Zunächst hierzu:
Zitat:Aus dem Weg gehen...ich wünschte, er wohnte kilometerweit weg, aber nein, die wohnen nur ein paar Etagen unter mir.
Ich würde nicht völlig ausschließen dort auszuziehen, wenn du anders nicht in die Distanz kommen kannst. Es muss unerträglich sein, ihm täglich begegnen zu können. Schon der Gedanke, dass ein Auszug nicht UNDENKBAR ist, kann helfen. Denn dann bist du nicht mehr Opfer der Situation, sondern kannst selbstbestimmt handeln. Wenn du nicht ausziehst, weißt du, dass du selber entschieden hast, dich seiner Gegenwart weiterhin auszusetzen. Es ist dann nicht Schicksal, sondern Entscheidung und Abwägung.
Zitat:Warum tut das immer noch so wahnsinnig weh? Ich bin gar nicht mehr ich. Ich hatte wirklich starke, aufrichtige Gefühle für diesen Mann.
Es tut so weh, weil du wirklich ernsthafte Gefühle für ihn entwickelt hast. Das geschah allerdings aufgrund falscher Informationen. Denn das, was er dir vermittelt hat (schon getrennt von seiner Frau) stimmte ja nicht. Dein Herz muss also lernen, dass der Mann, dem es sich geöffnet hatte, ein anderer ist, als es schien. Das geht nur mit Hilfe des Verstandes. Mach dir also bewusst, dass er ein anderer war, als er dir gezeigt hat. Oder besser: Dass die Anteile, die er dir verborgen hatte, stärker waren als die Anteile, die er dir offenbart hat.
Zitat:Warum hat er das mit mir gemacht? Nicht nur, dass wir mal befreundet waren, er kannte auch die ganze Geschichte mit meinem Ex, wie er mich damals behandelt hat. Das hatte ich ihm mal im Vertrauen erzählt, weil er mich gefragt hatte, warum ich mich so viele Jahre so zurückgezogen hätte.
Gerade Letzteres muss sehr schlimm für dich sein. Das ist bei Trennungen der größte Schmerz, dem anderen etwas sehr Intimes anvertraut zu haben und hoffen zu müssen, dass er das für sich behält. Am meisten wird dir helfen, einfach davon AUSZUGEHEN, dass er es für sich behält. Denn du behältst ja auch für dich, was du alles über ihn und seine verkorkste Ehe weißt. Meist beruht das Für-sich-Behalten solcher Intimitäten auf Gegenseitigkeit (außer in schlechten Filmen).
Zitat:Heute muss ich mir endlich mal etwas, was ich als den größten Fehler meines Lebens bezeichne, von der Seele schreiben.
Es gibt da einen schönen Satz: Fehler sind der konstruktivste Weg zur Weiterentwicklung. Wenn man es als Fehler erkennt und dann aufhört einen solchen Fehler zu machen. Du wirst diesen Fehler nicht mehr machen. Trotzdem solltest du dich dafür nicht verurteilen, denn du warst davon ausgegangen, dass seine Beziehung beendet ist. Es wäre also auch für dich sehr heilsam, dir diesen vermeintlichen Fehler selber zu vergeben. Es war mehr Irrtum als Fehler.
Zitat:Früher habe ich Frauen, die in meiner Situation waren, vorschnell verurteilt. Wie kann man nur? Das muss man doch unter Kontrolle haben. Mir passiert das nie..
Ein solches Urteil ist auf jeden Fall ein Fehler. Und du wirst schon jetzt aufgehört haben, diesen Fehler zu begehen, sondern das Verhalten anderer nicht mehr nach dem Schein zu betrachten und zu beurteilen.
Zitat:Das Ganze ging 4 Monate und ich war hin- und hergerissen zwischen, Hoffen, Schuldgefühlen, Selbstzweifeln, schlaflosen Nächten.
Du warst also keineswegs blauäugig und leichtsinnig. Du hast die ganze Zeit deine Zweifel gespürt und Schuldgefühle entwickelt. Die Zweifel können jetzt gehen, aber die Schuldgefühle bitte auch.
Zitat:Das Ende der Geschichte: Nachdem wir eine ganzen Samstagabend zusammen verbracht haben, hat er sich am nächsten Tag plötzlich nicht mehr gemeldet. Er hat sonst mindestens 5 mal täglich angerufen. Später kam dann eine Nachricht, er müsste einen Cut machen, weil er sein Kind nicht kaputtmachen möchte. Es würde ihn extrem brauchen. Außerdem hätte ihm jemand aus seiner Familie unbedingt dazu geraten.
Da hat also jemand Einfluss auf ihn gehabt und den auch genutzt. Er hat diese abrupte Entscheidung nicht aus eigenem Antrieb getroffen, sondern man hat ihm einen starken Impuls gegeben. Diesem Impuls hat er nachgegeben, weil die starke Hormonausschüttung, die eure Beziehung bis dahin gesteuert und gefördert hat, nachgelassen hat. Sein Kopf hat wieder Einfluss bekommen. Und der hat ihm etwas gesagt, das stärker war als die Gefühle für dich.
Aber jetzt kommen wir zum eigentlichen Knackpunkt:
Zitat:Es war für mich ein Schlag ins Gesicht. Das fällt ihm von jetzt auf gleich ein? Bei allem Verständnis für seine wiedererwachten Vatergefühle. Was bin ich denn für ihn? Müll, den man am Straßenrand aus dem Auto wirft?
Dass du dich so fühlen musst, liegt nicht daran, dass er seine Vatergefühle wieder entdeckt hat. Sondern es liegt daran, dass er zu feige war, mit dir ein ausführliches Gespräch zu führen, um sich zu erklären und seine Entscheidung mit allen Facetten zu begründen. Das Gefühl, sich als Müll zu fühlen, ist also darin begründet, dass er dir monatelang alles Negative über seine Beziehung anvertraut hat, in dem Moment aber, wo diese Beziehung wieder wichtiger wurde als du, dich völlig aus seinem Leben ausgeklammert hat. Das ist Feigheit, das ist respektlos dir gegenüber. Und es zeigt, wes Geistes Kind er in Wahrheit ist. Er hat durch seine fehlenden Antworten und Erklärungen sehr viel über sich gezeigt. Schon die Tatsache, das nur per seelenloser Nachrichten zu tun, ist unterste Schublade. Und ich möchte daraus schließen, dass er so eine sensible Frau wie dich an seiner Seite gar nicht verdient hat. Vor allem aber ist es gut für dich, dass es nicht in eine echten Beziehung gekommen ist. Denn die Respektlosigkeit und Feigheit wäre dann nur an anderer Stelle sichtbar geworden. Die Verletzung wäre möglicherweise noch gravierender.
Zitat:Ich kenne meinen Anteil an der Geschichte. Ich hoffe nur, dass ich, indem ich meine Geschichte aufschreibe, irgendwann wieder mit mir ins Reine komme.
Nur darum geht es. Alles andere ist sekundär. Komm wieder mit dir ins Reine. Beginn dir selber zu vergeben, dass du ihm geglaubt hast. Es war menschlich. Und ich würde dir wünschen, dass es nicht dazu führt, jetzt allen Männern gegenüber skeptisch zu sein. Wenn du das, was du jetzt an Bewältigung vor dir hast, geschafft hast, kannst du daraus eine Bewältigungsgewissheit generieren, die dir im weiteren Verlauf deines Lebens helfen kann, mit den Herausforderungen fertig zu werden, die neue Beziehungen dir stellen könnten.