Zitat von LebedeinLeben: Welchen Weg hast du für dich gefunden, um nicht mehr in der inneren Dynamik festzuhängen?
Bewusstwerdung durch Rückschau auf das kleine Mädchen, das mit dem Kaltstellen und der Leistungsforderung nicht klar kommt und das sich oft sehr einsam und verlassen fühlte. Ich hatte nicht gelernt, eigene Bedürfnisse zu formulieren bzw. traute mich das auch gar nicht. Und so schwieg ich und zog mich in mich selbst zurück. Mein Stoffpinguin war oft genug mein Kummerkasten, dem ich solche Dinge anvertraute. Aber gegenüber meiner Mutter niemals, denn die war - wie mir später klar wurde - durch den Krieg und die Traumata selbst beschädigt. Sie wollte zwar immer das Beste, aber ich fühlte mich oft genug übergangen, ungerecht behandelt und hatte oft das Gefühl, das ich einfach nicht genug bin und daher nicht liebenswert.
Leider setzen sich derlei Erlebnisse fest und zeigen sich später in einem instabilen Selbstwertgefühl, das in der Außenwelt Kompensierung sucht, in Selbstzweifeln insbesondere wenn ich meinen Selbstansprüchen nicht genügte und in Bindungsängsten.
Bindungen tun weh, sie halten nicht, sie verursachen Kummer und Schmerz - und schon sind die Bindungsängste da. Zwar besteht auf der bewussten Ebene eine unglaubliche Sehnsucht nach einem Ankommen, nach zuverlässiger Geborgenheit und Sicherheit und nach Akzeptanz und Bestätigung, aber das Unterbewusstsein sagt: Bindungen sind riskant, lass die Finger lieber davon. Soll sie sich ruhig abarbeiten, soll sie Sehnsüchte haben u./o. leiden, mir egal, Hauptsache ich bin safe.
Und safe fühlt sich das Unterbewusstsein, indem es Dich zu den Männern führt, mit denen eine tiefe und echte Verbindung gar nicht möglich ist. Er ist zu jung oder zu alt, gebunden oder frisch aus einer Trennung oder passt vom sozialen Background nicht oder, oder ... Aber die normalen Männern machen einen weiten Bogen um Dich. Und wenn sie es nicht tun, sondern Interesse an Dir äußern, sagst Du: Ach nö, bitte, ausgerechnet der interessiert mich nicht. Der ist viel zu anhänglich, das überfordert mich total.
Erinnerungen passieren lassen, Tränen zulassen und nochmals ins Erlebte gehen. Als ich eine Tür geöffnet hatte, öffneten sich weitere und das war wiederum leidvoll. ich begann mir selbst leid zu tun, auch etwas, was ich nie zugelassen hatte. Stattdessen immer Du musst, Du musst, ja nicht aufgeben, ja nicht nachlassen, beiß Dich durch und lass Dich nicht unterkriegen.
Das ist heute noch eine Baustelle bei mir, dass ich Stress nicht erkenne, sondern wegschiebe, bis es nicht mehr anders geht oder sich der ständige Selbstanspruch in körperlichen Erscheinungen äußert.
Selbstmitleid hilft nichts, eher Selbstmitgefühl, denn das Selbstmitleid tut nicht nur weh, sondern verführt einen dazu, sich in eine Opferrolle zu begeben. Ein Opfer ändert nichts, es ist ja nur Opfer, es bewegt nichts und es verharrt im Leid. Starre und Blockade sind dann oft fühlbar.
Wichtig war mir auch eine Aussöhnung mit meiner Mutter, die vor über 20 Jahren verstarb. Aber noch Jahre nach ihrem Tod kamen Ungerechtigkeiten, Ohrfeigen, Vorwürfe hoch. Ich bemühe mich es zu verstehen, warum sie so war, aber bemühen heißt eben auch, ich arbeite wohl immer noch dran.
Manchmal verstehe ich es und kann es akzeptieren. Wer Dinge wie sie erleben musste durch Einfluss von außen und zum Spielball höherer Mächte wurde, schleppt auch Blessuren durchs Leben. Was ist gegen gewaltsame Heimatvertreibung, Heimatverlust, Abwesenheit von Vater und Bruder, Tod des Bruders im Krieg, Vater lange Jahre in Russland in Gefangenschaft, Neuanfang im Westen, wo die Leute vom Osten auch keiner wollte, früher Tod ihrer Mutter das was sie bei mir falsch gemacht hat? Nicht viel, sie musste als Kind mehr aushalten als ich und die Schutzreaktion war bei ihr auch das Verdrängen ins Unterbewusstsein. Da, wo es nicht mehr spürbar ist und nicht mehr schmerzhaft ist.
Dann fand ich aufgrund einer Überschwemmung im Keller noch uralte Briefe von meiner Mutter an meinen Vater aus der Zeit vor der Heirat. Er hatte sie zusammengebunden und aufgehoben, in einem alten Schreibtisch und mir fielen sie als durchweichtes Päckchen in die Hände. Ich breitete sie aus zum Trocknen, las einige und weinte wieder. Denn was ich da las, das war ja ich! Die Briefe hätten von mir sein können. Der nächste Schlag war dann die Erkenntnis, was ich alles unbewusst übernommen und mir abgeschaut hatte und was sich im Erwachsenenlleben in schwierigen Beziehungen zeigte.
Der Therapeut hatte mit allem Recht gehabt. Wir leben das nach was wir kennen. Von wegen selbstbestimmtes Leben, man ist eher eine Summe aus Erlebtem, was lange zurückliegt. Traurig, aber wahr.
Psychische Krankheit des Vaters ist eine Erklärung und eine Erklärung stellt die Verstandesebene ruhig. Aber nicht die Gefühlsebene. Du kannst besser damit umgehen, wenn Du nochmals da durchgehst, das Traurige fühlst und irgendwann Dich selbst gefühlt an die Hand nehmen kannst.
Die ganzen Tanzpartner, diese komischen Männer dort, vergiss sie. Sie sind Tanzpartner, aber sonst nichts und von denen hilft Dir keiner.
Such Dir einen Traumatherapeuten, der Dich auf dem Weg durch die Erinnerungen begleitet. Schwierig genug, zumal gefühlt viele Therapeuten nur Seelenstreichler sind, aber nicht an die Ursachenforschung gehen. Ohne die aber kommst Du nicht weiter. Was Du im real life erlebst, sind nur die Symptome, aber nicht die Ursachen, denn die liegen viel tiefer und genau da musst Du ran,.