Lieber Tom,
eine unendlich traurige Geschichte, die leider immer wieder passiert.
Bei mir war es ähnlich bzw. umgekehrt. Mein Mann arbeitete sehr viel und war und ist beruflich weltweit unterwegs. Wir haben uns ein Haus gekauft, ich habe das Familienleben und unser Sozialleben organisiert. Ich wurde immer unzufriedener, ich fühlte mich nicht mehr gesehen. Ich fühlte mich nicht mehr wichtig. In meinen Augen habe ich alles gemacht und gekämpft. Wir hatten viele viele Gespräche, so dass sich immer kurzfristig etwas geändert hat, bis wir beide in alte Verhaltensmuster gefallen sind. Trotz allem war er mein Mann, der Mann mit dem ich alt werden wollte, da er auch soviele tolle Seiten hat.
Mein Ex-Mann ist kein Womanizer und niiieeemals hätte ich gedacht, dass er unsere Ehe beendet. Er hat eine Frau kennen,- und lieben gelernt (auf einer seiner Reisen) der es reicht was er ihr emotional und kommunikativ gibt. Nach 25 Jahren hat mich mein Mann verlassen. Sie ist 14 Tage später nach Deutschland gekommen und mittlerweile leben die Beiden seit 1 1/2 Jahren zusammen. Es waren die schwersten 1 1/2 Jahre meines Lebens. Es gab so unendlich viele Verletzungen und ich habe die Welt nicht mehr verstanden. Finanziell ist mein Ex-Mann sehr fair aber das wusste ich am Anfang ja alles nicht. Ich habe mir am Anfang der Trennung auch eine Anwältin genommen und mich beraten lassen.
Wir hatten Gütertrennung (aufgrund seiner nebenberuflichen Selbstständigkeit), dass Haus hatten wir vor unserer Ehe gekauft, ich stand nicht im Grundbuch. Ich stand, rein rechtlich vor dem Nichts, außer meiner eigenen Berufstätigkeit (halbtags).
Jetzt komme ich zu Dir. Was ich nicht verstehe, meine Anwältin sagte mir damals, dass mein Mann nur unterhaltspflichtig mir gegenüber ist, während des Trennungsjahres und für einen minimalen Zeitraum danach. Nach dem neuen Scheidungsgesetz bin ich verpflichtet meinen Unterhalt selbst zu erwirtschaften, dann wäre er nur noch unterhaltsverpflichtet unserem Sohn gegenüber.
Heisst: Nur bis zu einem bestimmten Alter der Kinder ist der Mann unterhaltsverpflichtet seiner Frau gegenüber und vielleicht solltest du das nochmals von einem anderen Anwalt quer prüfen lassen. Komischerweise meinte die Anwältin meines Mannes, dass er mir gegenüber unterhaltsverpflichtet wäre. Ich will damit nur sagen, 2 Anwälte 2 Meinungen. Ich kann dir nicht sagen wie es in der Konsequenz entschieden wird, da mein Mann sich nicht scheiden lassen will und mir gegenüber finanziell sehr sehr fair ist.
Trotz allem ist es eine sehr sehr schwierige Zeit für Dich. Und die emotionalen Schmerzen kann Dir keiner nehmen. Das Ego spielt hier eine große Rolle, sei Dir dessen immer wieder bewusst, dass erdet ein wenig.
Bei allem Kummer und Schmerz habe ich im Laufe der Zeit gelernt: Alles Negative zieht etwas Positives nach sich, auch wenn man es zur Zeit nicht sieht und nicht sehen kann. Das kommt mit der Zeit.
Schau: du sagst selbst, du warst nicht so der Familienmensch. Du hast viel gearbeitet, wahrscheinlich die Familie ernährt und wenig Zeit für Dich und die Kinder. Jetzt hast Du Zeit für die Kinder und zwar ganz bewusste Zeit, mache Dir das auch bewusst. Denke nicht daran was der Neue mit Deiner Ex für tolle Urlaube macht. Die werden so aussehen, wie es normal ist. Man fährt zusammen in den Urlaub, die werden sehen, dass sie als Paar zusammen Zeit haben und die Jungs machen ihr Ding. Sie werden versorgt und organisiert. Aber richtig, bewusste Zeit, werden sie nicht mit Ihnen verbringen. Was auch völlig ok und nicht negativ gemeint ist.
Aber Du, Du hast jetzt die Chance die Zeit ganz bewusst mit Deinen Söhnen zu verbringen, was Du vorher bestimmt auch nicht gemacht hast, weil man im Alltag selten die Aufmerksamkeit im hier und jetzt legt. Wenn Du nicht mehr soviel finanziellen Backround hast um so in deinen Augen tolle Reisen mit den Kids zu machen, mache etwas anderes. Bewusste Zeit mit den Kindern zu verbringen ist mehr wert als alles andere, glaube mir. Gehe mit Ihnen Zelten, dass ist für Kinder in diesem Alter super spannend. Gehe mit Ihnen skaten und klettern. Mache so richtige Jungs-Sachen. Du bist ein Mann und hast 2 kleine Kerle, wie toll ist das denn!
Das sind die positiven Seiten die du entdecken musst. Genauso die Reflektion für Dich, was ist wichtig im Leben (sehe hier nicht, dass nicht mehr vorhandene Familienleben) wo willst Du hin, worüber definiere ich mich. Das wirst Du jetzt noch nicht sehen, da der Schmerz noch zu groß ist und das Ego zu sehr verletzt, aber mit der Zeit wird es kommen.
Probiere Dich aus. Ich habe viel gemacht, ich bin zu einer Trauergruppe gegangen, zu MBSR Kursen und und und. Habe probiert vom großen Zeh in die Schädeldecke zu atmen. Es ist alles nicht meins, aber schon alleine das war interessant zu erkennen, was ist was für mich und was nicht, so lernst Du Dich neu kennen und das ist super spannend. Für mich persönlich sind 2 Dinge im Laufe des letzten Jahres hängen geblieben. Ich habe mich einer pschologisch geführten Frauengruppe angeschlossen. Auch das ist spannend. Menschen kennenzulernen von drin nach draußen, heisst: Menschen zu treffen die ihre eigenen Probleme haben, die man nicht kennenlernt weil sie einem von Anfang an super sympatisch sind sondern weil man sie kennenlernt weil sie auch in der Gruppe sind. Es sind Menschen die ich so nicht in meinem Leben gelassen hätte, ich hätte mir selber überhaupt nicht die Chance dafür gegeben und heute möchte ich sie nicht missen. Diesen Vorschlag hatte ich von meinem Psych aus der Tagesklinik, er war in einer geführten Männergruppe und das schon seit vielen vielen Jahren und das als Psych. Er meinte, dass sind heute die Männer die an seiner Seite stehen. Vielleicht ist es was für Dich, probiere Dich aus. Du kannst da hingehen und Erfahrungen austauschen. Kannst Dich auskotzen, weinen und wütend werden. Du hast dann auch die Möglichkeit Dich privat zu treffen. Die wissen was mit Dir los ist und werden Dich unterstützen. Schaffe Dir einen neuen privaten Umkreis, der mit dem Alten nichts mehr zu tun hat.
Die Freunde können das alles irgendwann nicht mehr hören, auch das ist verständlich, musste ich auch schmerzhaft feststellen, dass sich die Spreu vom Weizen trennt. Aber auch hier lernst Du für Dich, was brauche ich für mich und sind die Menschen mit denen ich die letzten Jahre verbracht habe, wirklich das was ich in denen gesehen habe. Du siehst, es gibt viel zu entdecken, probiere Dich aus.
Das andere was ich für mich mitgenommen habe sind GFK-Kurse, google mal. Ich habe hier sehr viel über mich gelernt. Was beobachte ich, was für ein Gefühl ist das, was ist mein Bedürfnis. Das hat mir sehr geholfen bei mir zu bleiben und ich lerne es immer noch, weil es so schwierig ist. Nun bist Du ein Mann und wahrscheinlich rationaler . Aber vielleicht hilft Dir trotzdem das Eine oder Andere.
Auch heute tut es noch sooo weh, wenn ich zu Hause sitze und weiss, dass mein Kind mit meinem Mann und seiner Neuen eine Motorradtour machen. Es ist alles beim Alten, nur ich bin ausgewechselt. Der Schmerz wird auch immer bleiben, aber das ist der Schmerz, dass meine Lebensplanung nicht so geworden ist wie ich es mir gewünscht habe und ich mir einen neuen Plan machen muss.
Es ist alles schmerzhaft und tut so unendlich weh, aber du kannst viel über Dich lernen. Das Schwerste ist die ganze Sache zu akzeptieren und auch zu akzeptieren, dass der Partner an Deiner Seite nicht mehr der ist der er/sie mal war. Aber man selber ist es auch nicht mehr und glaube mir, man wächst an solchen Lebensveränderungen, man lernt mehr über sich und mehr bei sich zu sein und das ist soooo viel wert. Die Löcher in die man immer wieder fällt werden weniger, der Abstand wird größer und man erinnert sich, ja, letztes Mal als ich in das Loch gefallen bin war es so und so und ich bin wieder daraus weil dies und jenes passiert ist. Du kannst aktiv daran teilhaben und wenn Du wieder fällst, dann weisst Du, Du kommst da auch wieder raus, weil, dass ist das Leben. Es geht weiter und wir haben es selber in der Hand wie wir leben.
Habe Mut und Kraft, du schaffst das
31.07.2017 08:30 •
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