AmEnde: Es ist schon ein unglaublich langer Prozess, den wir hier durchmachen. Und dass du ihn noch regelmässig siehst, macht das Ganze nicht gerade einfacher und wirft dich immer wieder zurück. Ihr arbeitet zusammen, richtig?
Du hast bestimmt schon vieles versucht, um besser damit umgehen zu können. Ich kann dir aber wirklich nur raten, dich ihm so gut es geht zu entziehen. Ich nehme an, du kennst seinen Tagesablauf ziemlich genau und das ist deine Chance. Geh ihm aus dem Weg, zwinge dich dazu, keine Blicke mehr auf ihn zu werfen. Tu so, als gäbe es ihn gar nicht. Klingt vielleicht doof, aber mir hilft es ungemein, ihn einfach gar nicht mehr um mich zu haben (zugegeben, ist bei mir auch leicht, wir hatten keine alltäglichen Berührungspunkte).
Und was auch wichtig ist, ist ihn von seinem Podest runterzuholen. Du scheinst eure Beziehung noch immer zu idealisieren, ihn als das Beste zu sehen, das dir je passiert ist. Doch das stimmt nicht! Er hat dich verletzt, er kann gar nicht der sein, für den du ihn hältst.
Ich mache diesen Schritt im Moment grade durch. Wir waren nie auf Augenhöhe, da ich ihn immer bewundert habe. Ich war fasziniert von allem, was er tat. Das lag vermutlich daran, dass ich mich schon vor unserem ersten Date ihn in verliebt hatte und er in der Anfangszeit auch tatsächlich der war, den ich mir vorgestellt und gewünscht hatte. Dann mit der Zeit zeigte er immer mehr sein wahres Ich, seine Unfähigkeit, sein Leben zu geniessen und wertzuschätzen, was er hat und ist, aber ich habe das mit meiner anfänglichen Begeisterung überdeckt - monatelang. Jetzt, je länger je mehr, merke ich, dass wir tatsächlich nie auf Augenhöhe waren. Er hat nie auf das Podest gehört, auf das ich ihn gesetzt hatte. Er hatte gar nichts so im Griff wie ich es immer geglaubt hatte. Und ich werde jetzt noch stärker, noch unabhängiger, noch bewusster während er mit seiner Unsicherheit und seinen Problemen keinen Schritt weiterkommt, da er sich ihnen nicht stellt. Diese Erkenntnis tut gut! Und sie bringt mich auch einen Schritt weiter zur Möglichkeit, ihm verzeihen zu können.
Ich glaube, dass diese Deidealisierung wirklich wichtig ist, auch für dich. Du sagst es schon selbst: Er ist nicht mehr der Alte. Knüpfe an diesen Gedanken an, rufe dir alle Situationen in Erinnerung, in denen du von ihm enttäuscht warst, auch wenn es noch so kleine Momente waren. Schreib sie auf, erzähle anderen davon. Nicht, um ihn zu verurteilen oder runterzumachen, aber einfach um die überproportional vielen positiven Erinnerungen etwas auszugleichen. Es wird dir so viel leichter fallen, ihn gehen zu lassen.
Schau zu dir und gib nicht auf! Der Weg ist verdammt lang und anstrengend, aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass er sich lohnt.