Zitat von Sonne08: In der Kindheit lief ich nebenher. Der Halbbruder war der Schatz. Materiell fehlte es an nichts, nur emotional. Meine Mutter gegangen als ich 3 war und großgezogen von den Großeltern, den Vater und die Stiefmutter im Haus . Keine wunderschönen Kindheitserinnerungen und so war es ( bis auf meine Ehe) auch mit allen Beziehungen .
Auch Du steckst in den Wiederholungen fest. Und dass die Ursprünge in der Kindheit liegen, war mir auch klar. Du liefst nebenher und hast verinnerlicht: ich bin nicht wichtig, was ich fühle, ist nicht relevant und wird nicht zur Kenntnis genommen. Das führt schon das Kind in eine innere Isolation, es fühlt sich einsam und nicht gebraucht und nicht beachtet. Da auch das Kind damit nicht leben kann, werden diese Dinge weit weg geschoben und landen im Unterbewusstsein, wo sie der bewussten Ebene entzogen sind. Das Unterbewusstsein ist aber kein abgeschlossener Raum, es steuert ganz maßgeblich unser Verhalten. Und daher geschehen dann so eigenartige Dinge und Verhaltensmuster wie sie typisch für Bindungsvermeider sind.
Auf der bewussten Ebene wird nur eine sehr große Liebessehnsucht bemerkt, ein Streben nach Nähe und Verbundenheit und nach Anerkennung, die dem Kind zu wenig zu Teil wurde. Da das Unterbewusstsein bei der Partnerwahl das große Wort führt, gelangen die passiven Bindungsvermeider immer wieder an unerreichbare, ja emotional oft sogar grausame Männer. Denn das Unterbewusstsein hat verinnerlicht, dass Bindungen doch nur Schmerz und Kummer bedeuten und sowieso nicht halten. Wenn schon die Elternbindung, die für eine gesunde emotionale Entwicklung maßgeblich ist, ungenügend ist, hat man meist das ganze Leben damit zu tun.
Das Unterbewusstsein lenkt Dich also zu Männern, die nicht in Frage kommen, bewusst aber lebst Du im Schmerz und in der inneren Sehnsucht. Ein innerer Zwiespalt tut sich da auf. Einerseits Bindungsängste, andererseits Bindungssehnsüchte.
Das wiederholt sich dann, weil die Seele sich nicht aus sich heraus helfen kann. Sie kann Dir nur Signale schicken, die Du deuten musst. Und da kommt die Wiederholung ins Spiel, denn die Seele spürt, da ist was, was unheimlich weh tut und was aufgelöst werden muss. Da Du Dich nicht darum kümmerst, wiederholt sie die Konstellationen, die Du kennst. Das Gefühl, wertlos zu sein, nicht gesehen zu werden, kalt gestellt zu werden, denn jedes Mal hofft die Seele, dass dieses Mal das große Happy-End kommt und das Trauma aufgelöst wird. Dieses Mal wird es gut enden und das große Glück wird kommen und alle Verletzungen überschreiben. Da Du ja gewöhnt bist, von Menschen umgeben zu sein, die Dich nicht wahrnehmen, suchst Du Dir eben solche Partner, denn wie sollte sich die Seele denn sonst heilen? Denn dieses Mal wird der bindungsuntaugliche Mann Dich retten. Passiert nicht, wissen wir.
Du kennst die Ursprünge Deines Mangels. Sie wurden Dir anerzogen, Du bist davon geprägt und Du hast erlebt, dass maßgebliche Bindungen in einem Alter zerbrechen, in dem Du absolut nicht damit umgehen kannst. Du hast einen Schaden fürs Leben davon getragen.
Es ist schon mal gut, dass Du Dich erinnern kannst, denn dann ist nicht viel verschüttet. Die Dinge müssen auf die bewusste Ebene gelangen, denn da kann de Mensch damit umgehen. Er weiß, ach ja, wieder so ein Looser, der mich interessiert, nichts wie weg! Oder der Mensch begreift, dass Bindungen nicht gefährlich sind, sondern erhaltenswert. Die Ängste werden damit reduziert. Wenn die Seele ihren Raum in Dir findet, sie merkt, dass Du Dich kümmerst und sie wahrnimmst, wird sie Ruhe geben.
Und man kann auch was für das Selbstwertgefühl tun. Es pflegen, es aufrichten, sich loben, sich bestätigen. Ich habe dies und jenes gut gemacht, prima! Ein dickes Lob für mich selbst. Ich wusste gar nicht, dass ich dies und das können würde, aber es ging.
Und sag Dir immer wieder, dass Du ein liebenswerter Mensch bist, nur ein wenig fehlgeprägt, was aber nicht Deine Schuld ist. Sag es Dir vor, auch wenn Du nicht daran glaubst. Jeden Tag wieder, solange bis Du endlich daran glaubst. Und wenn Du an Dich glaubst, dann bleiben auch diese seltsamen Männer weg. Denn die haben eine feine Witterung dafür, mit welchen Frauen sie ihre Spiele treiben können. Starke und selbstbewusste Frauen interessieren sie nicht, denn die sind ja unpraktisch, nicht leicht zu lenken und stecken nicht so viel widerspruchslos ein. Sie begeben sich nicht in die Opferrolle.
Wenn Du andere Signale an die Umwelt sendest, werden sich auch die Menschen ändern, die Dich umgeben.
Es ist ein großer Schritt für Dich, Dich an die Psychologin gewandt zu haben. Denn Du hast erkannt, dass Du in einer Sackgasse feststeckst. Ich hoffe für Dich, dass Du bald eine Antwort bekommst und Aussicht auf eine Behandlung hast. Wer sich selbst nicht helfen kann, muss sich eben Hilfe suchen.
Der erste Schritt ist getan, weitere werden folgen. Vermutlich wird das Aufdecken Deiner Erlebnisse sehr weh tun, denn Du durchlebst sie damit sozusagen nochmals. Aber der Schmerz wird dann auch hilfreich sein.
Du kannst für Dich an innerer Stärke sehr gewinnen, vielleicht sogar stärker als die Menschen, die in dem unerschütterlichen Glauben und Selbstvertrauen an sich selbst aufwachsen.
Irgendwelche Baustellen hat jeder, manche halt ein paar mehr. Aber das Leben ist auch mit Baustellen lebenswert, wenn man es zulässt.
Tu Dir was Gutes. Irgend was. Trinke in Deinem Lieblingscafé einen Cappucchino und genieße das. Oder finde sonst etwas, was Dir gut tut. Achtsamer Umgang mit Dir selbst ist jetzt oberstes Gebot für Dich.
Denn andere kümmern sich nicht um Dich, dafür bist Du selbst zuständig.
Ich habe die Hoffnung, dass Du Dich von dem Trauma das verlassenen Kindes verabschieden kannst.