Starker Wind da draußen. Er treibt die Wolken schnell voran. Manchmal ist ein Stück blauer Himmel, gar Sonnenschein zu sehen. Doch der Wind ist zu stark, treibt die grauen Wolken zu schnell hinterher. In meinem Leben könnte zwischendurch auch mal die Sonne scheinen, aber es gibt nur graue Wolken. Es war einfach zu viel in den letzten Wochen, Monaten und Jahren.
Die ganzen Tierarztbesuche seit Weihnachten - immer brauchte ich das Auto. Wir sahen uns fast täglich. Du warst besorgt, um mich und um unsere Katze. Am Ende hat alles Kämpfen nichts genützt und ich musste sie gehen lassen. Dann im Auto, als Du mich fragtest, wie es mir geht... Der Damm brach.. Nein, ich habe Dich nicht angefleht. Aber ich sagte Dir, dass Du mir fehlst. Ich niemals jemanden so sehr geliebt habe, wie Dich. Dass ich Angst habe, nie über den Verlust des 'uns' hinweg zu kommen. Dass es mir so schlecht geht, wie nie zuvor in meinem Leben.
Ich hätte das nicht sagen sollen. Dein schlechtes Gewissen wuchs ins Unermessliche. Hast immer wieder gefragt, wie es mir geht, ob Du was für mich tun kannst, ob ich etwas brauche... Sagtest mir, dass Du so viel Schuld fühlst, weil es mir nun geht, wie es mir geht. Aber nie hast Du irgendwas gesagt, was mir Hoffnung hätte machen können. Hast mir gut gemeinte Tips gegeben, was ich machen könnte, um mich besser zu fühlen. In Aussicht gestellt, dass es mir bestimmt besser gehen wird, wenn der Frühling kommt und die Sonne wieder scheint.
Und nach dem von Dir Gesagten, 5 Monate nach Deinem Auszug, realisierte etwas in mir, dass die Hoffnung, die ich immer noch hatte, vergebens ist. Wie ein Tsunami fegte diese Einsicht über mich hinweg. Als Du mich an dem Tag nach Hause fuhrst, vor der Garage hieltst und ich aussteigen wollte, legtes Du Deine Hand auf meinen Arm, wolltest etwas sagen. Ich ließ es nicht zu. Schob Deine Hand weg, sagte Du hast mir alles genommen und stieg aus. Hatte ich die letzen Tage schon viel geweint, so war es doch nichts im Gegensatz zu dem, was an dem Tag folgte. Ich brach vollkommen zusammen, lag weinend auf dem Teppich. Noch nie hatte ich Schmerz in einem solchen Ausmaß gefühlt. Niemals zuvor. Es war kaum auszuhalten. Ich hatte den Telefonhörer in der Hand, wollte in der Psychiatrie fragen, ob man mich stationär aufnehmen könnte. Aber ich tat es nicht. Stattdessen sprang wohl Selbstschutz der Psyche und schaltete meine Gefühle aus. Ich erinnere mich kaum noch daran, wie ich den Rest des Tages verbrachte.
Am nächsten Tag hatte ich etwas vor. Denn, mir ein Auto zu kaufen - den Plan hatte ich vor ein paar Wochen schon ad acta gelegt. Gibt meine finanzielle Situation einfach nicht her. Und schon ein paar Wochen hatte ich nach einem Motorroller geschaut, kam aber immer zu spät. Nun hatte ich einen gefunden, 100 km entfernt. R. holte mich ab und wir machten uns auf den Weg. Und wie R. so ist - wir waren den ganzen Tag unterwegs, weil er hier und da anhielt, überall noch etwas zu erledigen hatte, wenn man schon mal in die Richtung fährt.
Ich war kein guter Gesellschafter an dem Tag. R. versuchte immer wieder, mich aus der Reserve zu locken, schaffte es aber nicht. Als wir die Landstraße entlang fuhren, sah ich das Schild: Bräutigamseiche. Und ich erinnerte mich daran, dass wir dort mal angehalten haben. Auf dem Rückweg, als wir meine Oma in der ReHa besuchten. Am liebsten hätte ich angehalten. Zu der Eiche gehen, unsere Spuren suchen. Aber wir fuhren weiter.
Der Tag war lang, viel Fahrerei. Ich hatte sehr viel Zeit, mir Gedanken zu machen. Der Abend zuvor hatte mir gezeigt, dass ich nun am Ende meiner Kräfte war. Ich war immer stark, ging trotz aller Schmerzen immer weiter. Aber jetzt ging nichts mehr. Und mir wurde klar, dass es nur zwei Optionen gab: Kontakt einstellen oder aber den vollkommen Zusammenbruch - physisch wie psychisch - zu riskieren.
Ein paar Stunden später hatte ich das erste Erfolgserlebnis seit unserer Trennung. Der Roller gehörte nun mir. Ich kaufte ihn und er sollte am nächsten Tag abgeholt werden. Zuhause rief ich Dich an, wollte das nicht per WA machen. Du hast verstanden, was ich Dir sagte. Wolltest nicht, dass es mir schlecht geht. Hast mich gebeten, Dir ab und zu mal Fotos von den Katzen zu schicken. Jetzt, nach dem Tod von unserer Süßen, wüsstest Du erst, wie sehr Du sie vermisst. Und ich musste Dir versprechen, mich zu melden, wenn irgendwas ist. Als wir uns verabschiedeten, hörte ich, dass Du anfingst, zu weinen.
Und da bin ich nun. Habe seit 5 Tagen nichts mehr von Dir gehört. Wie immer, habe ich Dich ins Archiv geschoben und schaue auch nicht nach, wann Du das letze Mal online warst. Aber jeden Morgen schaue ich nach, ob Du Dich gemeldet hast. Jeden Tag denke, hoffe ich, dass Du Dich doch melden
musst. Es doch gar nicht sein kann, dass wir wirklich getrennt sind. Das geht doch gar nicht, oder?
Als ich das Nummernschild am Roller anbrachte, erinnerte ich mich. Weißt Du noch, als wir uns damals beide einen Roller kauften, damit wir nicht mehr vom Bus abhängig sind? Das war eine richtige Aufbruchstimmung, ein Stück Freiheit damals. Zusammen haben wir das Zweiradfahren erkundet. Wir sind einfach losgefahren, Strecken, die über Land führten, die wir vorher nie gefahren sind. Standen an Ampeln nebeneinander, sahen uns an... Jetzt war ich allein. Du warst nicht da, um die Freude mit mir zu teilen. Allein mit vielen Erinnerungen...
Seit Deinem Auszug vor 5 Monaten war ich praktisch festgesetzt in der Wohnung. Konnte die nähere Umgebung nur dann mal verlassen, wenn ich das Auto von Dir holte. Busfahren ist auf Dauer einfach zu teuer. Jetzt bin ich wieder unabhängig, habe es aber noch gar nicht richtig realisiert. Muss mir immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass ich nun niemanden mehr fragen muss, wenn ich irgendwo hin möchte. Sicherlich ist es nicht so komfortabel wie ein Auto. Aber mit der richtigen Kleidung ist das kein Problem. Immerhin sind wir damals auch 5 lange Jahre so unterwegs gewesen und es ging.
Meine erste Fahrt führte mich zum Motorrad-Shop, da meine Kleidung von damals leider nicht mehr brauchbar war. Aber das Teuerste, der Helm, war wenigstens noch wie neu. Ich fühlte mich einsam auf dem Weg dorthin. So einsam, wie ich mich auf dem Weg in die Zukunft fühle. Ich hätte mir gewünscht, Dich in Deiner schwarz-roten Motorradjacke im Rückspiegel zu sehen. Aber Du warst nicht da.
Mir geht es jetzt wieder besser. Doch der Satz es geht mir gut ist nicht mal mit dem stärksten Fernglas am Horizont zu erkennen. Ich gehe Schritt für Schritt. Immer wieder haut der Sturm mich um. Ich stehe wieder auf, gehe weiter. Ohne Freude, ohne Perspektive. Immer noch kann ich nicht glauben, dass wir getrennt sind und es so bleiben wird. Und der Glaube, dass das nicht alles war.... Es gibt kein Material auf dieser Welt, das härter ist, als dieser Glaube ganz tief in mir. Wunschdenken? Gewohnheit, weil Du mich zwar oft betrogen, aber doch nie gegangen bist?
Heute abend bin ich wieder bei J. eingeladen. So alle 4 Wochen treffen wir uns bei ihm, sitzen zusammen, essen etwas und quatschen. Wieder handele ich gegen den Impuls, mich zu verkriechen und werde hinfahren. Ich werde etwas abgelenkt sein. Aber ich kenne das Gefühl schon, dass auch in den Momenten, in denen ich abgelenkt bin, ja sogar mal lache, immer im Hintergrund ist... Dieses surreale Gefühl, dass ich nicht 'ganz' bin, dass etwas emiment Wichtiges an meiner Seite, in meinem Leben fehlt.