendwo hinreisen, am besten sogar in meine Heimatstadt. Am nächsten Tag dann aber kein Anruf, außer eine Antwort auf meine Nachricht (der Zuverlässigste war er nie bei solchen Aussagen).
Morgen werde ich ihn wiedersehen, da ich zu einem Uniseminar in diese französische Stadt muss. Er hat mir auch zugesichert, dass wir Zeit miteinander verbringen werden.
Also . was muss ich von dem Ganzen halten? Ich bin so verletzt, weil er sich einfach gegen unsere Beziehung entschieden hat, ohne das irgendetwas sicher wäre in der Zukunft. Er hat nicht nach einer Lösung gesucht, er hat einfach aufgegeben. Mich aufgegeben, dabei dachte ich, ich wäre etwas positives, etwas, dass ihm Kraft und Motivation gibt. Ich bin zwiegespalten. Einerseits ertrage ich diese Unsicherheit und diese Art von Kontakt nicht, und weiß auch, dass ich nicht alles mit mir machen lassen darf. Andererseits, wenn ich ihm dann wenn ich ihn wiedersehe ein Ultimatum stelle, entweder er probiert es mit uns oder Kontaktsperre, dann habe ich überhaupt keine Chance mehr auf ein Wiedersehen, darauf, dass wir noch einmal zusammenkommen. Natürlich ist die Frage, ob das überhaupt so gut wäre. Aber mir geht es so schlecht im Moment .
Entschuldigt diesen langen Roman, ich wollte die Situation so gut wie möglich schildern. Ich danke euch schonmal für Meinungen, Kommentare, Vermutungen etc.
Liebe Grüße
Julia
07.01.2020 09:31 •
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