Cassy, ich schreibe Dir, weil Du mich stark an mich erinnerst mit diesem Typen. Ich ging ganz genauso vor, verschloss die Augen, redete mir alles schön, wollte seine defizitären Verhaltensweisen nicht sehen, entschuldigte alles und letztendlich suchte ich die Schuld bei mir.
Ja, ich müsste anders sein, souveräner, selbstbewusster auftreten, mich nicht so tangieren lassen von seinen Verhaltensweisen. Dann wäre alles anders.
Und auch er war so: er wohnte nicht zu Hause, sondern hatte seine eigene Wohnung, immerhin. Seine Mutter besuchte er einmal pro Woche, was auch völlig in Ordnung ist.
Ganz am Anfang fragte ich ihn mal, welches Waschmittel er benützen würde. Einfach so aus Interesse und auch weil ich weder Waschmaschine noch Waschmittel sah. Es gab aber in der Wohnanlage Waschmaschinen im Keller.
Und dann erwiderte er: Ööööh, Persil.
Ich dachte mir: Aha, Persil. Aus der Fernsehwerbung. Wird schon stimmen auch wenn ich nirgends Persil sehe.
Und später kam raus: Seine Wäsche wusch seine Mutter, er brachte sie am Sonntag abend hin und holte die gewaschene ab.
Ich fragte dann: warum hast Du damals gelogen?
Öhh, naja, er wollte das ungern sagen und er würde seine Wäsche nur hinbringen, weil seine Mutter dann traurig wäre. Die Wahrheit war wohl eher, es war bequem und er schämte sich mir die Wahrheit zu sagen.
Er hatte nicht das Format, die Frage ehrlich zu beantworten.
War das jetzt wichtig? Nein, aber es war ein Splitter unter vielen.
Übrigens, auch seine Verhaltensweisen ähneln denen von Max ganz stark:
Großartige Glorifizierung der potentiellen Partnerin in der Anfangszeit, also in den ersten Monaten. Ich sei besonders, einzigartig, er fühle sich so toll mit mir, ich sei ein Wunder für ihn.
Natürlich fühlte ich mich prächtig und glücklich, denn ich wollte ja gerne die Eine sein. Und was vorher war, seine verkorksten Beziehungen wurden von mir beiseite gewischt: jetzt mit mir würde alles werden, denn er hat die Richtige noch nicht gefunden und die würde ich sein!
Ich hatte supertolle Scheuklappen auf, mit denen ich die Realität ausblendete.
Auf die Glorifizierung erfolgte dann allmählich die Abwertung. Nach einigen Monaten , als wir uns besser kannten, merkte ich, dass ich auf dem absteigenden Ast saß und nichts dagegen tun konnte.
Erst war ich gepflegt, dann eitel.
Erst war ich fröhlich und positiv, dann hatte ich immer mehr pessimistische Tendenzen, meinte er.
Erst wollte er mit mir Klamotten kaufen gehen, dann wollte er das doch lieber allein machen.
Usw.
Aus positiv wurde negativ und ich fühlte mich klein und minderwertig. Handlungsunfähig war ich sowieso, da mittlerweile Ängste in mir regierten.
Und wenn ich mal aufstand und auf Augenhöhe gehen wollte, dann machte er das schnell zunichte. Denn das Beziehungsmuster war klar: er saß auf dem Podest und ich lag zu seinen Füßen.
Und auch ich hätte mich als selbstbewusste und realistische Frau bezeichnet, so wie Du es tust. Aber das war eine Selbstlüge, denn in Beziehungen ging ich ganz anders vor.
Meldete er sich, bevorzugt per SMS, war ich glücklich und blühte auf, denn dann war er ja interessiert. Aber diese Beweise seines Interesses kamen mit der Zeit nur noch dann, wenn ich weg war und weg blieb (Fernbeziehung). Und wenn ich da war, fragte ich mich, wo die großartige Wiedersehensfreude denn nur geblieben war, von der er gesprochen hatte.
Solche Beziehungen mit einem Machtgefälle laufen meist nach einem Muster ab:
Erst Illusionen ohne Ende, Glorifizierung des großartigen Mannes bzw. der Frau, dann Distanzmanöver seitens des Mannes, der schon seinen Platz auf dem Podest eingenommen hatte.
Er entschied über Nähe und Ferne und er dirigierte meine Gefühle. War ich anfangs noch halbwegs bei mir, so geriet ich allmählich in eine Abhängigkeit. Meine Gedanken drehten sich nur um ihn.
Wie kann ich ihn erreichen, wie bleibe ich interessant für ihn, warum nur ist er oft so kalt und abweisend, physisch anwesend, aber psychisch abwesend, was hat er nur, wie verhalte ich mich richtig, wie kann ich ihm beistehen, wie ihm helfen, was kann ich tun, dass es mir wieder besser geht und ich weniger verzagt bin?
Fragen über Fragen. Du stellst auch bereits die ersten, weil Dich sein Verhalten verunsichert und ratlos macht. Viel Spaß, das wird noch oft so kommen.
Überlegungen, was er wohl fühlt und Illusionen, dass ich ihm fehle, wenn wir uns nicht sehen, Interpretationen seines Geschreibsels und seiner Worte. Er sagte doch, er meinte doch, er meint es doch sicher ehrlich mit mir ... Warten und Geduld mit ihm wird belohnt.
Und dann kamen noch andere Frauen ins Spiel, mit denen er Kontakt hatte, alles rein freundschaftlich, versteht sich. Aber hinter meinem Rücken Verabredungen treffen und darüber schweigen. Nun, das wird Dir mit diesem Mäxchen wohl kaum passieren.
Mit der Zeit drehte sich die Abwärtsspirale immer schneller und ich fühlte, dass mir die Beziehung alles andere als gut tat, dass ich abhängig war und nur noch hoffte und wartete auf bessere Zeiten die nicht kamen.
Es ging schief, er trennte sich und das war das Beste was er tun konnte. Natürlich durchlief ich die ganzen Phasen von Trauer, Tränen, Verzweiflung, Hass und Selbsthass und die dauerten lange Zeit.
Aber ich merkte dann auch, wie ich vorgegangen war und wie er war. Ein Segel im Wind, ein Mann ohne Format, keiner, auf den man bauen konnte, ein labiler Mann, der nach seinen Befindlichkeiten lebte und ich bekam alle ab.
Und Dir wird es genauso ergehen, Du willst Warnungen nicht hören und lesen und hoffst, dass Du das Unmögliche möglich machen wirst.
Das wird eine harte Schule für Dich, denn Du bist viel zu empfindlich und viel zu wenig selbstbewusst und Dein Selbstwert ist im Keller.
Ein großartiges Fressen für defizitäre Männer, denn was wollte er denn mit einer Frau, die weiß was sie will und die sich ihm nicht so vor die Füße werfen würde?
Ich wette, Dir fällt umgehend eine Gegendarstellung ein.
21.09.2021 17:29 •
x 20 #67