Ich hatte heute früh zu wenig Zeit um ins Detail zu gehen. Jetzt nehme ich sie mir.
Wir kamen damals etwas kurios zusammen. Eigentlich war jeder in jemanden anderes heiß und innig verliebt, und weil wir bei unseren Angebeteten keinen Fuß in die Türe bekamen taten wir uns zusammen um diese etwas eifersüchtig zu machen.
Der Schuß ging nach hinten los, sie wendeten sich von uns ab, und wir zogen weiter gemeinsam um die Häuser. Wir taten uns gut, von Liebe war keine Rede. Auch als wir dann im Bett landeten dachte ich nicht im Traum daran bei ihm zu bleiben.
Aber es wurde Liebe daraus, bei ihm schneller als bei mir. Bei ihm tiefer und inniger bei mir, wie ich heute weiß.
Mein Angebeteter gestand mir dann lange Zeit später seine Enttäuschung über mein Verhalten. Er wollte ja, aber er war noch nicht so weit und dann zieh ich auf einmal mit dem anderen los. Dieser Stachel saß dann wieder tief. All die Jahre bohrte er in mir. Und er blieb bis heute Single. Er hat nicht geheiratet und keine feste Beziehung. Ich kann mir zwar nicht vorstellen mit dem anderen jemals zusammen zu kommen, wir sind beide älter und sicher schwieriger und anspruchsvoller geworden. Und im Moment kann ich mir sowieso keine neue Beziehung vorstellen, egal mit wem. Vielleicht kann er mir ein guter Freund sein, aber jetzt sicher erst mal nicht mehr.
Bei der Arbeit mit der Therapeutin habe ich so viele Konditionierungen durch meine Eltern herausgearbeitet, die muss ich aus der Welt schaffen, sonst werde ich mich wieder nur anpassen und weiß gar nicht wer ICH bin und was ICH bin. Meinen Gefühlen, Träumen und Wünschen habe ich nie wirklich Gehör gegeben. Als Kind und Jugendliche wurde ich dafür als Spinnerin bezeichnet, und ich solle immer den sicheren Weg gehen und meinen Kopf benutzen. So lange ich nicht zu mir gefunden habe, würde jede weitere Beziehung sich so entwickeln. Und das will ich für mich nicht mehr.
In unseren gemeinsamen Jahren haben wir beide echte gesundheitliche Disaster erlebt. Ich hatte bereits mit Anfang 30 Krebs, er hatte schon als Kind Krebs, er bekam im Erwachsenenalter dazu noch MS. Unterm Strich geht es uns beiden gut, aber die harten Zeiten haben uns zusammen geschweist und immer und immer wieder wollten wir uns ein schönes Leben machen. Aber wir haben es nicht getan.
Ich reise gerne, er überhaupt nicht. Ich bin gerne unter Leuten, er überhaupt nicht. Ich gehe gerne an Konzerte, ins Theater, in Clubs und Bars. Er sitzt am liebsten Daheim auf dem Sofa. Und ich habe das alles nicht gelebt. Es ist mein Fehler, ich dachte immer in einer Beziehung muss sich einer zurück nehmen und verzichten, sonst klappt das nicht. Heute weiß ich das ich falsch lag, und das mich nichts hindert meine Wünsche und Bedürfnisse auszuleben.
Aber seit ich das tu ist auch Feuer unters Dach gekommen. Ich hätte mich so verändert, und mit Veränderungen kommt er nicht klar. Ich wurde dann auch rigeroser was meine Meinung anging. Früher dachte ich Du hast Recht, ich meine Ruhe, Hauptsache kein Streit. Warum? Weil er im Streit immer sehr hart wurde. Er hat mich angeschrien, beleidigt, und sich dann zurück gezogen und manchmal stunden- oder auch tagelang geschwiegen. Sein Standardsatz: Wenn wir nicht mehr einer Meinung sind können wir uns ja auch trennen. Früher waren wir immer einer Meinung. Meine Erklärungen, meine Gefühle, meine Meinungen interessierten ihn nicht. Ich hatte mich verändert, und Veränderungen sind nicht sein Ding.
Der S. hörte von mir aus auf. Ich war halt oft beleidigt und gekränkt, da hatte ich weiß Gott keine Lust. Und ich bekam immer mehr aufgehalst. Ich bin selbständig, er Angestellter, meine Firma wuchs und damit auch meine Aufgaben als Chefin. Oft gab es kein freies Wochenende, an Urlaub war wegen mir lange Zeit gar nicht zu denken. Und er wurde immer fauler, und hat sich Stück für Stück aus seinen Haushaltspflichten herausgemogelt, und mir aber gesagt was mal wieder gemacht werden müsste, und ich solle mir halt meine Zeit besser einteilen dann käme ich schon rum. Also, wir hatten Streit und ich war chronisch überlastet, da war ich froh wenn ich abends ins Bett kam. Ich hatte auch mit Depressionen und Burn Out zu kämpfen. Ich machte mich selber verrückt weil ich nicht mehr alles schaffte. Andere können das doch auch. Ich wollte es richtig und gut machen, ohne Hilfe, ich wollte super sein und scheiterte von Monat zu Monat immer mehr. Um mich selber nicht mehr zu quälen bekam ich dann auch noch ein Alk.. Alles in allem hat sich das aber wieder gelegt. Aber es gibt Momente in denen ich wahnsinnig kämpfen muss um meinen Kopf nicht wieder mit Alk. lahm zu legen. Etwas trinken, müde werden, schlafen gehen, nicht denken, nicht fühlen müssen.
Und so lebten wir die letzten Jahre miteinander nebeneinander. Er wurde immer eigenbrödlerischer, wir verloren auch einige gute Freunde. Mit mir wollten sie gerne zusammen sein, mit ihm nicht so sehr, er sei einfach so anstrengend und besserwisserisch geworden. Perfektionist und Weltverbesserer, einfach zu anstrengend und manchmal auch ziemlich unverschämt.
Statt ihn darauf hin zu weisen und ihm den Kopf zurecht zu rücken habe ich mich angepasst. Warum? Weil er ist wie er ist, es wäre wieder nur zu ewigen Diskussionen und Streit gekommen. Und dafür hatte ich einfach keine Kraft mehr.
Vor ca. einem halben Jahr traf ich eine wichtige geschäftliche Entscheidung, die unser Leben für meine Vorstellungen verbessern sollte. Für mich war klar, wenn ich diesen Schritt gehe, kann ich mir mehr Freiraum, mehr Freizeit einplanen was uns nur gut tun kann, und vor allem mir gut tun wird. Von da ab gab es nur noch Streit. Täglich, streiten, Beleidigungen an mich, eisiges schweigen weil ich einfach nicht so wollte wie er. Fast hätte ich alles abgeblasen, aber dann habe ich mich auf die Hinterbeine gestellt und ihm klar gemacht, dass diese Entscheidung MEIN Wunsch ist. Ich will das machen, ich kann das machen, ich habe immer davon geträumt. Ich lass es mir jetzt nicht von ihm mies machen, und er solle mal genau überlegen ob ich mit meiner Denkweise nicht doch Recht habe. Und ausserdem sei ich alt genug um meine Entscheidungen und auch meine Fehler selbst machen zu können. Er hat mir immer gute Ratschläge gegeben, aber dieses Mal mache ich mein Ding. Wir sind finanziell unabhängig von einander, wir haben nicht mal ein gemeinsames Konto. Er muss sich aber auch so keine Sorgen machen mich aushalten zu müssen. Das ist vielleicht das einzig gute was ich aus meiner Erziehung mitgenommen habe, niemals von jemanden abhängig sein. Laut meiner Therapeutin ist das zwar grundsätzlich gut, aber es zeigt auch das ich ein großes Problem mit Nähe und Vertrauen habe. Ungefähr so, ich liebe Dich aber beim Geld hört die Freundschaft auf. Ich fühle mich ausgeliefert, ich gebe meine Unabhängigkeit auf wenn wir nur schon ein gemeinsames Konto haben.
Als ich anfing die Neuerungen einzuleiten wurde es noch schlimmer. Wir standen gemeinsam auf, ich machte Frühstück, er kam in die Küche, frühstückte, ging aus dem Haus. Ich machte noch 1 Stunde Haushalt, ging dann zur Arbeit, kam ca. 16 Uhr Heim, wieder Haushalt und Garten, kochen, gemeinsam essen, ab vor den Fernseher. Meistens schaute er nicht mehr lange und ging früh ins Bett. Keine Gespräche, keine Nähe, kein Interesse wie es jetzt bei mir geschäftlich läuft. Das kränkte mich sehr und ich zog mich noch weiter zurück. Dann dachte ich wieder, wenn er sich beruhigt hat werde ich wieder auf ihn zu gehen. Ich warte mal noch eine Woche, vielleicht nächste Woche. Und ich machte mir selbst Druck ihn wieder zu erobern, mach Dich hübsch, mach die s.y, trink mal was zur Entspannung und Hemmungslosigkeit, nächste Woche, nächste Woche, nächste Woche.
Von ihm kam nichts, überhaupt nichts.
Anfang Januar krachte es dann gewaltig. Und da spürte ich zum ersten Mal ernsthaft, dass ich so nicht mehr leben möchte. Ich liebe ihn und trotzdem liebe ich ihn nicht mehr. Als ich im sagte das ich so nicht weiter machen werde nahm er mich erst mal nicht ernst. Ein paar Tage später machte es dann aber wohl Klick. Und von da an weiter er fast eine Woche nur. Er weinte morgens in der Küche, abends auf dem Sofa, nachts im Bett, er wanderte nachts durch die Wohnung. Wollte mit mir reden, schwieg, weinte, redete. Er suchte meine Nähe und ich zog mich zurück. Ich wollte nicht mal mehr einen Kuß oder eine Umarmung. Als er dann wirklich ernsthaft körperlich litt, gab ich wieder nach. Er tat mir so unendlich leid und ich glaubte ihm das er alle Veränderungen akzeptieren könnte. Und er würde mir nie mehr dazwischen reden. Er braucht mich, er liebt mich, ich darf nicht gehen, ich muss bleiben und ich muss mit ihm gemeinsam um uns kämpfen. Damals hatte ich das Gefühl, dass seine Liebe zu mir nicht gesund sein könnte. Im weitesten Sinne unterwarf er sich komplett, ich war Gesetz. Das war mir unheimlich und so einen Mann wollte ich nun auch nicht haben.
Immer wenn er mir zu nahe trat, Grenzen überschritt und mich flott machte, sagte ich es ihm sofort und bekam zur Antwort ich wolle ihn erziehen. Also zog ich mich wieder etwas in die Defensive zurück. Einen Mann von 47 Jahren will und kann man nicht erziehen. Wir verfielen also wieder in unseren Trott des miteinander nebeneinander.
Ich verfolgte emsig meine geschäftlichen Aufgaben, ging wieder öfters ohne ihn aus und wurde selbständiger. Aber vielleicht auch noch empfindlicher ihm gegenüber. Und gleichzeitig auch gleichgültiger.
Jetzt hat es wieder gekracht, und auf seine Frage ob ich die Beziehung erhalten wolle antwortete ich nach kurzem zögern mit nein. Daraufhin brach er völlig zusammen. Erst wollte er das ich innerhalb einer Woche ausziehe, dann wieder nicht, er weinte, bettelte und erniedrigte sich vor mir, er brauche keinen S., er brauche keine Nähe und Zärtlichkeit, er braucht nur mich. Ich muss da sein, ich muss bei ihm sein. Ich muss bleiben, ich darf nicht gehen. Wir müssen es schaffen. Ich sagte ihm, dass ich nicht mehr wirklich liebe, mehr als vertraute, gewohnte Person. Aber nicht als Mann und Partner. Er meinte ich müsse ihn wieder lieber, ich muss an mir arbeiten, er hilft mir dabei wo er nun kann.
Und immer wieder diese Tränen, diese Verzweiflung und diese schmerzüberladenen Augen, dass Schluchzen und, und, und.
Ich ließ mich zu der Aussage, o.k. wir versuchen es nochmal, hinreissen. Aber mehr um ihm zu beruhigen und um von mir die Last des Augenblicks abzuwenden. Seine Emotionen und Gefühle machten mich völlig fertig. Ich wollte nur noch das er aufhört zu weinen und sich beruhigt. Ich versprach ihm jedoch nichts, aber er sieht es als Versprechen.
Zum Thema S. sagte er mir vor einiger Zeit einmal, dass es grundsätzlich kein Problem sei. Er macht es sich regelmäßig selber, ganz ohne geht ja dann doch nicht, aber das sei für ihn in Ordnung. Wenn ich nicht will, was zwar abnormal ist und ob ich auch gesund sei, ist das in Ordnung, er kann sich selbst darum kümmern.
Aber mal das Bett machen, das Bad putzen, geht nicht. Ist ihm zu viel und zu anstrengend.
Und er hat sich noch nie wirklich für etwas interessiert was ich ohne ihn erlebt habe. Ich halte es für normal und wichtig Interesse zu zeigen. Wie wars, wer war noch da? Irgend so etwas. Und das man vielleicht noch viel Spass mit auf den Weg bekommt. Oder ein Kompliment das man gut, hübsch aussieht, das einem das steht. Nichts dergleichen, gar nie.
Zum Outfit entweder gar keinen Kommentar oder nur so etwas wie ein bisschen aufgebrezelt, was?, und wenn ich von mir aus dann was erzählen wollte überschwemmte er mich mit seinen Aktivitäten. Was er alles getan hat, wann er ins Bett ist, was er gegessen hat, was im Fernseher kam, was die Katzen wieder alles angestellt haben. Ich kam gar nicht richtig zu Wort, und irgendwann gab ich es auf. Der Vorwurf heute, ich würde ja viel zu wenig erzählen und sagen. Bei mir würde sich immer alles nur im Kopf abspielen, aber zum Mund kommt nichts raus. Ich erklärte ihm warum. Er konnte das gar nicht glauben aber versprach Besserung. Vor 2 Wochen war ich 2 Tage verreist. Komme Heim und will erzählen. Was passiert? Er erzählt mir haargenau seine 2 Tage, ich komme nicht zu Wort und, nach 5 Stunden Autofahrt, ich solle jetzt mal noch das Abendessen noch fertig machen, er will eine Sendung im Fernseher anschauen. Wie aßen dann, schauten zusammen Fern und er ging dann ins Bett.
Ich weiß, dass ich ganz arge Fehler gemacht habe und den Burschen von Anfang an in die Schranken hätte weisen müssen. Ich war früher weiß Gott kein stilles Mäuschen, konnte mich gut wehren und war mir für Sprüche und Taten eher berüchtigt als berühmt. Warum ich so wurde wie ich bin? Tja, ein paar Antworten habe ich zwischenzeitlich schon darauf. Aber der Weg ist noch weit. Und jetzt quält mich sein Leiden. Wegen mir jemanden leiden zu sehen, macht mich ganz arg traurig, verunsichert mich und ich schäme mich dafür. Lieber nehme ich mich zurück als das jemand wegen mir Ärger bekommt oder eben leidet wie ein Hund.
Ich weiß, er wird es überleben. Und wir haben beide die gleichen Ängste nochmal jemanden zu finden und glücklich werden zu können. Er noch viel mehr als ich. Für ihn war es einfach klar das wir zusammen alt werden. Und jetzt will ich nicht mehr mit ihm alt werden. Ich steche ihm das Messer in die Brust, drehe und wende es und ziehe ihm die Eingeweide raus. So fühl er sich.
Und ich fühle mich mies, hinterhältig, gemein, herzlos und egoistisch.
Aber ich weiß, wenn ich bleibe, werde ich einmal zurück schauen und nicht mein selbst bestimmtes und von mir gestaltetes Leben zurück schauen. Ich werde ein Leben sehen, das geprägt war von Mitleid und Rücksicht, von unerfüllten Wünschen und Träumen, von Fremdbestimmung statt Eigenständigkeit. Ich war brav und habe es allen recht gemacht. Und ich, bin irgendwann verloren gegangen, ich habe mich selbst weg gesperrt, selbst unterdrückt und war immer nur für andere da. Hauptsache alle waren durch mein Verhalten ein Stück glücklicher und zufriedener. Ich selbst war ja gar nicht so wichtig.
So will ich aber nicht zurück schauen. Wer will das schon? Ich weiß, ich kann es, ich werde es überleben und alles Glück und Pech in meinem Leben liegt nur in meinen Händen. Niemand anderes hat die Verantwortung und Einfluss auf mein Leben.
Und trotzdem, ich stehe ängstlich, gehetzt, tieftraurig und beschämt an dem wohl wichtigsten Punkt in meinem Leben.
Und ich frage mich: Kann ich das, darf ich das? Habe ich das Recht? Warum will ich mich jetzt eigentlich trennen? Sind das wirklich ernsthafte Gründe? Muss man jemanden auch wirklich lieben oder ist das nur Rosamunde Pilcher Geträller? Erwarte ich zu viel, bin ich eine Träumerin, eine Spinnerin? Sei zufrieden mit dem was Du hast, andere bekommen nur Schläge und Lügen. Sei mal dankbar. Ist meine ganze Denk- und Fühlweise jetzt eine Konditionierung = Prägung seit der frühesten Kindheit, die ich ablegen muss und frei zu werden? Oder sind alle Menschen so und ich meine ich müsse anders sein?
Es ist ein Elend. Ich bin froh in diesem Forum zu sein, die Arbeit mit der Therapeutin ist zwar gut und sinnvoll, aber man will halt doch noch andere Meinungen und Ansichten, und man will seine Gedanken sofort los werden, in dem man sie hier mitteilt.
Ich danke euch für das bisherige Feedback.
Liebe Grüße,
Gobby
05.03.2014 15:15 •
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