Auflösung: Der beschriebene Fall ist erfunden.
Wir (eine Gruppe von 10 Studenten der Psychologie in München) haben im Rahmen eines Feldversuchs im Psychologiestudium zum Thema Einfluss von Social Media und Internetforen auf psychische Labilität in der Lebensmitte den diskutierten Fall in 7 Internetforen zum Thema gestellt und uns die Reaktionen innerhalb der ersten 12 Stunden angesehen. Der Grund für den gewählten Zeitraum von 12 Stunden ist, dass wir der Meinung sind und belegen können, dass Personen, die solche Artikel einstellen, schnelle Hilfe erwarten und darüber hinaus bereits andere Quellen verwendet haben. Oft werden solche Artikel spätabends eingestellt und nächtelang diskutiert.
Was sind die Schlüsselelemente des Falles:
1) Der Mann ist 49 Jahre alt
2) Es ist ein Kind im Spiel
3) Er hat die Trennung von seiner Frau vor
4) Er hat sich therapeutische Hilfe geholt
5) Seine Affäre vermittelt keine Sicherheit
6) Er sieht sein zweijähriges Verhalten gespiegelt
7) Er wird aktiv, nachdem er den möglichen Verlust erkannt hat
Dazu die folgenden Anmerkungen, die wir allerdings nicht hier, sondern im Ergebnisdokument fundiert unterlegen werden, um den Behauptungen Gewicht zu verleihen.
Zu 1) Das Alter des Mannes befindet sich im Rahmen dessen, was man als Midlife Crisis bezeichnet. Das ist empirisch belegbar mehr als nur ein Modewort. Männer in dieser Lebensphase sind nicht selten von Krisen betroffen und psychisch labil.
Zu 2) Das Kind ist aus unserer Sicht ein wesentlicher Faktor, denn der Mann würde sich nur für eine viel jüngere Frau entscheiden, sondern auch für einen 6jährigen Sohn. Es ist eher selten, dass sich Männer dieses Alters sofort wieder in eine Familie begeben
Zu 3) Auch hier sehen wir eine psychische Instabilität, da eine Trennung eine schmerzhafte Erfahrung für jeden Menschen ist. Schlimmer wird in einigen Studien lediglich der Tod eines geliebten Menschen bezeichnet, ein Arbeitsplatzverlust wird grundsätzlich weniger kritisch eingestuft.
Zu 4) Das zeigt, dass der Mann nicht weiter weiß, und sich professionelle Hilfe holt. In solchen Situationen unterschieden sich stabile Menschen von den weniger stabilen. Die weniger stabilen nutzen alle verfügbaren Quellen der Information (wie z.B. Foren), um sich ein Bild zu machen oder sich in ihrem Bild bestärkt zu sehen, die stabilen vertrauen auf das Therapiegespräch und beenden die Informationsbeschaffung.
Zu 5) eine weitere psychisch instabile Situation: die Frau, die er nach Darstellung geliebt hat, will nun eher den Status einer Freundin. Solche Konstellationen funktionieren oft erst nach einer langen kontaktlosen Phase. Auch das ist empirisch belegbar.
Zu 6) ein weiteres kritisches Merkmal. Sein Verhalten, das er 2 Jahre in Ordnung fand, wird ihm sehr deutlich vor Augen geführt
Zu 7) kritisch zu sehen, da man davon ausgehen kann, dass er weiß, dass seine frühere Affäre ihm das ggf. vorwerfen wird und er kein Gegenargument hat
Was haben wir verteilt über 7 Foren gesehen
a) Kaum jemand hat die Situation des Kindes hinterfragt bzw. auch nur angesprochen
b) Niemand hat sachlich das Alter des Mannes in Betracht gezogen (Stichwort: Midlife Crisis)
c) Es gab Interesse an dem Status der Trennung von seiner Frau und die klaren Hinweise, dass die beiden Themen getrennt voneinander behandelt werden müssen
d) Niemand hat angemerkt, dass therapeutische Hilfe ein Warnzeichen ist und in der Richtung Erfahrungen ausgetauscht
e) Es wurde sich darauf gestürzt, dass der Mann zeitweise Personen verwechselte und zu einer versucht dominanten Sprache wechselte (Stichwort: Honey)
Was haben wir gefunden, was uns leider nicht überrascht hat
a) Es gab Häme
b) Es gab persönliche Beleidigungen, teilweise von Personen (männlich/weiblich), die mehr als 20 Jahre jünger waren
c) Es gab Anmerkungen, dass der Mann das verdient hätte, was oft verallgemeinert worden ist zu, dass Männer das generell verdient hätten (zweithöchster Prozentsatz)
d) Es wurde sich lustig gemacht (höchster Prozentsatz)
e) Es wurde vermehrt angemerkt, der Mann wäre zu weich, zu verständnisvoll
f) Es wurde nie auf die Lebenssituation des Mannes referenziert (siehe Midlife Crisis)
g) Die psychisch labile Situation wurde nicht respektiert, im Gegenteil, nachdem wir ein paar bissige Kommentare eingebaut hatten, wurde die Stimmung (in allen Foren) aggressiver bis zum Kontaktabbruch
h) Niemand hat sich als Therapeut, Psychiater o.ä. in die Diskussion eingemischt, es waren ausschließlich Laien
i) Das Thema wurde ausgeweitet, do dass der ursprüngliche Thread nicht weiter diskutiert worden ist
j) Es hat sich die sog. PickUp-Artist Community beteiligt, eine mehr als zweifelhafte Community, die Begriffe wie Self Esteem und Alpha-Mann und Frau benutzt, für die es keine klare Definition gibt, und gern individuell gefärbt benutzt wird, was in den Threads zu unzähligen Folgekommentaren geführt hat. Im Allgemeinen gibt sich die PUA als geschlossenen Community, die Verhalten gerne autark definiert und an den teilweise selbst gegebenen Definitionen nicht rütteln lässt. Interessant sind im Internet zahlreiche Beiträge von Frauen, was die Attitüden der sog. PUAs und vor allen Dingen deren Erfolg (oder besser Misserfolg) angeht
l) die meisten Kommentare kamen von Personen, die nie (oder zumindest nicht erwähnt) in einer ähnlichen Situation waren
Ein Ergebnis, dass sich schon jetzt herauskristallisiert: das Internet scheint für Menschen in der beschriebenen Situation keine Hilfe, im Gegenteil: verzweifelte, labile Persönlichkeiten können daran zerbrechen und noch tiefer in eine depressive Phase fallen. Anmaßungen, Beleidigungen, Häme, Genugtuung waren die Kernbotschaften in vielen Foren.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es vereinzelte Beiträge gab, die die Situation durchaus umfänglich und sachlich beschrieben und analysiert haben. Es ist aber klar festzuhalten, dass es sich um Einzelfälle im niedrigen einstelligen Prozentbereich handelt.
Dieser Text wird wortgetreu in allen Foren gepostet.
14.12.2017 12:32 •
x 1 #155