Ich habe mich hier angemeldet, weil ich nicht mehr weiter weiß und gern von Euch hören würde, ob ihr ähnliche Erfahrungen gemacht habt und Gedanken hattet und was ihr aus Eurem Leben schlussendlich gemacht habt.
Bis vor 9 Monaten hatte ich (w, 42) das perfekte Leben: glücklich verheiratet seit 11 Jahren, beide voll berufstätig im Traumjob, erfolgreich, zwei wunderschöne Kinder (5 und 9), Haus, tolle Urlaube, einfach alles, was man braucht um glücklich zu sein.
Mit meinem Job war ich auch öfter unterwegs, lernte über die Jahre viele Leute kennen. Viele bezeichnen mich als sehr attraktiv, auf meinen Dienstreisen wurde ich oft angeflirtet, bekam unterschiedlichste Angebote (ernst oder Affäre) von diversen Männern. Doch andere Männer waren für mich schon immer uninteressant, schließlich war ich glücklich und zufrieden mit meinem Leben. Ich zog mich immer und ausnahmslos von solchen Andeutungen zurück. Oft haben mich Kollegen und Geschäftspartner für meine Gradlinigkeit bewundert, konnten es oft nicht verstehen.
Vor 9 Monaten war ich wieder auf einer Messe unterwegs, lernte einen Mann (47) kennen. Wir arbeiteten 10 Tage am gleichen Ort, standen oft wortlos nebeneinander und unterhielten uns eigentlich nur sporadisch, d.h. nur einige Male während der Zeit und ausschließlich über berufliche Themen. Rückblickend muss ich sagen, ist er mir zu dieser Zeit nicht mal sonderlich ausgefallen.
Am letzten Arbeitstag verabschiedeten wir uns, sagten uns, dass die Zusammenarbeit Spaß gemacht hat und bedankten uns dafür und wünschten uns alles Gute.
Am nächsten Tag saß ich wieder in meinem Büro und war nicht arbeitsfähig. Ich wusste nicht was es war, konnte mich nicht konzentrieren, irgendetwas fehlte. In der Mittagspause kam eine App von dem Mann, den ich kennengelernt hatte. Auch er war nicht arbeitsfähig, ihm fehlte etwas.
Wir dachten, es sei der Trubel der Messe, diese plötzliche Ruhe, dieses von 100 auf Null.
Aus heutiger Sicht wissen wir, wir haben uns vermisst, die pure Anwesenheit des anderen.
Um es abzukürzen, wir fingen an in der Mittagspause zu appen und es wurde immer mehr, erst jede Mittagspause, dann zwischendurch, später auch morgens und abends, schließlich füllten sich ganze Abende mit Appnachrichten. Was rein beruflich begann, wurde irgendwann privat (rein die Themen über die wir uns austauschten). Wir stellten viele Übereinstimmungen fest, fingen an uns zu mögen. Beiden war uns klar, wir sind beide verheiratet, haben beide Familie, wir verstehen uns nur supergut wie wir noch nie einen anderen Menschen verstanden haben und wie wir von noch niemandem verstanden wurden. Wir waren überrascht, verängstigt, überwältigt von den gleichen Denkmustern. Wir gingen zeitgleich online, wir schickten zeitgleich nahezu identische Apps. Selbst nachts wachten wir zur gleichen Zeit auf, waren überrascht vom zeitgleichen online-Gehen des anderen und von den gleichen Gedanken des anderen. Und das, obwohl uns 100 Kilometer trennten.
Nach zwei Monaten entschieden wir uns einen Kaffee zusammen zu trinken, weil wir uns nicht mehr sicher waren, ob wir und diese gleiche Denke und dieses Bild, was wir vom anderen hatten, nur Einbildung war oder ob die Realität dies bestätigen würde. Wir wollten sozusagen einen Abgleich von Bild und Realität.
Wir tranken brav den Kaffee und stellten fest, das die Realität unser Bild vom anderen bestätigte.
Auch wenn ich nicht an Seelenverwandtschaft glaube, alles was man darüber liest, kann ich 1:1 auf uns übertragen: dieses unglaubliche Verbundenheitsgefühl, dieses wortlose Verständnis des anderen und diese unglaublich tiefe Liebe so völlig unabhängig von den Rahmenbedingungen.
Genau das erörterten wir auch beim Kaffee miteinander, gestanden uns ein, dass wir uns ineinander heftig verliebt haben, stellten aber auch fest, dass wir Familie und Verantwortung haben und daran festhalten wollen und auf keinen Fall eine Affäre wollen.
Wir sagten uns aber auch, dass wir das Besondere am Gegenüber entdeckt haben, diesen WOW-Effekt, der so noch nie da war und dass wir in Freundschaft verbunden bleiben wollten.
Letztlich wurde aber der Drang auf einander zuzugehen immer größer.
Eines Abends rief er mich an und weinte wie ich noch nie einen Mann hab weinen sehen/ hören. Er sagte, dass ich DIE EINE für ihn sei, so wie er sich immer eine Frau erträumt habe, dass er mich liebe wie er noch nie zuvor geliebt habe, dass ich und das was wir haben alles in den Schatten stellt, was er bisher erlebt hat. Und das, obwohl er vor seiner Ehe wirklich viele Beziehungen und viele unterschiedliche Frauen hatte.
Und ich muss zugeben, mir ging es ähnlich. Auch ich habe verschiedene Beziehungen hinter mir. Aber das mit ihm stellte vom Gefühl her alles in den Schatten.
Wir hatten beide das Gefühl zum ersten Mal WIRKLICH zu lieben.
Wir verabredeten erneut ein Treffen zum Reden und sprachen uns aus. Wir sagten, dass wir eigentlich dachten, eine perfekte Beziehung mit dem Ehepartner zu führen, dass wir uns nicht gesucht und doch gefunden haben und dass wir nie eine Affäre wollten und auch nicht haben, aber in so etwas wie eine Parallelbeziehung schlittern. Wir sagten, dass wir eine gemeinsame Zukunft in Erwägung ziehen, ganz vorsichtig und langsam und natürlich auch mit unseren Partnern zu gegebener Zeit sprechen werden.
Wir trafen uns noch einige Male, hielten Händchen und küssten uns auch schließlich.
Nur so zum Vergleich: wir empfanden das Händchenhalten von der Gefühlsintensität so wie den Orga. mit dem Ehepartner. Das Küssen war tausend Mal mehr WOW und zu mehr sind wir nicht gekommen.
Eigentlich redete ich ihm immer noch ins Gewissen, doch an seiner Frau festzuhalten, weil wir ja eigentlich (dachten) die perfekte Familie hatten (zu haben). Jedesmal brach er zusammen und flehte mich regelrecht an, ihn nicht wegzuschicken und einen gemeinsamen Weg zu suchen.
Schließlich freundete ich mich immer mehr mit dem Gedanken an, mein Leben noch einmal neu in die Hand zu nehmen. Ich machte mich bereit, die Konsequenzen aus unseren Gesprächen zu tragen.
Nachdem wir uns einige Male (zum Reden, Pläne schmieden, Händchenhalten, Küssen) getroffen haben, fuhr meine Affäre mit seiner Frau über 5 Tage zu einer Hochzeit.
Danach kam er mit geänderter Meinung wieder. Er sagte, dass er sich auf seine Frau einlassen könne, wenn ich nicht (ständig im Kopf) präsent bin. So könne er seine Familie und die dort geschaffenen Werte retten. Er würde gern in Freundschaft mit mir verbunden sein und in seinem Herzen wäre ich aber.
Ich sagte ihm, dass wir keine Freundschaft mehr haben und somit auch nicht haben werden. Letztlich war das unser Ende. Danach redeten wir zwar noch 2 Mal, aber letztlich wollte er an seiner Familie festhalten und auf diese einzigartige Liebe verzichten.
Das Ganze ist jetzt 3 Monate her.
Ich leide schrecklich und habe überhaupt keine Orientierung mehr im Leben. Ich liege seit 3 Monaten im dunklen Zimmer weinend im Bett, habe das Bedürfnis mich zu Ritzen, damit dieser Schmerz meinen Körper verlässt. Ich recherchiere wie man am Besten aus dem Leben geht. Aber dann würde ich den Schmerz, den ich in mir trage, auf meine Kinder übertragen. Das kann ich doch nicht tun.
Ich kann mich an nichts mehr erfreuen. Ich weine, wenn die Sonne scheint. Ich weine, wenn Musik ertönt. Selbst über meine Kinder kann ich mich nicht mehr freuen. Ich empfinde alles als Last. Ich habe überlegt, alles hinter mir zu lassen, die Familie zu verlassen und irgendwie bei Null anzufangen.
Aber sagt mir, was ist mein Leben noch? Ich bin eine Hülle ohne Inhalt und ohne Boden. Alles woran ich geglaubt habe und was ich aufgebaut habe, meine Ehe, mein Eheversprechen, meine Familie ist doch nix mehr wert, weil ich doch offen für bzw angreifbar durch den neuen Mann war. Eine neue emotionale Ebene zu meinem Mann kann ich nicht mehr aufbauen. Schließlich habe ich ihn/ uns verraten und mein Versprechen gebrochen. Und ich war ja schon dabei, ihn zu verlassen, auch wenn es noch nicht zum klärenden Gespräch gekommen ist, Und ich musste mit dieser Erfahrung mit dem anderen Mann erkennen, dass mein Mann und ich zwar eine schöne Beziehung und solide Liebe hatten, die aber gelinde gesagt nicht nur den Hauch der Intensität der neu entstandenen Beziehung hatte.
Auf der anderen Seite habe ich auch den Glauben an die Liebe verloren. Ich habe jetzt mit 42 Jahren erfahren können/ müssen/ dürfen wie Liebe sich auch anfühlen kann, welches intensive Gefühl spürbar sein kann. Das ist jenseits von alle dem, was ich bisher je erlebt und gespürt habe. Aber ich weiß auch, dass diese Art der Liebe, dh diese Intensität nur mit dem neuen Mann möglich wäre, der sie mir aber nun verweigert. Dh, selbst wenn ich bei Null mein Leben beginne, werde ich nie wieder diese tiefen Gefühle haben oder eine Ehe in Erwägung ziehen.
Per heute kann ich es kaum erwarten, meinen letzten Atemzug zu machen. Alles, was ich im Leben erreichen wollte (Beruf, Kinder, Haus, Mann etc) habe ich erreicht und teils erfolgreich in den Sand gesetzt.
Was soll ich noch? Was kann ich noch, wenn mich doch nix mehr erfreut? Was macht es noch für einen Sinn, wenn die Werte der Ehe für mich nicht aufrecht zu erhalten sind? Und was macht es noch für einen Sinn, wenn so eine einzigartige, tiefe und unvergleichliche Liebe nicht ausreicht, um den Lebensweg gemeinsam zu beschreiten?
16.09.2017 20:59 •
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