Guten Morgen,
erst einmal vielen Dank für die ganzen Posts. Mir sind doch noch ein paar Sachen eingefallen und ich werde auch versuchen, die aufgeworfenen Fragen zu beantworten.
Zitat von Irrlicht:Ihr habt die fällige Trennung immer wieder verschleppt. Warum eigentlich? Hattet ihr Angst vor der Leere nach der Trennung? Ihr wart kein Paar aber trotzdem zusammen. Irgendwie konntet ihr nicht ohne- aber auch nicht miteinander...
Das ist eine gute Frage, über die ich derzeit auch sehr lange nachdenke. Um sie beantworten zu können muss ich etwas ausholen - auch auf die Gefahr hin, dass mein Post etwas länger wird. Zwei Faktoren haben mich und mein Verhalten in der Ehe sehr geprägt:
Zum Einen sind bzw. waren da meine Verlustängste. Ich habe im abgelaufenen Jahr eine Therapie gemacht, da ich auf Grund von objektiv betrachtet gar nicht so schlimmen Ereignissen aus meiner frühen Kindheit unter starken Verlust- und Versagensängsten litt. Dies führte dazu, dass ich - ohne es zunächst zu merken - schon in gewisser Weise an meiner Ehefrau klammerte und sie sich hierdurch eingeengt fühlte. Meine Probleme wurden dadurch verstärkt, dass ich aus einer sehr bodenständigen Familie komme, in der einerseits das klassische Mann/Frau-Bild in der Ehe vorherrscht bzw. es normal ist, dass die Ehegatten möglichst viel Freizeit miteinander verbringen. Nach diesem Bild habe auch ich versucht zu leben, ohne dieses mal zu hinterfragen. Hinzu kommt, dass ich ein Familienmensch bin. Meine Eltern und Verwandten wohnen im Umkreis von ca. 50 Kilometern und viele Familienfeste etc. gehören bei uns einfach dazu. Dadurch, dass ich für das Studium und den Beruf zum Teil doch sehr weit von zu Hause gelebt habe, habe ich mit fortdauerndem Lebensalter meine Familie immer mehr vermisst. Dies lag auch daran, dass meine Frau und ich zunächst keine Kinder wollten und daher nur uns zwei hatten. Meine Sehnsucht nach Heimat und Familie wurde zwar in der jüngeren Vergangenheit etwas gestillt, da wir wieder in die Nähe unserer Heimat zogen. Ganz zufrieden stellte dies mich jedoch nicht, da ich immer von einem Häuschen im Grünen träumte und dies noch nicht umgesetzt war. Meine ganze Umtriebigkeit was Studium und Beruf angeht - mit dem Wissen, dass ich diese Umtriebigkeit benötige um einen zufriedenstellenden Job zu haben - hat dazu geführt, dass ich mich im privaten Bereich immer mehr nach Beständigkeit, Geborgenheit aber auch Vorhersehbarkeit gesehnt habe. Dies habe ich immer mehr auf meine Frau projiziert und sie - aus ihrer Sicht - nahezu erdrückt.
Um alles verstehen zu können, müssen wir uns aber auch die Situation rund um meine Frau ansehen, da diese meine Verlustängste quasi noch einmal befeuert hat: Ich kenne meine Frau seit sie 16 ist. Sie war damals nacheinander mit zwei Kumpels von mir zusammen. Diese Beziehungen waren geprägt durch ein ständiges on/off. Wir hatten uns dann zwar ein wenig aus den Augen verloren, aber auch aus der Ferne habe ich mitbekommen, dass meine Frau eine Reihe von Ausbildungen und Studiengängen angefangen aber zum Teil überstürzt wieder abgebrochen hatte. Als wir uns dann auf dieser Feierlichkeit über den Weg liefen, war sie mir direkt wieder sympathisch und wir verstanden uns prächtig. Mehr war für mich aber zunächst nicht drin, da ich wusste, wie sie tickt, ständig Dinge hinwirft und neues anfängt. Auch zur damaligen Zeit sehnte ich mich bereits nach Beständigkeit. Ich habe dann auch noch keine Frau erlebt, die wie meine Frau im weiteren Verlauf über Wochen und Monate um mich kämpfte bis es dann tatsächlich bei mir Klick machte und wir ein Paar wurden. Noch in der Anfangsphase unserer Beziehung offenbarte sie mir auch, dass sie als junge Erwachsene an erheblichen psychischen Problemen litt (u.a. selbstverletzendes Verhalten) und lange Zeit auch der Verdacht bestanden habe, dass sie an Borderline leide. Sie erfülle diesbezüglich auch sehr viele Kriterien, gleichwohl habe es für eine Diagnose Borderline nicht gereicht. Das Ganze steigerte natürlich meine Verlustangst immer weiter. Als wir heirateten, fühlte ich mich dann aber tatsächlich im sicheren Hafen angekommen zu sein. Die ganzen Umstände unserer Ehe hatte ich bis dahin nicht so recht reflektiert - mein Fehler. Unter Beachtung dieser Umstände, kann ich die Frage, warum wir uns nicht eher getrennt haben, in folgende Phasen einteilen:
Phase 1 (November 2018 bis ca. März 2019):
Erst durch den Ausspruch meiner Frau, sie wisse nicht, wie es weiter gehe, wurden mir die Augen geöffnet und ich habe meine Probleme erkannt. Daher habe ich in dieser Phase meine Therapie begonnen. Ich muss dazu sagen, dass meine Frau vor dem Ausbruch der Krise nicht mit einem Wort erwähnte, dass sie etwas stört. Ich konnte also etwaige Probleme gar nicht erkennen. In dieser Phase 1 kamen meine ganzen Verlustängste hoch, die so stark waren, dass man sie fast schon mit Panik umschreiben muss. Wenn ich in dieser Phase ohne meine Frau war, fühlte ich eine bleierne Einsamkeit auf mir liegen, die mir körperliche Schmerzen bereitete. Dazu muss ich sagen, dass auf Grund der Fixierung auf meine Frau meine Beziehungen zu Freunden gelitten hatten und ich schlicht Angst davor hatte, alleine und einsam zu sein, sollte meine Frau nicht mehr da sein. Neben dieser Verlustangst kam auch der Umstand, dass ich unglaubliche Angst davor hatte, dass meine Frau (mal wieder) vorschnell etwas hinschmeißt, weil es den ersten Anflug von ein paar Problemen gab. Dies wollte ich einfach nicht wahrhaben, da die Ehe objektiv auch in vielen anderen Punkten gut war (siehe oben). Auch in der Denkweise über die wichtigen Lebensthemen sind meine Frau und ich völlig identisch, was bei mir weiter dazu geführt hat, dass ich ein etwaiges Ende der Ehe abgeleugnet habe und nicht wahrhaben wollte. Diese Phase setzte mir körperlich unglaublich zu. Trotzdem konnte ich mich nicht trennen, da ich keinen Grund für eine Trennung sah bzw. nicht wahrhaben wollte.
Phase 2 (April 2019 bis ca. September 2019)
Meine Therapie griff langsam und ich lernte zunehmend alleine klar zu kommen und dies auch zu genießen. Dies führte auch zu einer gewissen Entspannung im Verhältnis zu meiner Frau. Wir entdeckten in dieser Phase sogar weitere gemeinsame Hobbies, fuhren zusammen in den Urlaub und hatten auch so betrachtet, eine sehr abwechslungsreiche Zeit. Da die Ehe aber objektiv funktionierte, stieg in mir immer weiter die Angst, dass meine Frau eine vorschnelle Entscheidung treffen könnte und die Ehe genauso überstürzt wegschmeissen könnte wie mehrere Ausbildungen oder Studiengänge. In dieser Phase machte mich wahnsinnig, dass wir eine Ehe führten, die - was zumindest die Umstände anging - ihresgleichen suchte, jedoch immer noch das Damoklesschwert der möglichen Trennung über ihr schwebte und mich ständig fragte: Wo ist eigentlich das Problem? Das Problem liegt in der psychischen Verfassung meiner Frau, die einfach nicht in der Lage ist, Dinge durchzuziehen und bei den kleinsten Problemen alles hinwirft. Jemand der Vorposter hatte gefragt, ob sie ärztliche Hilfe in Anspruch genommen habe. Nein, hat sie nicht, sie hat sich vielmehr auch explizit geweigert, die Hilfe eines Paartherapeuten in Anspruch zu nehmen. Warum, hat sie mir auch auf Nachfrage nicht gesagt. In dieser Phase konnte ich mich nicht trennen, weil ich mir nicht den Vorwurf gefallen lassen wollte, nicht alles versucht zu haben. Ansonsten hätte ich das Gefühl gehabt, wie meine Frau zu sein und vorschnell aufzugeben.
Phase 3 (ab Oktober 2019)
Diese Phase führte dann letztendlich zur Trennung. Meine Therapie war zum Ende gelangt, ich habe unglaubliches Selbstbewusstsein erfahren, beruflich geht es bei mir noch einmal eine Stufe weiter, ich habe einen Lehrauftrag an der Uni erhalten und ich merkte immer mehr, dass ich auch ohne meine Frau ein toller Mann sein kann. Soll jetzt nicht überheblich klingen. Gleichzeitig hatte ich meinen Freundeskreis wieder voll hergestellt (mittlerweile bin ich froh, wenn ich mal einen Tag auf dem Sofa verbringe). Das alles hat dazu geführt, dass ich eine Bilanz gezogen habe und zu dem Ergebnis gekommen bin, dass die Ehe für mich keinen Vorteil mehr bringt, auch deswegen, da alle schönen Dingen auch so mit anderen Frauen erlebbar wären.
Letztlich war diese Trennung jetzt sehr kräftezehrend, aber wenigstens werde ich mir niemals vorwerfen müssen, etwas überstürzt zu haben.
Durch die Länge dieser Trennung hatte meine Frau leider in gewissen Phasen die Möglichkeit, mir gegenüber verletzend zu sein. Sie hat mehrfach betont, wie schlecht der 6 mit mir gewesen sei. Dies kratzt doch sehr an meinem Ego. Ich sage ganz offen, so wie sie mich teilweise fertig gemacht hat, habe ich das nicht verdient. Heute Abend gehe ich mir einer netten Single-Dame Essen und mein Selbstvertrauen ist was das Thema 6 angeht, derzeit so angekratzt, dass ich echt Angst davor habe, dass es nach dem Essen zum Äußersten kommen könnte. Naja, mal sehen.
Warum hat sich meine Frau nicht eher von mir getrennt? Auch da hat sie mir in ihren verletzenden Phasen eine Antwort gegeben: Da ich ja gutes Geld verdiene, habe das Zusammenleben mit mir ja auch doch einige Vorteile...
Noch ein, zwei Sätze zum Thema Schmetterlinge: Diese Thematik bestärkt mich darin, dass meine Frau vorschnell die Brocken hingeschmissen hat. Sie spricht die ganze Zeit davon, dass sie keine Schmetterlinge spüre, sondern lediglich eine Gewöhnung an mich, wobei sie Angst davor habe, wenn diese Gewöhnung plötzlich weg sei. Meines Erachtens umschreibt sie gerade mit dem Begriff der Gewöhnung die Vertrautheit, die in einer langen Beziehung normal ist. Dies genügt ihr aber nicht. Aus dem Umstand, dass die Schmetterlinge weg sind, schließt sie vorschnell, dass die Liebe erloschen ist. Das macht mich wahnsinnig. Ich hatte auch oft das Gefühl, dass sie in der letzten Zeit - während sie mich am Anfang der Beziehung geradezu vergötterte - ein absolutes Haßbild gegen mich aufgebaut hatte und ich tun oder lassen konnte, was ich wollte - es war immer falsch und hat die Abneigung weiter geschürt. Ich habe im Internet gelesen, dass die vorgenannten Verhaltensweisen bei Borderline-Patienten normal seien. Wer weiß.
Ansonsten: Wie geht es mir heute? Immer noch nicht schlecht. Ich bin aufgewühlt, aufgewühlt weil mein Leben nun anders kommt als gedacht. Ich denke, das trifft es ganz gut:
Zitat von Femira:Ich glaube, wenn eine ernste Beziehung zu Ende geht, ist das Leben, wie es war und wie man es plante, einfach kaputt. Man darf sich jeden Splitter ansehen und entscheiden, ob er im Leben bleibt oder verändert wird. Das tut meist sehr sehr weh. Auch Splitter, die im Leben bleiben sollen, müssen erst einmal vom Partner losgelöst werden und das schneidet ins Fleisch. Dann kommen neue Dinge hinzu...man probiert aus, sucht sich neue Ziele, baut sich ein neues Leben.
Hinzu kommt, dass mein Leben bisher astrein verlaufen ist und jetzt so der erste richtige Rückschlag vorliegt. Ich bin mir aber bewusst, dass die Ungewohnheit, die sich in mir breit macht, einerseits mit dem Lauf der Zeit sicher weggehen wird und andererseits nichts mit der Person meiner Frau im Konkreten zu tun hat, sondern einfach auf den Umstand zurückzuführen ist, dass ich nach vielen Jahren nun alleine (nicht einsam!) bin. Auch das wird sich einpendelt. Sie hat hier aus der Wohnung noch nicht alle Sache geholt und manchmal versetzt es mir schon einen kleinen Stich, wenn ich Dinge sehe, die sich an sie erinnern. So steht sie unglaublich auf Pinguine. Vorhin habe ich zufällig unter einem Schrank ihre alten rosa Hausschuhe mit draufgestickten Pinguinen gesehen. Das tut dann noch mal kurz weh. Aber insgesamt geht es mir ok. Ansonsten macht sich in mir ein gewisses Mitleid für meine Frau breit, ich fühle mich verantwortlich. Sie weiß irgendwie nicht was sie tut, isoliert sich immer mehr sozial. Diese Gedanken muss ich verdrängen.
Aufgewühlt bin ich auch deswegen, weil das Jahr 2020 für mich einige weitere Änderungen mit sich bringen wird. Diese erzeugen bei mir aber Aufbruchstimmung. Das Thema Immobile renovieren/ausbauen treibe ich nun voran und werde in absehbare Zeit in meinen Heimatort ziehen. Außerdem fange ich im März eine Tätigkeit im europäischen Ausland an. Hier kommt es zu einer spannenden Kombination zwischen Geborgenheit im Heimatort und Spannung im Job. Vor Ort werde ich jeweils nur von Montag Mittag bis Donnerstag Morgen sein. Die Übrige Arbeit erfolgt im Homeoffice. Darauf freue ich mich.
Eine Frage habe ich nun nach dem langen Post noch an das Forum:
Wie ich ja bereits schrieb, habe ich in meinem Heimatort viele Freunde und Bekannte. Das Zurückpendeln in meine Wohnung ist gerade abends - insbesondere wenn man auch mal was trinken möchte - nicht immer ganz einfach. Wenn ich in meinem Heimatort bin, versuche ich auch immer noch meine Eltern zu besuchen. Zu ihnen habe ich ein super Verhältnis. Wenn nun Parties o.ä. vor Ort sind, schlafe ich in aller Regelmäßigkeit bei meinen Eltern. Diese haben ein großes Einfamilienhaus. Der Keller ist zwar nicht zu einer richtigen Einliegerwohnung ausgebaut, aber mit einem Schlafzimmer, Wohnzimmer und Bad kann man dort für ein paar Nächte doch relativ autark leben. Wie dem auch sei, wenn ich bei meinen Eltern übernachte, mache ich mich immer selbst fertig. So von wegen, erst läuft dir die Frau weg und dann rennst du zu Mama. Dies führt dazu, dass ich mir oft die Vorfreude auf Parties o.ä. selbst raube. Sollte ich hier gelassener werden?
Danke und viele Grüße,
Laurin.