Hallo
Ich habe in den letzten Wochen sehr viel Zeit in Foren verbracht und finde es einerseits erstaunlich, andererseits tragisch, dass es so viele Menschen gibt, die einem Narzissten verfallen sind.
Auch ich kann mich nicht ausschließen. Bis heute kann ich nicht 100% sagen, ob mein Ex eine Narzisstische Persönlichkeitsstörung hat, denn ich bin kein Psychologe. Aber ich habe viel darüber gelesen und auch in einer Paartherapie (die ich letztlich alleine gemacht habe), war sein riesiges Ego ein großes Thema.
Warum, weshalb, wieso? Das sind die Fragen, die mich sehr beschäftigen. Vor einer guten Woche habe ich mich von ihm getrennt. Letzen Endes, weil ich einfach keine Kraft mehr hatte, wirklich verzweifelt war und weil ich mich einfach nicht mehr ständig reflektieren wollte. Ich bin aufgrund meiner Geschichte ein Mensch, der dazu neigt, zu sehr in der Außenwelt zu leben, quasi ein Du Mensch. Damit bin ich 34 Jahre lang relativ gut durchs Leben gekommen. Es ist ja auch schön, wenn man sich um andere kümmern oder ihnen eine Freude machen kann, wenn man ein Lächeln oder Dankbarkeit geschenkt bekommt. Sowas gibt Energie, Zufriedenheit und macht glücklich. Und es ist vor allem viel viel leichter, denn man muss sich automatisch nicht mehr so viele Gedanken um sich selbst machen.
Das Prinzip: Liebe andere, mach es ihnen recht und dann wirst Du auch geliebt... so funktioniert es allerdings nur bedingt im Leben. Denn irgendwann kommt die Erkenntnis, das wach werden und dann wird einem auf einmal so viel bewusst.
In meinem Fall: ich liebe seit über 10 Jahren einen Menschen, der nach außen hin der tollste Mann der Welt ist. Selbst seine engsten Freunde sehen ihn als einen besonderen, zwar ein wenig eigenartigen (sie formulieren es als spirituell), aber liebenswürdigen und aufrichtigen Menschen. Ein Mann der das Leben in vollen Zügen genießt; mit extravaganten Hobbies, spontanen Abenteuern, kreativen Ideen, einfühlsamen Momenten und extrem gutem S.. Ja, und genau in diesen Mann habe ich mich verbliebt. Mit ihm schien das Leben noch lebenswerter zu sein. Er hat mir das Gefühl gegeben, dass ich etwas besonderes bin, er hat sich mit mir geschmückt, wir waren das schillernde Paar, wurden für unsere Abenteuer bewundert und beneidet. Wir waren kurz vor dem nächsten Schritt, Familie, Kinder, ein Haus. Alles hätte so perfekt sein können....
Wenn es da nicht noch die andere Seite gegeben hätte. Die Seite, die ich besonders zu spüren bekommen habe.
Die andere Seite kam langsam zum Vorschein, so langsam, dass ich es am Anfang nicht wahr genommen habe. Immer in dem Glauben, dass er nur das Beste für mich will. Es fing damit an, dass er mir sagte, ich müsse mein Aussehen verändern, konkret ein paar Kilos abnehmen, denn ihm sei es wichtig, eine gesunde, sportliche Frau an seiner Seite zu haben, die auf sich achtet. Klingt ja erst mal positiv (er meint es ja gut mit mir). Also habe ich angefangen, mehr Sport zu machen, mich um mich zu kümmern und siehe da, die Resonanz im Freundeskreis und Job war super und hat natürlich mein Selbstwertgefühl gesteigert. Unabhängig davon hat es mir persönlich auch extrem gut getan.
Als dieses Projekt abgeschlossen war, nahm er sich als nächstes meinen Job vor. Ich müsse an meinem Marktwert arbeiten, mich besser verkaufen, mich bei meinem Chef durchsetzen, zielstrebiger werden, mir meines Talents bewusst werden. Auch das klang im ersten Moment für mich völlig richtig und plausibel. Nun bin ich jedoch ein Mensch, der sehr schwer nein sagen kann, mag das zwar auch nicht so sehr an mir, hab dann aber schnell gemerkt, dass ich nicht von heute auf morgen umschalten konnte. Dann fing das nörgeln an. Hast Du schon, warum hast Du noch nicht, ich kann das nicht verstehen, Du musst bewusster werden, etc.
Und nach und nach kamen immer weitere Projekte hinzu: mein Umgang mit Geld, meine Zielstrebigkeit, meine Visionen im Leben, meine nicht vorhandene Spontanität, mich auf Neues einzulassen, usw. usw.
Ich hab zwar gemerkt, dass mich das alles unendlich viel Kraft kostet, dieses permanente nachdenken und überlegen, wie ich das besser oder anders machen könnte und immer wenn es mir zuviel wurde, habe ich versucht, dagegen zu halten, in dem ich ihm gesagt habe, dass es sich um mein Leben handelt und ich die Dinge gerne so machen möchte, wie ich sie für richtig halte, nur, wenn man einen Partner hat, der zudem auch verbal extrem überlegen ist, dann ist es nicht so einfach, bei sich zu bleiben und auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Und irgendwann kam bei mir dann auch das Gefühl auf, dass er mich nicht so liebt wie ich bin. Unabhängig davon konnte er mir auch lange Zeit nicht sagen, dass er mich liebt.
Nach 1,5 Jahren Beziehung haben wir uns dann entschlossen, zu einer Paarberatung zu gehen. Die ersten Sitzungen finden immer in Einzelgesprächen statt. Er hat sich dann nach der 3. Sitzung entschlossen, diesen Weg zu stoppen und eine Therapie für sich zu machen. Ich bin bei der Beraterin geblieben und habe nach und nach angefangen, mich besser kennenzulernen. Sie hat immer zu mir gesagt, dass ich mir darüber bewusst sein muss, dass diese Beziehung immer anstrengend sein wird und ich nur dann glücklich werden kann, wenn ich bei mir bleibe und ihm auf Augenhöhe begegne. Nun, ich bin ein Mensch, der sehr viel aushält und irgendwo immer sehr viel Kraft herholt und so war ich felsenfest überzeugt, dass ich das hinbekomme.... es gab doch soviel Schönes zwischen uns...
Zurück zu seiner Therapie: diese schien einiges bewirkt zu haben, auf jeden Fall am Anfang. Er hat sich mehr und mehr aus meinen persönlichen Dingen herausgehalten. Eine Zeitlang schien es so, als ob wir es hinbekommen würden.
Doch irgendwann fingen die Nörgeleien wieder an. Plötzlich ging es um Dinge wie zu spät kommen, eine andere Meinung haben, seine Bedürfnisse nicht erkannt und erfüllt zu haben, usw.
Ich, die ich ja nun dachte, ich hätte an Stärke gewonnen, habe immer versucht, bei mir zu bleiben, mich zu erklären, mit ihm zu Reden, ihm zuzuhören, an seine Bedürfnisse zu denken. Irgendwann musste ich feststellen, dass das einfach nicht funktionert. Ich konnte mich noch so sehr anstrengen, er hat immer wieder etwas gefunden, was ihn gestört hat, besonders dann, wenn er mit sich total unzufrieden war.
Am schlimmsten waren dann die Streits. Ich konnte quasi die Uhr danach stellen, alle 2-3 Monate ging es los. Einfach so, quasi aus dem Nichts ist er völlig ausgeflippt. Er hat dann so lange auf mich eingeredet, mir gedroht mit Sätzen wie wenn Du Dich nicht änderst, dann weiß ich nicht, ob ich das alles noch so will, bis ich irgendwann buchstäblich mit dem Rücken an der Wand stand, geweint habe, oder einfach gegangen bin. Meist war dann 1-2 Tage später alles wieder super, machmal tat es ihm leid, manchmal nicht. Für mich war es jedes Mal eine riesige Kraftanstrengung. Jedes mal das Gefühl zu haben, dass ich verlassen werden könnte, wenn ich mich nicht ändere und jedes Mal zu überlegen, wie ich es in Zukunft besser machen kann.
Viele Frauen mit einem gesunden Selbstwertgefühl würden an dieser Stelle sagen, bist Du verrückt? Warum hast Du das mit Dir machen lassen? Tja, das ist eine gute Frage...
Im Moment kann ich es nur so beantworten: bei mir ist einiges schief gelaufen in der Kindheit. Ich war mir zwar dessen irgendwo bewusst, habe vor vielen Jahren deswegen auch mal eine Therapie gemacht, nur umsetzen konnte ich das Gerlernte nicht. Vielleicht hat mir die Reife und das Vertrauen in mich gefehlt. Vielleicht hat mich die Liebe zu ihm auch ein stückweit blind gemacht, vielleicht wollte ich der Realität einfach nicht ins Auge blicken. Vielleicht habe ich bis heute nicht verstanden, was da genau passiert, wenn man eine narzisstische Störung hat.
Eines ist mir auf jeden Fall klar geworden. Er hat mich ausgesucht, weil ich das perfekte Komplementär war, ihm all das geben konnte, was er brauchte, um sein Bild aufrecht zu erhalten. Ich habe dieses Spiel mitgespielt und immer wieder gehofft.
Wie oft hat er mir von seiner inneren Leere und dem schwarzen Loch erzählt. Er war und ist ja auf der Suche, macht Therapien und spirituelle Seminare. Ich weiß, dass er sucht.
Nur letztlich ist es einfach so: kein Mensch dieser Erde hat das Recht, dauerhaft anderen Menschen weh zu tun, oder sie zu verletzen. So viel Moral und Wertschätzung ist Grundvoraussetzung für eine Beziehung.
So lange ein Mensch das nicht erkennt, ja sogar bewusst weiter macht, auch wenn man ihm das immer und immer wieder sagt, dann bleibt einem am Ende nichts anderes übrig, als sich und seine Seele zu schützen.
Wir alle haben Stärken und Schwächen. Wir alle haben unsere Geschichte. Nicht jede Kindheit ist toll verlaufen. Und manchmal braucht es seine Zeit, dies zu erkennen. Und manchmal stellt man fest, dass man Hilfe braucht auf diesem Weg.
Ich weiß nicht, wie lange es noch dauert, bis ich mir mein Warum, Weshalb, Wieso beantwortet habe. Eines habe ich für mich gelernt: jeder Tag bringt eine Chance mit sich, zu lernen, zu verstehen, zu verändern.
Wir sind alle einzigartig und wertvoll.
Ich wünsche euch alles Gute.
28.04.2013 10:44 •
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